Lange Zeit befanden sich Schloß und Park Glienicke im Besitz der Hohenzollern. Doch das Kunstwerk, das Prinz Karl entwirft und hier erschaffen läßt, findet bei seinen Erben wenig Interesse. Weit davon entfernt, es fortzuführen oder gar zu erweitern, verweigern sie sogar die notwendigste Instandhaltung und lassen es zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts über lange Zeit hinweg verfallen.
Doch obwohl Schloß und Park von den Angehörigen der Hohenzollernfamilie praktisch nicht genutzt werden, bleiben die Tore zu dem Gelände verschlossen. Der Berliner Bevölkerung ist es nicht erlaubt, den Park zu betreten.
Dies ändert sich im Jahre 1934. Dieses Jahr kennzeichnet den Beginn des Übergangs Glienickes in den Besitz der Stadt Berlin. Doch so einfach, wie es sich anhören mag, ging dieser Übergang keineswegs vonstatten. Dahinter stecken recht komplizierte Vorgänge und Machenschaften, die zu klären heute so manchen Historiker und Rechtsexperten beschäftigen dürfte. Darüber hinaus haben sie in der jüngeren Vergangenheit Anlaß zu einigen Rechtsstreitigkeiten gegeben, in die die Stadt Berlin verwickelt wurde und in denen es um die Rückübertragung des Besitzes an die Erben der Hohenzollern ging.
Ich möchte hier versuchen, die Geschichte, wie Glienicke zu Berlin gekommen ist, zu erzählen, wie ich sie aus historischen Zeitungsartikeln und heutigen Publikationen zu diesem Thema rekonstruieren konnte.
Wie bereits gesagt, ist das Jahr 1934 der erste Meilenstein dieser Geschichte. In diesem Jahr fädelt Dr. Julius Lippert, ein naher Vertrauter von Hitler, Goebbels und Göring und “Staatskommissar für die Reichshauptstadt Berlin”, eine Transaktion ein, die in ihrem Ergebnis zur Übernahme des größten Teils des Parks Glienicke durch die Stadt führte.
In seinem Bemühen als Nazifunktionär, Berlin “von jüdischen und korrupten Elementen zu säubern”, untersucht Lippert Grundstücksverkäufe und andere Transaktionen jüdischer Geschäftsleute aus der Zeit der Weimarer Republik, um sie, gegebenenfalls durch geeignete Verdrehung von Tatsachen, gegen diese verwenden zu können. Dabei stößt Lippert auch auf einen Grundstücksverkauf der zu jener Zeit in jüdischem Besitz befindlichen Engelhardt-Brauerei am Berliner Alexanderplatz von 1929. Diesen funktioniert er nachträglich in eine Grundstücks- und Schmiergeldaffäre um. Der Fall, mächtig aufgebauscht und in der nationalsozialistischen Berliner Presse ausreichend breitgetreten, endet schließlich damit, daß der jüdische Brauereibesitzer ein Aktienpaket seiner Firma im Wert von zweieinhalb Millionen Reichsmark an die Stadt abtreten muß - als sogenannte “Entschädigung” und angeblich natürlich “völlig freiwillig”.
Hintergrund dieser Aktion ist die Tatsache, daß die Firma Engelhardt zu jener Zeit Deutschlands zweitgrößter Brauereikonzern und damit ein recht attraktives Unternehmen ist. Paßt es den Nationalsozialisten einerseits nicht, dieses Unternehmen in jüdischem Besitz zu sehen, hat aufgrunddessen die Dresdner Bank andererseits ein großes finanzielles Interesse an der Brauerei.
Und so führt in dieser Affäre schnell eins zum anderen: die Stadt Berlin übergibt ihre Aktien, die sie nicht besitzen darf, an die Dresdner Bank und erhält dafür als Ausgleich einen großen Teil des Glienicker Parks und 850 000 Mark in bar. Der Park befindet sich seit einiger Zeit im Besitz der Dresdner Bank, weil er ihr von Prinz Friedrich Leopold gegen Gewährung größerer Kredite als Sicherheit überschrieben worden war.
Lippert öffnet das bis dahin verschlossene Waldgelände, umrahmt von einer großen Propagandaaktion, für die “deutschen Volksgenossen” und läßt sich dafür feiern. Die Zeitungen aus dem Jahre 1934 sind voll des Lobes für den heroischen Staatskommissar. Am 20. April 1935 - pünktlich zum Geburtstag des “Führers” - wird der Park als “Volkspark Glienicke” der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Eine kleine Anekdote am Rande wirft ein bezeichnendes Licht auf den Größenwahn und die Eitelkeiten der nationalsozialistischen Funktionäre: Auf dem Gelände des Parks liegt auf einer Wiese an der Potsdamer Chaussee ein riesiger Findling. Er trägt das Datum 1. Mai 1824 eingemeißelt, jenes Tages, an dem Prinz Karl Park und Schloß als Geschenk erhielt. Nach der Eröffnung des “Volksparks Glienicke” wird der Stein um den Satz 20. April 1935 im dritten Jahre der Regierung Adolf Hitlers ergänzt. Wie eine Zeitung später berichtete, soll die letzte noch in Glienicke lebende Fürstin, die im Jahre 1952 gestorben ist, daraufhin einen Steinmetz gerufen und zu diesem gesagt haben: “Ich will das nicht. Wie kommt der Mann dazu. Radieren Sie das aus!” Noch heute ist deutlich erkennbar, daß von diesem Stein etwas weggemeißelt wurde...
Nach der Öffnung des Parks läßt Lippert den Jägerhof auf Staatskosten renovieren und zieht nach der Fertigstellung gleich selbst ein.
Wie bereits angedeutet, geht jedoch nicht der gesamte Park in den Besitz der Stadt über. Von der Übernahme ausgeschlossen ist der kleinere, südlichere Teil mit den beiden Schlössern und dem Pleasureground. Dieser verbleibt zunächst im Besitz von Friedrich Karl Prinz von Preußen.
Doch damit geben sich die Nationalsozialisten nicht zufrieden. Im Rahmen ihres Programms zur “Neugestaltung der Reichshauptstadt” planen sie unter Führung des Baumeisters Albert Speer, hier an der Stadtgrenze zu Potsdam eine “würdige Eingangspforte für das neue Berlin” zu bauen. Monumental soll sie werden und dem Besucher schon von weitem den Weg weisen. Dabei erweist sich das immer noch in Privatbesitz befindliche Parkgelände natürlich als störend.
Und so schließt sich vier Jahre später folgerichtig das nächste Kapitel dieser Geschichte an. Am 1. Juli 1939 erwirbt die Stadt Berlin nun auch das Schloß und den restlichen Parkteil - für einen Kaufpreis von 920 000 Reichsmark. Friedrich Karl Prinz von Preußen wird, da er mit seinen neunzehn Jahren noch nicht volljährig ist, von einem Vormund, dem Prinzen Christian von Schaumburg-Lippe, vertreten. Nachdem er zunächst nicht verkaufen will, wird ihm ein Ultimatum gestellt, entweder diese Summe zu akzeptieren oder zwangsenteignet zu werden. Und so kommt der Kaufvertrag schließlich zustande. Von ihm ausgenommen ist jedoch das Mobiliar, das zu großen Teilen auf Schinkels Entwürfe zurückgeht. Es verbleibt im Besitz des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen d. J., ebenfalls Nachkomme des Prinzen Karl und Onkel von Prinz Friedrich Karl.
Kapitel drei schließlich beginnt im Jahre 1984. In diesem Jahr tritt Friedrich Karl Prinz von Preußen an die Stadt Berlin heran und fordert vom Berliner Senat Schadenersatz in Millionenhöhe für den 1939 getätigten Verkauf von Schloß und Park. Als Grund gibt der Prinz an, daß der Verkauf unrechtmäßig zustandegekommen sei, da ihn die Nationalsozialisten zum Verkauf gezwungen hatten, indem sie ihm mit Zwangsenteignung drohten. Darüber hinaus sei der erzielte Verkaufspreis viel zu niedrig gewesen. Insbesondere habe er für die zahlreichen Kunstwerke überhaupt keine Bezahlung erhalten. Der Berliner Senat lehnt dieses Ansinnen jedoch rundweg ab. Da sich beide Parteien nicht einigen können, zieht sich der Streit hin und geht schließlich 1986 vor Gericht, als der Prinz eine Schadensersatzklage einreicht.
Am 14. Oktober 1987 wird dieser Prozeß um Schloß und Park Klein-Glienicke zwischen dem Land Berlin und Friedrich Karl Prinz von Preußen vom Gericht mit dem Urteil beendet, daß das Land Berlin der rechtmäßige Eigentümer der Anlagen sei und bleibe. In der Urteilsbegründung heißt es, die Stadt Berlin habe sich den Grund und Boden sowie die Immobilien und das Inventar gewissermaßen “ersessen”. Da die Stadt über dreißig Jahre lang in dem Glauben, der rechtmäßige Eigentümer zu sein, über den Grund und Boden, das Schloß und sein Inventar verfügt habe, ohne daß dies angefochten worden wäre, sei sie nun auch Eigentümer. Der Prinz habe es in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg versäumt, seine Ansprüche sofort nach der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse dem Land Berlin gegenüber geltend zu machen. Das Gericht erkennt deshalb darauf, daß sämtliche Schadensersatzansprüche nichtig seien - der Prinz erhielt praktisch nichts. Einen Vergleich, der ihm eine Million Mark Abfindung gebracht hätte, hatte der Prinz im Vorfeld als nicht ausreichend abgelehnt.
Der Prinz entschließt sich, diese Entscheidung in einem Berufungsprozeß anzufechten. Doch am 20. April 1989 wird seine Klage auch in zweiter Instanz abgewiesen, nachdem er wiederum einen angebotenen Vergleich ausgeschlagen hatte. Diesmal ist das Urteil rechtskräftig.
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