Im Jahre 1904 errichtet der deutsch-jüdische Kaufmann Oskar Tietz am Alexanderplatz ein Warenhaus anstelle der großen Berliner Zuschneide-Akademie, die sich in einem Nachfolgebau der einstigen Seidenmanufaktur des Fabrikanten Treitschke befand, zwischen der Straße am Königsgraben (heutige Dircksenstraße) und der Alexanderstraße. Es ist das zweite Kaufhaus des Oskar Tietz in Berlin, der es nach seinem Stiefonkel und Förderer Hermann Tietz benennt.
Entworfen wird der Bau, der direkt hinter der Berolina in die Höhe wächst, von den Architekten Wilhelm Albert Cremer und Richard Wolffenstein. Um genügend Platz für den Bau zu schaffen, werden alle Gebäude zwischen dem Alexanderplatz und der Straße am Königsgraben rigoros abgerissen. So fallen unter anderem das ehemalige Manufakturhaus und das Gebäude, an dessen Ort einst das Lessing-Haus stand, dem Warenhaus zum Opfer. Die Lessing-Büste und die Erinnerungstafel für den Dichter, die an letzterem Gebäude angebracht waren, verschwinden ins Dunkel der Geschichte.
Im Oktober 1905 wird das neue Kaufhaus feierlich eröffnet. Doch schon in den Jahren 1907/08 und später noch einmal 1910/11 finden erneut Bauarbeiten statt – das Kaufhaus erhält zwei Erweiterungsbauten. Nach ihrer Fertigstellung ist es das größte Warenhaus der Welt! Entlang der Alexanderstraße nimmt es jetzt eine Front von 250 Metern ein – ein weiterer Weltrekord, denn es verfügt damit über die längste Kaufhausfront der Welt. Über dem Giebel an seiner Frontseite trägt das Gebäude eine Weltkugel mit dem Namen Tietz – der berühmte Tietz-Globus. Ein weiteres herausragendes Merkmal des Warenhauses ist sein Lichthof, dessen sieben ovale Öffnungen den Schein von 40.000 Kerzen ausstrahlen.
Dennoch: Da sich das Haus als “Volkswarenhaus” für die Berliner versteht, ist es – mit Ausnahme des Lichthofes und des zweigeschossigen Teppichsaales – eher schlicht gestaltet. Das Warenangebot richtet sich an die weniger kaufkräftigen Schichten des Berliner Ostens. Und schon bald wird das Unternehmen auch von seinen Angestellten wegen seiner sozialen Leistungen hoch geschätzt, was sich sogar in einem Text, den Claire Waldoff in den 1920er Jahren singt, ausdrückt, in dem sie ihrem Geliebten vorwirft:
“Wegen dir hab’ ich meine jute Stellung bei Tietz uffjejeben!”
Das Kaufhaus Hermann Tietz bleibt jedoch nicht das einzige Warenhaus in dieser lukrativen Gegend. Bereits in den Jahren 1909/10 entsteht dort, wo sich heute das Kino Cubix und der Anfang des Wohnhauses in der Rathaussstraße befinden, ein weiteres großes Kaufhaus, direkt an der damaligen Königstraße: das Kaufhaus Wertheim. Seiner Errichtung fallen die Königskolonnaden zum Opfer, die einerseits der geplanten Kaufhausfront zur Königstraße im Weg sind, andererseits aber auch die mittlerweile viel befahrene Königstraße sehr stark einengen und so zu einem großen Verkehrshindernis geworden sind. Glücklicherweise entscheidet man sich jedoch nicht für einen einfachen Abriß, sondern versetzt die von Carl Philipp von Gontard geschaffenen Kolonnaden in den vormaligen Botanischen Garten, den heutigen Schöneberger Kleistpark. Dort stehen sie bis zum heutigen Tage.
Im Jahre 1911 schließlich eröffnet noch ein weiteres Kaufhaus in der Nähe des Alexanderplatzes. Dort, wo sich heute zwischen dem Bahnhof und dem Fernsehturm das als „Alea 101“ bezeichnete Gebäude befindet, begründet das Unternehmen C & A sein erstes Geschäftshaus. Und kurz darauf wechselt auch das alte Berliner Konfektionshaus Hahn an den Alexanderplatz und bezieht am Eingang zur Landsberger Allee, direkt im Anschluß an das Haus “Zum Hirschen”, neue Räume.
Die 1930er Jahre lassen ein dunkles Kapitel für die Warenhäuser anbrechen. Die “Arisierung” und die anschließende Judenverfolgung hinterlassen ihre deutlichen Spuren, als in ihrem Zuge die in jüdischem Besitz befindlichen Kaufhäuser enteignet und umbenannt werden. Aus dem Kaufhaus “Wertheim” wird so die Allgemeine Warenhaus Gesellschaft AG (AWAG) gebildet. Dem Kaufhaus Hermann Tietz geben die braunen Machthaber kurzerhand den Namen “Hertie”, nachdem sie es seinen Besitzern weggenommen und einem “arischen” Geschäftsführer unterstellt haben. Unter diesem Namen avanciert das Haus zum größten Warenhaus Europas und bildet schließlich den Ausgangspunkt für eine sehr erfolgreiche Warenhauskette.
Die Totalzerstörung des Alexanderplatzes im Zweiten Weltkrieg macht auch vor den Warenhäusern nicht halt. Zum Kriegsende 1945 sind sowohl das Kaufhaus Wertheim als auch das Kaufhaus Hermann Tietz völlige Ruinen. Bei letzterem ist der Globus vom Dach herabgestürzt und liegt vor den ausgebrannten Mauern auf dem Schutt. Nachdem dieser im Zuge der Aufräumarbeiten kurz nach Kriegsende beseitigt ist, steht die Ruine des Warenhauses noch einige Zeit am Platz, wird aber schließlich endgültig abgerissen, als die ersten Überlegungen und Pläne entwickelt werden, den Alexanderplatz in einen der größten Plätze der Welt zu verwandeln. Das gleiche Schicksal ereilt das Kaufhaus Wertheim.
So endet die Geschichte dieser Traditionshäuser am Alexanderplatz, doch die Geschichte der Warenhäuser an diesem Platz ist damit noch nicht zu Ende. Zunächst setzt sie sich fort, als das wiederhergestellte Alexanderhaus 1952 von der HO, der Handelsorganisation der DDR, übernommen und in ein Warenhaus umgewandelt wird. Da jedoch dieses Gebäude eigentlich nicht als Kaufhaus entworfen worden war, wird diese Lösung bald als unzureichend empfunden. Und so sehen die erwähnten Pläne zur Umgestaltung des Platzes, die Ende der sechziger Jahre verwirklicht werden, auch ein neues und größeres Warenhaus vor.
Am 25. November 1970 ist es schließlich soweit: das CENTRUM-Warenhaus am Alexanderplatz öffnet den Kunden erstmals seine Türen. Das von den Architekten Josef Kaiser und Günter Kunert entworfene Gebäude ist insgesamt 34 Meter hoch und mit seiner Fassade aus weißen Aluminiumwaben ein sehr charakteristischer und schnell auch weithin bekannter Bau. Mit insgesamt 13.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ist es von Anbeginn an das größte Kaufhaus der DDR. Darin untergebracht ist im unteren Geschoß auch ein Lebensmittelkaufhaus mit 2.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Auch dies ist für DDR-Verhältnisse ein Rekord: es ist die größte Lebensmittelhalle des Landes.
Das neue Warenhaus läßt das HO-Kaufhaus im Alexanderhaus überflüssig werden. Es wird umgestaltet und alsbald als größtes Ostberliner Möbel-Einrichtungshaus wieder eröffnet. Das CENTRUM-Warenhaus wird bei den Bürgern der DDR und des Ostteils der Stadt sehr schnell sehr beliebt. Im Jahre 1980 werden hier täglich 80.000 Kunden gezählt, die von insgesamt 2.000 Mitarbeitern betreut werden.
Das Ende der DDR im Jahr 1990 bringt auch neue Veränderungen für das Warenhaus. 1991 übernimmt es die Kaufhof AG. Der alte Name CENTRUM wird durch die Marke Kaufhof ersetzt. Als 1993 der Vorschlag von Hans Kollhoff und Helga Timmermann den ersten Preis im Architekturwettbewerb für die Neugestaltung des Alexanderplatzes gewinnt, scheint sogar das Ende des Kaufhauses festzustehen, denn der Plan der beiden Architekten sieht den Abriß des Hauses vor. Der Kaufhof, als einer der Investoren für den Umbau des Platzes, plant, an seiner Stelle eines der Hochhäuser zu errichten, die das Kernstück der Umbaupläne darstellen.
Pläne bedeuten jedoch oft noch keine Entscheidung und schon gar keine Umsetzung, und so ist es auch in diesem Fall. Die politische und die wirtschaftliche Lage ändern sich in den Folgejahren immer wieder und die Errichtung von Hochhäusern am Alexanderplatz erscheint alsbald alles andere als finanzierbar und gewinnbringend. 1996 verzichtet der Kaufhof schließlich bis auf weiteres auf das neue Hochhaus und plant stattdessen die Erweiterung des bestehenden Gebäudes. Die Arbeiten dafür beginnen neun Jahre später. 2005 wird das Warenhaus bei laufendem Betrieb umfassend saniert und dabei um etwa 25 Meter in Richtung des Alexanderplatzes vergrößert sowie um ein Stockwerk erhöht. Die Entwürfe für den Umbau entwickelt der Architekt Josef Paul Kleihues. Die alte charakteristische Aluminium-Fassade, die bis dahin immer noch das Erscheinungsbild nicht nur des Warenhauses, sondern auch des Platzes geprägt hatte, wird nunmehr beseitigt. Die umfangreichen Bemühungen zu ihrer Erhaltung, die von einer rasch nach Bekanntwerden der Pläne gebildeten Bürgerinitiative unternommen werden, werden trotz prominenter Unterstützung unter anderem des Musiksenders MTV und des Deutschen Historischen Museums ignoriert. Das Warenhaus präsentiert sich nach seiner Fertigstellung in einer Natursteinfassade mit großem Glas- und Fensteranteil. Am 24. Mai 2006 wird die neue alte Galeria Kaufhof feierlich eröffnet.
In den Jahren nach der Wiedervereinigung versucht auch der Kaufhauskonzern Hertie, der in Westberlin mit dem Wertheim-Unternehmen fusioniert war, sich wieder am Alexanderplatz anzusiedeln und plant, das Kaufhaus Wertheim wiederzuerrichten. Dafür werden sogar Rückgabeansprüche für das entsprechende Grundstück zwischen Stadtbahn und Rotem Rathaus geltend gemacht. Letzten Endes scheitern diese Bemühungen jedoch.
Im Jahre 1999 meldet schließlich auch die Bekleidungskette C & A ihre Wünsche zur Rückkehr an den Alexanderplatz an. Ein Rückgabeverfahren für ihr altes Grundstück wird zwar zwischenzeitlich veranlaßt und hat zur Folge, daß es an die Besitzerfamilie Brenninkmeijer übertragen wird, doch das Unternehmen bezieht schließlich das 2005 sanierte Berolinahaus und verwirklicht damit seine angestrebte Filiale direkt am Alexanderplatz. Am ursprünglichen Standort wird das bereits erwähnte Gebäude „Alea 101“ errichtet, in dem ebenfalls einige Geschäfte eine Heimstatt finden.
Kaufhaus Wertheim am Alexanderplatz
CENTRUM-Warenhaus am Alexanderplatz
C&A am Alexanderplatz
Warenhäuser am Alexanderplatz