Lange Jahre ist ein Gebäude prägend für das Erscheinungsbild des Alexanderplatzes, das auch eine gewisse, wenn auch nicht immer rühmliche Rolle in der Berliner Geschichte gespielt hat. Die Rede ist vom 1889 fertiggestellten und bezogenen Polizeipräsidium.
Der rote Ziegelbau, in dem auch das Stadtgefängnis untergebracht ist, wird anstelle des ehemaligen Arbeitshauses errichtet, einer Strafanstalt, die bei den Berlinern auch den Namen “Ochsenkopf” trug. Diese war im 19. Jahrhundert hier entstanden und später auch Obdachlosenasyl geworden. Für den Neubau wird sie nebst einer Irrenanstalt und einiger noch vorhandener Militärgebäude abgerissen. Vor der Fertigstellung des Polizeipräsidiums waren Polizei und Gefängnis am Molkenmarkt nahe der Nikolaikirche untergebracht gewesen. Die dortigen Räumlichkeiten hatten jedoch schon bald nicht mehr ausgereicht, so daß man begonnen hatte, die Behörden im ganzen Stadtgebiet zu verteilen. Dies erwies sich jedoch auf Dauer als unpraktisch, so daß sie mit dem neuen Präsidium nun wieder an einer zentralen Stelle zusammengefaßt werden sollten.
Die Planungen für den Neubau übernimmt Hermann Blankenstein, der auch die Markthallen am Alexanderplatz errichtet hatte. Das nach seinen Entwürfen entstandene Gebäude ist riesig. 196 Meter ist seine Fassade an der Alexanderstraße lang, 92 Meter sind es am Alexanderplatz. Diesem zugewandt ist ein wuchtiger Eckturm. Das Gebäude verfügt über vier Geschosse, acht unbedeckte, unterschiedlich große Höfe und einen glasbedachten Mittelhof. Auf dem knapp 16.000 Quadratmeter großen Grundstück sind allein 10.610 Quadratmeter Fläche bebaut. Wegen seiner Außenfront aus hellrotem Stein wird das Polizeipräsidium von den Berlinern schon bald als “Rote Burg” bezeichnet. Ein anderer Spitzname leitet sich aus seinem monumentalen Äußeren ab: die “Zwingburg am Alex” ist damals das drittgrößte Gebäude von Berlin. Übertroffen wird sie lediglich vom Stadtschloß und vom Reichstag.
Im Inneren sind jedoch nicht nur Behörden und das Gefängnis untergebracht, sondern es gibt hier auch Dienstwohnungen für leitende Polizeibeamte. Fast dreißig Polizeipräsidenten haben dort im Laufe der Zeit ihr Zuhause. Einer von ihnen ist Traugott von Jagow, der 1913 unter den Berlinern für Aufsehen und Gelächter sorgt, als er den Damen allen Ernstes verbietet, in öffentlichen Verkehrsmitteln hervorstehende Hutnadeln zu tragen. Doch solch kurzweilige Anekdoten gibt es zu diesem Gebäude nicht allzu viele. Vielmehr überwiegen die ernsten oder gar schrecklichen Ereignisse, in die das Präsidium einbezogen ist.
Im Jahre 1918 bricht unter der Führung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Novemberrevolution in Deutschland aus. In Berlin ist schon bald auch der Alexanderplatz Schauplatz der Kämpfe, da die vorwiegend aus Arbeitern, Roten Matrosen und anderen Gruppen bestehenden Revolutionäre versuchen, das Polizeipräsidium an der Alexanderstraße in ihre Hand zu bekommen und politische Gefangene zu befreien. Der U-Bahnausgang am heutigen Alexanderplatz ist dabei der Ausgangspunkt des Angriffs der Aufständischen, die auf dem weiten Alexanderplatz ins Schußfeld der Polizei geraten. Dennoch gelingt es ihnen nach heftigen Kämpfen schließlich, ihr Ziel zu erreichen. Doch die Antwort der reaktionären Kräfte läßt nicht lange auf sich warten. In der Nacht vom 11. auf den 12. Januar 1919 stürmen die Truppen unter Reichswehrminister Gustav Noske von der SPD das Polizeipräsidium, wobei sie Panzerfahrzeuge, Granatwerfer und Flammenwerfer gegen die Aufständischen und die von diesen errichteten Barrikaden einsetzen. Viele Tote und Verwundete sind die Folge, von den Zerstörungen an den umliegenden Gebäuden gar nicht zu reden. So wird die Revolution schließlich niedergeschlagen.
Ein reichliches Jahrzehnt später spielen sich im Polizeipräsidium wiederum Szenen unbeschreiblichen Leids ab, denn ab 1933 nutzt die Geheime Staatspolizei (Gestapo) der Faschisten das Gebäude. Kurz nach dem Reichstagsbrand ergehen von hier aus die Haftbefehle gegen prominente KPD- und SPD-Angehörige. Neben vielen anderen wird auch der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, verhaftet und hier in Zelle 32 eingesperrt. Ein Augenzeugenbericht aus jener Zeit erzählt davon, daß
“des Nachts von den Korridoren und vom Hofe her stundenlanges entsetzliches Schimpfen, Knüppelschläge, herzzerreißende Schreie”
zu hören waren. Ab Mai 1935 gibt es dann beinahe täglich Gefangenentransporte vom Präsidium ins Gestapo-Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Straße. In den dortigen schallisolierten Kellern unterwerfen die faschistischen Schergen die Gefangenen ihrem systematischen Folterprogramm, wofür sich das Gebäude am belebten Alexanderplatz nicht eignet.
Dies alles endet erst am 29. April 1945, als die sowjetische Armee das polizeiliche Hauptquartier am Alexanderplatz stürmt und die Gefangenen befreit. In den letzten Kriegstagen wird der rote Bau des Polizeipräsidiums dann durch mehrere Bombentreffer weitgehend zerstört.
Nach dem Krieg wird ein Wiederaufbau gar nicht erst in Betracht gezogen. Zu sehr ist die Geschichte des Gebäudes mit Leid und Unrecht verbunden. So werden 1957 die letzten verbliebenen Teile des ehemaligen Polizeipräsidiums abgerissen. An seiner Stelle entsteht allerdings lediglich ein großer Parkplatz. Einige Jahre später und von da an regelmäßig wird er für den großen Weihnachtsmarkt genutzt, der in der DDR weithin bekannt und beliebt ist. Erst ab 2006 wird schließlich wieder ein Gebäude an dieser Stelle errichtet: das am 13. September 2007 eröffnete Alexa, Berlins größtes Einkaufs- und Freizeitzentrum.