So wie Karl Friedrich Schinkel mit seiner Bauakademie etwas Einzigartiges schaffen will, so soll auch die darin untergebrachte Bauschule nicht nur eine technische Schule sein, an der die Studenten Statik und Stilkunde sowie die technischen Regeln der Architektur vermittelt bekommen. Schinkel begreift die Architektur auch als eine vielseitige und umfassende Kunst, die er weitergeben will. In diesem Sinne fördert er maßgeblich spätere Architekten. Folgerichtig ist die Bauschule in den Jahren ihrer Existenz nicht nur Wirkungsstätte bedeutender Architekten, sondern bringt auch viele von ihnen hervor[note]Einen ausführlichen Überblick über die Schüler und Lehrer der Bauakademie bietet der Artikel
- Elisabeth Rohde, Lehrer und Schüler der Schinkelschen Bauakademie, In: Karl Friedrich Schinkels Berliner Bauakademie.
Detaillierte Angaben dazu finden Sie auf unserer Quellenseite.[/note].
Der 1803 in Potsdam geborene Friedrich Ludwig Persius ist einer der Schüler, die Schinkel besonders fördert. An der Bauakademie legt er seine Feldmesserprüfung ab und wird von Schinkel ab 1824 als Baukondukteur in Klein-Glienicke eingesetzt, wofür er selbst auch einige Bauwerke entworfen hat. 1826 wird Persius mit der Zeichnung und Bauausführung des Schlosses Charlottenhof beauftragt, dessen Errichtung unter Schinkels Oberleitung steht.
Friedrich August Stüler ist ebenfalls Schüler an der Bauakademie und nach Schinkel sicherlich der produktivste Architekt. Gemeinsam mit dem mit ihm befreundeten Karl Heinrich Eduard Knoblauch (1801 – 1865) ist er Mitbegründer des Berliner Architektenvereins, und er wirkt später auch als Lehrer an der Bauakademie. Von ihm stammen einige Kirchen in Berlin wie die St.-Jacobi-Kirche in der Oranienstraße, die St.-Matthäus-Kirche am Matthäikirchplatz und die Bartholomäuskirche am Königstor. Viele seiner Gebäude sind heute leider nicht mehr erhalten, da sie im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind. Darunter ist auch sein vielleicht bedeutendster Bau – das Neue Museum, das mittlerweile wiedererrichtet wurde, wenn auch nicht ganz originalgetreu. Ebenfalls beteiligt war Stüler am Bau der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße.
Ebenfalls Schüler der Bauakademie sind Johann Heinrich Strack, der Erbauer der Nationalgalerie und der Siegessäule, der genau wie Stüler in späteren Jahren als Lehrer an der Schule tätig ist, und Johann August Carl Soller (1805 – 1853), der Baumeister der St.-Michael-Kirche am Engelbecken.
Die Bauakademie beeinflußt über ihre Schüler auch in hohem Maße die großen deutschen Grabungsunternehmen auf griechischem und kleinasiatischem Boden, zum Beispiel in Olympia und Pergamon. Viele der dort beteiligten Mitarbeiter wurden an der Bauakademie ausgebildet und besitzen somit weitreichende Kenntnisse in topographischen Auswertungen, Vermessungen und Rekonstruktionen. Unter ihnen ist Johann Heinrich Friedrich Adler (1827 – 1908), der als Bauführer bei Stüler und Strack unter anderem auch an Schloß Babelsberg und dem Neuen Museum tätig war. Er leitet die Grabungen in Olympia und wird zum Begründer der Archäologischen Bauforschung als Wissenschaft. Ein anderer bedeutender Schüler der Bauakademie ist Carl Humann (1839 – 1896), der sich als Entdecker und Ausgräber von Pergamon einen Namen macht.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schreitet mit der zunehmenden Industrialisierung auch die Entwicklung der Verkehrsbauten voran. Und auch darauf hat die Bauakademie großen Einfluß. Hier studierte unter anderem August Friedrich Wilhelm Orth (1828 – 1901), auf den die frühesten Konzeptentwürfe für die Stadt- und Ringbahn Berlins ebenso zurückgehen wie zahlreiche Brückenbauten. Aber auch bedeutende Kirchenbauten der Stadt wie die Zionskirche, die Gethsemanekirche und die Emmauskirche basieren auf seinen Entwürfen. Ein anderer bedeutender Verkehrsarchitekt ist Ernst August Dircksen (1830 – 1899), der maßgeblich an der Errichtung der Berliner Ringbahn beteiligt ist und die Stadtbahn zwischen dem Schlesischem Bahnhof und Charlottenburg realisiert. An letzterer wirkt durch seine Entwürfe für die Stadtbahnhöfe Bellevue und Alexanderplatz auch Johann Eduard Jacobsthal (1839 – 1902) mit, der auch die Pläne für die Verbreiterung der Friedrichsbrücke entwickelt. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang Franz Heinrich Schwechten (1841 – 1924), der in Berlin mit seinen Entwürfen für den Anhalter Bahnhof und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche deutliche Spuren hinterlassen hat.
Die Liste der Namen bedeutender Schüler der Bauakademie läßt sich noch lange fortsetzen. Stellvertretend seien hier noch genannt: Hermann Friedrich Waesemann (1813 – 1879), der Baumeister des Roten Rathauses, Martin Gropius (1824 – 1880), Friedrich Schulze-Colditz (1843 – 1912), der das Abgeordnetenhaus und das Preußische Herrenhaus entwarf, Julius Carl Raschdorff (1823 – 1914), dessen Berliner Dom heute noch das Angesicht der Berliner Innenstadt prägt, Paul Wallot (1841 – 1912), der Baumeister des Berliner Reichstags, Ernst Eberhard von Ihne (1848 – 1917), dessen bedeutendste Bauten in Berlin der Marstall und das Bodemuseum sind, Ludwig Hoffmann (1852 – 1932), der das Märkische Museum und den beliebten Märchenbrunnen entwarf, sowie Alfred Messel (1853 – 1906), der gemeinsam mit Ludwig Hoffmann das Pergamonmuseum schuf.
Das Titelbild dieses Beitrags zeigt die Kantonsschule in Zürich, Rämistrasse 59, im 19. Jahrhundert. Entworfen wurde sie von Gustav Albert Wegmann, einem Zeitgenossen Schinkels, der nach einem Besuch der Baustelle der Bauakademie so beeindruckt von dem entstehenden Bauwerk war, daß er es Jahre später für seinen Entwurf als Vorbild nahm. Zwar war er kein unmittelbarer Schüler der Bauakademie, doch ist auch er mit seiner Kantonsschule auf eine gewisse Art in die Fußstapfen Schinkels getreten, was den Blick auf seine Kantonsschule zu einem würdigen Titelbild für diesen Beitrag macht.