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II. Das 17. Jahrhundert

Von Johannes Glintschert.

Mit Beginn des 17. Jahrhunderts traten verstärkt religiöse Auseinandersetzungen ein. Höhepunkt war der 30jährige Krieg (1618-1648) zwischen den protestantischen und katholischen Machtbereichen Europas, der letztendlich ein Machtkampf um die Vorherrschaft in Europa war. Er endete mit dem Westfälischen Frieden 1648.

Berlin und Cölln waren davon in starkem Maße betroffen. Der zu dieser Zeit regierende Kurfürst Georg Wilhelm (1619-1640) verließ seine Residenz und ging nach Königsberg in Ostpreußen. Zudem nahm er eine schwankende Position zwischen beiden kriegführenden Seiten ein.
Wallenstein (katholische Seite) zog zweimal (1628 und 1630) und der Schwedenkönig Gustav Adolf (protestantische Seite) einmal (1631) in Berlin ein. Die Stadt wurde ausgeplündert, mußte hohe Summen Tribut zahlen. Hinzu kam, daß zweimal die Pest ausbrach, die 1631 2.066 und 1637/38 2.308 Menschenleben forderte. Nach Kriegsende war die Einwohnerzahl etwa um die Hälfte auf ca. 6.000 gesunken. Die Residenzstädte befanden sich in katastrophalem Zustand.

1640 starb Kurfürst Georg Wilhelm in Königsberg. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm, der "Große Kurfürst" wie er später nach dem Sieg über Schweden bei Fehrbellin im Jahre 1675 genannt wird, zog 1643 provisorisch und erst 1650 endgültig in der Residenz ein, nachdem die Kriegsschäden am Schloß beseitigt waren.

In den folgenden Jahren wurde eine rege Bautätigkeit entfaltet. Das Schloß erhielt seine endgültige Gestalt, Berlin und Cölln wurden als Garnison (1657) und als Festung ausgebaut. Es entstanden auch viele Parks und Gärten, so u.a. der Lustgarten. Die Anfänge der Prachtstraße Unter den Linden gehen auch auf diese Zeit zurück.

Die Wirtschaft wurde wieder angekurbelt, es entstanden Manufakturen und der Handel weitete sich aus. Die Stadtentwicklung kam wieder voran. Ein neuer Stadtteil entstand unter dem Namen "Friedrichswerder". Er wird die dritte Residenzstadt mit eigener Verwaltung. Die Verbindung zwischen ihm und Cölln bildet die Jungfernbrücke über die Spree, die einzig heute noch erhaltene Zugbrücke Berlins (in den 90er Jahren restauriert). Als Kirche für die wachsende Zahl der Bevölkerung diente der alte Reitstall. (Die von Karl Friedrich Schinkel 1824-1830 geschaffene Friedrichswerdersche Kirche wurde im 2. Weltkrieg zerstört und in der DDR in den 80er Jahren wiedererrichtet.)
Nördlich von Friedrichswerder entstand seit 1674 als vierte Residenzstadt die "Dorotheenstadt", benannt nach der zweiten Gemahlin des Kurfürsten, Dorothea. 1678 erhielt diese Stadt bereits einen Kirche und in der Folge eine selbständige Verwaltung und Gerichtsbarkeit.
Der Plan zum Bau einer "Friedrichstadt" kam nicht voll zur Entfaltung. Die Anfänge, sie reichten von Unter den Linden bis zur Behrensstraße (aus heutiger Sicht), wurden 1681 in die Dorotheenstadt eingefügt.

Insgesamt hatte die Residenz eine allmähliche Ausdehnung nach Westen erfahren. Neben diesen Städten entstanden vor den Toren unselbständige Vorstädte, wie z.B. die Georgenvorstadt (seit 1701 Königsstadt), die Stralauer, die Spandauer sowie die Köpenicker Vorstadt. Die Namen leiteten sich aus den zugehörigen Stadttoren ab. Ihre Entwicklung vollzog sich schneller und in einer dichteren Bebauung als in den neuen Residenzstädten.

Um diesen wirtschaftlichen Aufschwung und die Erweiterung der Residenzstädte zu erreichen, bedurfte es wesentlich mehr Menschen, als nach den Kriegswirren vorhanden waren.

Der Große Kurfürst gestattete wieder jüdischen Bürgern den Zuzug. 1671 kamen 50 reiche Familien jüdischen Glaubens aus Wien, wo sie vertrieben worden waren, und ließen sich in der Residenz nieder. Auch Verfolgte protestantischen Glaubens aus der Schweiz, den Niederlanden und aus Böhmen fanden sowohl in der Residenz als auch in der Mark Brandenburg ein neues Zuhause.

Mit dem Edikt von Potsdam vom 8. November 1685 gewährte Brandenburg-Preußen den französischen Hugenotten Aufnahme. Ein großer Zustrom setzte ein. Von den rund 15.000 Hugenotten, die nach Brandenburg kamen, siedelten sich über 5.300 allein in den Residenzstädten, vornehmlich in Friedrichswerder und der Dorotheenstadt, an.

Ohne die religiöse Seite dieser Maßnahmen zu unterschätzen, muß vor allem deren hohe wirtschaftliche Bedeutung hervorgehoben werden, kamen doch vornehmlich Handwerker und Kaufleute, die maßgeblich an diesem Aufschwung beteiligt waren.

Am Ende der Regierungszeit des Großen Kurfürsten (er verstarb am 29. April 1688) konnte die Bevölkerung der Residenzstädte mit Stolz feststellen, daß ein sichtbarer Aufschwung auf allen Gebieten erreicht wurde. Die Schäden infolge des 30jährigen Krieges waren überwunden, der weitere Ausbau zur Garnisons- und Festungsstadt erfolgt und die räumlichen Grenzen erweitert. Die Bevölkerungszahl war seit Kriegsende 1648 von 6.000 auf ca. 20.000 angewachsen. Auch die Verkehrslage war entschieden verbessert worden, z.B. durch die Schaffung des durchgehenden Schiffahrtsweges zwischen Elbe und Oder und auch durch die Einrichtung eines funktionierenden Postverkehrs.
Aber auch auf den Einfluß des Großen Kurfürsten auf die Kunstentwicklung sei noch verwiesen. Seine umfangreiche Gemäldesammlung bildete später den Grundstock für die Berliner Staatlichen Museen und aus der Hofbibliothek entstand die spätere Staatsbibliothek.

Nachfolger auf dem Kurfürstenthron wurde Friedrich III. Nachdem er sich 1701 selbst die preußische Königskrone in Königsberg aufsetzte (das Herzogtum Preußen war 1660 unter dem Großen Kurfürsten aus polnischer Lehenshoheit herausgelöst worden und an Brandenburg gefallen) nannte er sich fortan Friedrich I. König in Preußen. Diese Rangerhöhung, vom Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zuteil geworden aus politischem Kalkül, wurde sowohl in Königsberg wie in den Residenzstädten mit großem Pomp begangen. Letztere wurden damit zur königlichen Residenz.

Der König war besonders kunstliebend und förderte maßgeblich den Ausbau und die Erweiterung der Städte sowie die Entwicklung von Wirtschaft, Wissenschaften und Kultur. Die nach ihm benannte Friedrichstadt entstand (sie erstreckt sich zwischen heutiger Wilhelmstraße und Lindenstraße) und erhielt breite Straßen und einen schnelle Bebauung. Die Mitte bildet der Friedrichstädtische Markt , der 1736 in Gendarmenmarkt umbenannt wurde, da sich hier die Ställe des Regiments Gens'armes befanden. Zu DDR-Zeiten in "Platz der Akademie" umbenannt (wegen des Sitzes der Akademie der Wissenschaften) heißt er heute wieder Gendarmenmarkt. 1701 wurde hier der Grundstein für den Bau der deutschen und der französischen Kirche (fälschlicher Weise als Dome bezeichnet) gelegt.

1698 begann unter Andreas Schlüter der Umbau des Schlosses. Schlüter war Hofbildhauer (von ihm stammt das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, das heute im Hof des Schlosses Charlottenburg steht) und wurde 1699 zum Schloßbaudirektor ernannt. Nach Schlüters Absetzung (wegen des mißlungenen Baues eines Münzturmes von 100 m Höhe, den der König in Auftrag gegeben hatte) wurde Eosander von Göthe mit der Weiterführung des Schloßbaues beauftragt. Damals erhielt das Schloß seine endgültige Gestalt. (Im Zweiten Weltkrieg zwar stark beschädigt, wurde es 1950 auf Anweisung der DDR-Führung gesprengt und abgetragen, obwohl ein Wiederaufbau möglich gewesen wäre. Es war ein Akt von Kulturbarbarei. Nur das Portal IV (es befand sich auf der Seite zum Lustgarten) wurde in den Neubau des Staatsratsgebäudes integriert. Vom Balkon dieses Portals hatte Karl Liebknecht während der Novemberrevolution 1918 die "Sozialistische Republik" ausgerufen.)

1695 war die Grundsteinlegung für das Zeughaus, ein weiterer markanter Bau dieser Zeit, von Grünberg und Schlüter begonnen, von Jean de Bodt vollendet. Von Schlüter stammen die eindrucksvollen Masken sterbender Krieger im "Schlüterhof", die wohl kaum als Verherrlichung des Krieges mißverstanden werden können.

Von herausragender Bedeutung für die Entwicklung von Wissenschaften und Kultur in dieser Zeit sind die Gründungen der Akademie der Künste 1696 und der Akademie der Wissenschaften 1700. Erster Präsident der Wissenschaftsakademie wurde der Philosoph, Mathematiker und Erfinder Johann Gottfried Leibnitz.

Auch die Bautätigkeit außerhalb der Stadt erfuhr eine weitere Expansion. Es entstanden kleinere Sommer- und Landsitze mit Parkanlagen. Nennenswerte Beispiele dafür sind das Parkhaus in Friedrichsfelde (es hieß zu der Zeit noch Rosenfelde), das später zum Schloß erweitert wurde, sowie das Schloß Lietzenburg. Letzteres, errichtet für die Kurfürstin Charlotte (1695 nach Plänen von Nering begonnen und 1702 von Eosander erweitert), wurde nach deren Tode 1705 in Verbindung mit dem in seiner Nachbarschaft entstandenen Wohnviertel zur Stadt erhoben und erhielt zu Ehren der Verstorbenen den Namen Charlottenburg. Der zwischen den Residenzstädten und Charlottenburg gelegene Tiergarten, kurfürstliches Jagdgehege seit dem 16. Jahrhundert, wurde zum Park umgestaltet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Ein entscheidender Schritt für die weitere Entwicklung war der Entschluß des Königs, aus den fünf Residenzstädten mit je eigener Verwaltung einen einheitliche Gemeinde Berlin zu bilden (Kabinettsorder vom 17. Januar 1709). Damit wurden die Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt mit Wirkung vom 1. Januar 1710 zur Einheitsgemeinde Berlin mit einem gemeinsamen Magistrat, der seinen Sitz im Cöllnischen Rathaus hatte. Mit der Gerichtsverfassung vom 21. Januar 1710 wurde das Gerichtswesen im gleichen Sinne geregelt.

Das neu geschaffene Wappen, es zeigte in dreigeteiltem Schild den roten brandenburgischen Adler, den schwarzen preußischen Adler und den aufrecht schreitenden Berliner Bären, wurde zum Symbol der einheitlichen Stadt.

So hatte sich Berlin gegen Ende der Regierungszeit König Friedrichs I. (er starb 1713) zu einer bedeutenden Residenzstadt entwickelt. Die Bevölkerungszahl war erheblich gewachsen (ca. 60.000 im Jahre 1712). Doch der äußere Glanz konnte nicht verdecken, daß die Prunksucht des Königs zu einer hohen Verschuldung des Staates geführt hatte.

Weiter mit III. Bis Mitte 19. Jahrhundert

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© 2003-2012, Alexander Glintschert
Zuletzt geändert: 07 August, 2012