Als ihn seine Schritte an die alte Brücke führen, hält der Spaziergänger unwillkürlich inne. Auf moosüberzogenen Pfeilern ruhend, überspannt sie in mehreren geschwungenen Bögen den Wassergraben, auf dem kleine Boote langsam ihre Bahn ziehen. Der Blick des Stadtwanderers streift über eine schöne Balustrade, auf der sich steinerne Kindergruppen tummeln, und wird von der Brücke auf die sich hinter ihr erhebenden schlanken Säulen reich verzierter Kolonnaden gelenkt, die auf beiden Seiten die Straße säumen und von grünenden, alten Bäumen romantisch eingefaßt werden.
Sähe der Spaziergänger jenen malerischen Ort heute wieder, könnte er nur schwerlich glauben, daß es derselbe sei. Verschwunden ist der Wassergraben, verschwunden auch die Brücke; und die Kolonnaden mit den sie umrahmenden alten Bäumen gibt es hier ebenfalls nicht mehr. An ihrer Stelle biegt die Straßenbahn quietschend um eine Kurve und rumpelt die Stadtbahn über den Köpfen der Passanten, die hektisch dahineilen, um die Läden im rechter Hand gelegenen Geschäftshaus aufzusuchen oder das sich auf der linken Seite erhebende Kino zu erreichen. Nein, romantisch geht es am westlichen Ende des Berliner Alexanderplatzes heute wahrlich nicht mehr zu. Nichts erinnert hier mehr an die stolzen Königskolonnaden und ihre Königsbrücke…
Als die Festung erstand und fiel
Ihre Geschichte beginnt schon mehr als hundert Jahre vor ihrer Errichtung. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, der von 1618 bis 1648 in Europa und vor allem in den deutschen Landen tobte, entschließt sich Kurfürst Friedrich Wilhelm, auch bekannt als der Große Kurfürst, die bis dahin völlig ungeschützte Stadt Berlin mit Verteidigungsanlagen versehen zu lassen. Er beauftragt den Baumeister Johann Gregor Memhard mit der Planung einer Festungsanlage, die die Stadt umschließen soll. 1658 beginnen die Arbeiten zu deren Errichtung, 1674 werden sie beendet. Rings um die Stadt werden dreizehn Bastionen bzw. Bollwerke gebaut, die durch Wälle – sogenannte Kurtinen – miteinander verbunden sind. Ihnen vorgelagert ist ein Festungsgraben, der sein Wasser aus der die Stadt durchfließenden Spree bezieht. In der Wehranlage gibt es nur wenige Tore, durch die man in die Stadt gelangen kann. Eines davon ist das Georgentor, das früher den Namen Oderberger Tor trug und das einzige Tor ist, das es ermöglicht, die Stadt aus Richtung Osten, durch die Georgenvorstadt, zu betreten. Es steht damals an der Stelle, die heute am Kino Cubix kurz vor der S-Bahn-Brücke liegt, durch die die Rathausstraße den Alexanderplatz erreicht. Dieser hat zu jener Zeit noch keinen Namen und dient als Viehmarkt. Über ihn gelangt der von Osten kommende Reisende zunächst an eine Zugbrücke, die den Festungsgraben überspannt. Über diese ab 1659 aus Holz errichtete Georgenbrücke führt ihn die Straße dann durch das auf der westlichen Seite des Grabens stehende Georgentor und weiter stadteinwärts bis zum Schloß. Auf der Brücke kommt er dabei an zahlreichen hölzernen Krambuden vorbei, in denen Kaufleute ihre Waren feilbieten.
Als sich am 18. Januar 1701 Kurfürst Friedrich III. in Königsberg zum König Friedrich I. in Preußen krönt und am 6. Mai desselben Jahres nach Berlin zurückkehrt, zieht er gemeinsam mit seiner Frau Sophie Charlotte in feierlicher Prozession durch das Georgentor in Berlin ein. Aus Anlaß dieses Ereignisses wird das Tor erneut umbenannt. Es erhält den Namen Königstor. Doch es bleibt nicht die einzige Umbenennung. Die Georgenbrücke heißt von nun an Königsbrücke, den östlichen Festungsgraben nennt man Königsgraben, die Georgenvorstadt wird erst als Königsvorstadt und später als Königstadt bezeichnet und die zum Schloß führende Straße ist nunmehr die Königstraße.
Mit der Zeit vergrößern sich die vor den Festungsanlagen gelegenen Berliner Vorstädte mehr und mehr. Sowohl ihre Einwohnerzahl als auch ihr Umfang nehmen zu. Die Folge davon ist, daß die Festungsanlagen schon bald im Stadtgebiet liegen, was sie zunächst nutzloser und schließlich völlig überflüssig werden läßt. Folgerichtig wird ab 1732, zur Regierungszeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., mit der Beseitigung der Festungswerke begonnen. Zunächst schleift man sie auf Köllnischer Seite und später um die ganze Stadt herum. Da ist bereits Friedrich II. König von Preußen. In seiner Regierungszeit erreicht der Abbruch die Königstraße. Als man um 1746 das Königstor niederreißt, übernimmt der König die Kosten dafür selbst und verschenkt die Steine für Neubauten in der Dorotheenstadt. Beiderseits des Tores werden die Wehranlagen abgetragen und so Bauplatz gewonnen, den Friedrich II. ebenfalls verschenkt. Auf diese Weise entstehen die Häuser Nummer 31, 32 und 33 an der Königstraße. Und weil die neuen Grundstücke erreichbar sein müssen, bilden sich auch neue Verkehrswege wie der parallel zum Festungsgraben verlaufende neue Straßenzug, der ab 1778 zu Ehren Friedrichs II. als Neue Friedrichstraße bezeichnet wird.
Im Zusammenhang mit dem Abriß des Walles entsteht ab 1750 der Plan, den doch sehr breiten Königsgraben einzuschränken, um die Unterhaltungskosten für die recht lange und immer noch hölzerne Königsbrücke zu verringern. Man schüttet Erde aus dem geschleiften Festungswall auf der Alt-Berliner Seite in den Graben und gewinnt so einen Streifen Gartenland. Die Eigentümer der anliegenden Häuser übernehmen die Kosten. Trotz dieser Maßnahme bleibt der Königsgraben jedoch noch breit und wasserreich genug, um mit kleineren Fahrzeugen befahren werden zu können.
Die Stadt soll schöner werden
König Friedrich II. ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bestrebt, Berlin auch in baulicher Hinsicht zur Residenz- und Hauptstadt aufzuwerten. Repräsentative Architektur ist dabei ein probates Mittel, um dem doch recht nüchternen Berlin Verschönerungen angedeihen zu lassen. So entstehen zahlreiche neue Schmuckbauten wie der deutsche und der französische Dom, die gemeinsam mit Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus dem Gendarmenmarkt repräsentatives Gepräge verleihen. Weil mit der Entwicklung von Handel und Gewerbe, in der Gegend um den Ochsenplatz ebenso wie im übrigen Berlin und seiner Umgebung, der Verkehr auf den Wegen aus und in die Stadt gleichzeitig mehr und mehr zunimmt und die Bedürfnisse nach effizienteren Verkehrswegen ansteigen, entstehen zu jener Zeit eine Reihe neuer Brücken über die Flüsse und Gräben, die Berlin durchziehen. Die neuen Bauwerke ersetzen entweder bereits bestehende Übergänge oder bilden neue. Doch neben der Befriedigung des reinen verkehrstechnischen Bedarfs stellt der König auch die Brückenbauten in den Dienst seines Projektes zur Stadtverschönerung. Und weil sie sich ganz wunderbar mit seiner Vorliebe für Kolonnaden verbinden lassen, die die zahlreichen Säulengänge in Potsdam und Sanssouci eindrucksvoll belegen, erhält nun auch Berlin diese Art Schmuck. Eine der dafür auserkorenen Brücken ist die Königsbrücke.
Als im Jahre 1776 unter den Anwohnern erste Gerüchte über die Planung eines Neubaus der Brücke an der Königstraße die Runde machen, befürchten sie sofort eine Verringerung des Wertes ihrer an oder in der Nähe der Brücke gelegenen Grundstücke. Und auch den erwarteten Wegfall ihrer Mieteinnahmen aus den Krambuden wollen sie nicht hinnehmen. Als sie sich mit ihren Bedenken jedoch an den König wenden, ist dieser wenig geneigt, ihnen nachzugeben. Auch einer Wiederholung dieser Vorbehalte im Februar des Jahres 1777, bei der 28 Eigentümer ihrer Angst vor dem Verlust eines großen Teils der Einkünfte, die sie seit fünfzehn Jahren beziehen, Ausdruck verleihen, ist kein größerer Erfolg beschieden. So wird die alte hölzerne Brücke noch im selben Jahr abgebrochen.
Unmittelbar darauf beginnt man mit der Errichtung einer neuen steinernen Königsbrücke. Die Pläne dafür entwirft mit Carl Philipp Christian von Gontard einer der bedeutendsten Baumeister der friderizianischen Zeit, dem Berlin auch die markanten Kuppeltürme der bereits erwähnten beiden Dome am Gendarmenmarkt verdankt. Die Leitung des Baus übernimmt Georg Friedrich Boumann, der dabei von Johann Rudolf Heinrich Richter unterstützt wird. Die neue Brücke, die in vier elliptischen Bögen – sogenannten Korbbögen – den alten Festungsgraben überspannt, ist insgesamt 34 Meter lang und etwas mehr als elf Meter breit. Gesäumt wird sie von Balustraden, die sich an beiden Enden auf jeder Straßenseite zu viertelkreisförmigen Ausbauten erweitern und so den Übergang zum Ochsenplatz auf der einen und zur nach Berlin hineinführenden Königstraße auf der anderen Seite vermitteln.
Die Brückenbögen errichtet man aus in einem kräftigen Rot erstrahlenden Rothenburger Sandstein, während man für das Mauerwerk der Pfeiler Kalkstein verwendet. Für die Verkleidung der Pfeiler und Bögen sowie für die Balustraden kommt hingegen weißer Seehausener Sandstein zum Einsatz. Ergänzt wird die so erreichte Farbgestaltung der Brücke durch eine Vielzahl an schmückenden Elementen. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die Bögen der Brücke ein. Sie sind mit profilartigen Dekorationen – sogenannten Archivolten – versehen. Ihre Zwickelfelder zieren Girlanden und Trophäenreliefs, die in vertiefte Felder eingelassen sind. Die Schlußsteine sind mit Köpfen besetzt. An den Pfeilern schließen sich Kämpfergesimse an die Bögen an. Oben auf der Brücke setzt sich das Schmuckprogramm fort. Auf den Pfeilern des Geländes stehen Kandelaber, die als ionische Säulen gestaltet sind und Laternen tragen. Umgeben sind sie von Gruppen pausbäckiger Kinderfiguren aus Sandstein, deren fünf von Heinrich Bettkober und die übrigen von Wilhelm Christian Meyer geschaffen werden.
Bereits im Januar 1778 ist die neue Brücke fertiggestellt, über die Anton Friedrich Büsching kurz darauf in seinen „Wöchentlichen Nachrichten“ schreibt:
Diese Bogen sind von Rothenburger rothen Sandsteinen, die Bekleidung aber ist von Seehausener weißen Sandsteinen. Von der letzten Art sind auch die Steine, welche das Geländer ausmachen, worauf steinerne Gruppen von Kindern stehen, welche des Winters Laternen zur Erleuchtung der Brücke tragen […] und zum Theil schön sind. Die Brücke ist so breit, daß zwey Wagen neben einander wegfahren können, ohne einander zu nahe zu kommen, und auf beyden Seiten sind Wege für die Fußgänger, welche aber vors erste nur mit gebackenen Steinen gepflastert sind. Wenn man sich aus der Königsvorstadt in die rechte Stadt Berlin begiebt, verursacht diese Brücke einen schönen Anblick, den die gleich beym Eintritt in die Stadt von der Brücke bis an die nächsten Häuser sich zeigenden ionischen Säulenlauben, sehr vermehrt.
Die von Büsching erwähnten „ionischen Säulenlauben“ bilden mit der neuen Brücke ein bauliches Ensemble. So ist es selbstverständlich, das man den Namen der Brücke aufgreift und sie fortan als Königskolonnaden bezeichnet. Ebenfalls von Gontard entworfen, werden sie auf einem Teil des Gartenlandes, das durch die teilweise Zuschüttung des Königsgrabens entstanden war, errichtet. Der Baubeginn fällt mit dem der neuen Königsbrücke zusammen. Die Leitung übernimmt ebenfalls Georg Friedrich Boumann. Mit dem Bau beauftragt wird die Steinmetzfirma von Johann Heinrich Wimmel, die Kosten trägt der preußische Staat.
Berlin erhält zu jener Zeit mehrere solcher Brückenkolonnaden. Die ersten waren die bereits ein Jahrhundert früher auf der Brücke am Mühlendamm erbauten Mühlenkolonnaden. Nur ein Jahr zuvor hatte man auf der Spittelbrücke mit der Errichtung der Spittelkolonnaden begonnen, und einige Jahre später sollte die Mohrenbrücke mit ihren Mohrenkolonnaden folgen. All diesen Schmuckbauwerken war gemein, daß sie sich auf einer Brücke befanden, deren seitliche Einfassung sie bildeten. Sie besaßen eine als Fußgängerpassage genutzte gedeckte Halle, hinter der sich eine Reihe von Läden anschloß. So verband man das Angenehme mit dem Nützlichen, indem man dem Brückenschmuck gleichzeitig die Funktion einer frühen Einkaufsmeile zuwies. Überdies ließen sich mit solchen Brückenbauwerken Grabenübergänge mit unschöner Aussicht ganz wunderbar kaschieren.
Obwohl nun auch die Königsbrücke solche Kolonnaden erhält, sind diese doch anders als ihre Pendants, denn im Gegensatz zu diesen flankieren sie ihre Brücke nicht. Gontard entscheidet sich stattdessen für eine Separierung der Kolonnaden von der Brücke und läßt sie auf der Stadtseite des Königsgrabens an diese anschließen, etwa dort, wo vorher das alte Königstor gestanden hatte. Das liegt darin begründet, daß der Blick auf den Graben hier nicht unbedingt verdeckt werden muß, denn die Aussicht auf den Königsgraben ist so schlecht nicht. Für das Uferland, das man durch die Aufschüttung der Erdmassen aus den früheren Wällen gewonnen hatte, läßt sich das jedoch nicht sagen. Weil man im Zuge des Brückenbaus die Königstraße auf ein höheres Niveau angehoben hatte, liegt es nun tiefer als diese, was schon allein als störend empfunden wird. Darüberhinaus werden auf den auf der Stadtseite neu entstandenen Ufergrundstücken zunächst vorwiegend Nutzgärten angelegt und gewerblich genutzte Bauten errichtet, so daß die Gegend den Anblick einer wenig ansehnlichen Vorstadt bietet. Mit den an die Brücke anschließenden Kolonnaden gelingt es Gontard, beide Mängel zu kaschieren, denn die neuen Kolonnaden schließen die Straße zum einen gegen das tiefer gelegene Ufer ab und lenken zum anderen die Blicke der die Stadt betretenden Reisenden vom Platz vor dem ehemaligen Königstor direkt stadteinwärts. Über die Brücke kommend, erreichen die Besucher nun einen rechteckigen Platz an ihrem Ende, den die zweiteiligen Kolonnaden flankieren. Daß sich hinter ihnen zu jener Zeit bereits alte Bäume erheben, ist ein Umstand, den Peter Wallé zufolge Gontard von Anfang in seinen Entwurf einbezieht, um Architektur und Landschaft miteinander zu verbinden. In seinem Werk „Leben und Wirken Karl von Gontard’s“ schreibt Wallé 1891:
Die Königskolonnaden am Alexanderplatz zählen zu den gelungensten Schöpfungen Gontards. Hier trat für den Künstler als ein neues Moment hinzu, daß der Hintergrund der Hallen in alten Bäumen bestand, welche von vornherein auf leichtere, landschaftlich-gefällige Formen hinwiesen. So hat denn hier der Architekt ungehindert seiner Neigung nachgehen können, in glücklicher Vereinigung von Architektur und Bildhauerei ein Werk zu schaffen, das durch ein geschicktes Abwägen der Formen und Flächen gegen einander, sowie durch richtige Vertheilung des ornamentalen und figürlichen Schmucks eine Meisterleistung geworden ist.
Die Errichtung dieses meisterhaften Bauwerks nimmt vier Jahre in Anspruch. 1777 beginnt man mit der südlichen Kolonnade, der alsbald die nördliche folgt. Als deren Bau im Jahre 1780 abgeschlossen ist, wird die Königstraße auf beiden Seiten von etwa 53 Meter langen und fünf Meter breiten Säulenhallen flankiert, die jeweils in mehrere Hallen unterteilt sind. Mit ihrer Höhe von rund neun Metern passen sie sich der Höhe der benachbarten Häuser an, in deren Flucht sie mit ihrer Frontseite angeordnet sind, so daß sie auf jeden Beobachter wie die natürliche Fortsetzung der Königstraße wirken.
Obwohl lediglich Scheinhallen, vermitteln die Königskolonnaden ihrer Architektur und ihres reichhaltigen Schmuckes wegen den Eindruck schöner Prachtbauten aus der Übergangszeit vom Rokoko zum Klassizismus. Erbaut aus weißem Seehausener Sandstein, werden die streng symmetrisch angelegten Hallen von einer Vielzahl gekuppelter ionischer Säulen getragen, die auf hohen Sockeln stehen. Jede dieser Säulen ist oben durch ein Kapitell abgeschlossen, das vier Schneckenformen, sogenannte Voluten, zeigt, die durch Festons miteinander verbunden sind – Girlandenornamente in der Form von Fruchtgehängen. Von den Säulen werden gerade Querbalken beziehungsweise Architrave getragen, über denen ein reiches dreiteiliges Konsolengebälk und eine Attika liegen. Eine Balustrade bildet nach oben hin den krönenden Abschluß. Sowohl die Mitte jeder Kolonnade als auch ihre Ecken gestaltet Gontard als Pavillons, indem er hier die Säulen aus der Kolonnadenfront etwas hervortreten läßt. Die Außenseiten der Eckenpavillons erhalten zudem jeweils vier Rundbögen. Im Inneren schmückt eine Felderdecke aus Holz die Kolonnadengänge. Sie ist mit Gipsverputz und Stuck reich verziert. Die Rückwände der Kolonnaden sind geschlossen. Damit ihr verputztes Ziegelmauerwerk nicht einfach eine eintönige Wand bildet, sind sie ornamental und figürlich mit Gesimsen, Kapitellen, Trophäenreliefs und Figuren sowie Wandfeldern mit Kränzen, Gewinden und sonstigen Verzierungen aus Stuck geschmückt. Zusätzlich enthalten die Rückwände Wandpfeiler, sogenannte Pilaster, auf denen die Architrave ruhen. Das Pflaster des Bodens besteht aus Klinkersteinen. An den Mittelpavillons stehen in nischenartigen Säulenzwischenräumen vier große Sandsteinfiguren, unter ihnen Flora und Merkur und eine Flußgöttin.
Doch nicht nur das Innere und die Außenseiten der Kolonnaden sind reich dekoriert, auch das mit Kupferblechen gedeckte Dach erhält reichen Schmuck. Auf den Pavillons erheben sich hohe, mit plastischen Aufbauten versehene Dachbekrönungen, die in der Folgezeit von Kritikern als „Paradeaufsätze“ milde verspottet werden – ein Begriff, der mittlerweile als ernsthafte Bezeichnung Eingang in die Literatur über die Königskolonnaden gefunden hat. Die Aufsätze der Eckpavillons werden von Knabenfiguren gebildet, die auf ihren Häuptern Fruchtschalen tragen. Doch auch zwischen den Aufbauten ist das Kolonnadendach von zahlreichen Skulpturen bevölkert. Kleine Genien scharen sich auf Postamenten um Siegesfahnen, und auf den Balustraden der Attika stehen über den Säulen kleine Gruppen von Kinderfiguren, die Allegorien auf den Handel, den Ackerbau, den Verkehr und den Gewerbefleiß, aber auch auf das Kriegshandwerk darstellen. Dieser reichhaltige Figurenschmuck setzt die Königskolonnaden in eine direkte Beziehung zur Königsbrücke, deren Laternenträger ebenfalls von pausbäckigen Kinderfiguren umringt werden.
Friedrich Nicolai gibt in der 1786 überarbeiteten zweiten Ausgabe seiner „Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam“ drei Künstler als Schöpfer des Figurenschmucks der Kolonnaden an: Friedrich Elias Meyer (den Nicolai „Meyer den Älteren“ nennt), seinen Bruder Wilhelm Christian Meyer (von Nicolai als „Meyer der Jüngere“ bezeichnet) und Johann Wilhelm Schulze, ein Bildhauer aus Potsdam. Nicolai schreibt dabei Wilhelm Christian Meyer und Johann Wilhelm Schulze die Kindergruppen zu und benennt Friedrich Elias Meyer als Schöpfer der großen Figuren an den mittleren Pavillons. Diesbezüglich herrscht jedoch Uneinigkeit mit späteren Quellen, von denen manche Wilhelm Christian Meyer auch für die großen Figuren verantwortlich zeichnen lassen.
Doch die Kolonnaden sind keine reinen Schmuckbauten. Weil dem Neubau der Königsbrücke die auf ihrem Vorgängerbau befindlichen hölzernen Krambuden zum Opfer fallen, die auf der neuen Brücke keinen Platz mehr finden, werden die Kolonnaden zu ihrer neuen Heimstatt. Insgesamt dreizehn Kramläden werden an die Rückseiten der Kolonnaden angebaut, deren als Rundbögen gestaltete, etwa eineinhalb Meter breiten Zugänge sich zwischen den Pilastern in den Rückwänden befinden. Die Läden haben Pultdächer aus Ziegeln, ihre Wände bestehen aus verputztem Ziegelmauerwerk. Die ersten Besitzer sind die Inhaber der früheren Holzbuden, die nun jedoch einen Grundzins an die Eigentümer der Häuser Königstraße 32 und 33 zahlen müssen. Damit werden diese dafür entschädigt, daß ihnen das einst vom König übereignete Land für den Kolonnadenbau wieder weggenommen worden war. Das Angebot der Läden reicht von Tabak, Zeitungen und Kuchen über Galanteriewaren und Kleider bis zu Ziervögeln. Ein Lotterieladen ist hier ebenso zu finden wie ein Antiquar-Geschäft. Der Journalist und Dichter Ludwig Rellstab beschreibt die Geschäfte in seinem 1852 erschienenen Werk „Berlin und seine nächsten Umgebungen“ wie folgt:
[Die Läden] befinden sich denn auch in den […] Colonaden in dichter Reihe; doch ist keiner von besonderer Eleganz darunter, sondern sie dienen, da der Stadttheil schon zu entfernt und außerhalb des großen Geschäftsbetriebs liegt, nur einem kleineren Verkehr für Bedürfnisse, die nicht im Reich des Glanzes und der Mode liegen.
Doch auch wenn die Läden Rellstab zufolge keinen sehr stilvollen Eindruck hinterlassen, laden die Königskolonnaden die Berliner doch zum Flanieren ein. Mit der neuen Königsbrücke bilden sie eine architektonische Einheit, was sich auch darin ausdrückt, daß der von den Kolonnaden gesäumte Straßenabschnitt ebenfalls als Königsbrücke bezeichnet wird. Die sich anschließende Königstraße, deren östliches Ende die Brücke bildet, durchschneidet als Hauptstraße den vorwiegend kaufmännischen Teil Berlins und verbindet den jenseits des Königsgrabens gelegenen Alexanderplatz mit dem Berliner Schloß, so daß die Königskolonnaden dessen Zufahrt bedeutend aufwerten.
Nach ihrer Fertigstellung werden die Kolonnaden als die schönste und emotional wirkungsvollste Anlage ihrer Art betrachtet. In dem 1910 erschienenen Buch „Berlin in Bildern 1810 – 1910“ ist folgende begeisterte Beschreibung des Bauwerks zu lesen:
In geraden Linien, mit geschmackvoller Gliederung der Säulen, mit wirksamer Betonung der Endpunkte und der Mitten durch vortretende pavillonartige Bauteile, mit zierlichem plastischen Schmuck der Brüstung durch Einzelgestalten und Kindergruppen, und mit klug berechnetem malerischen Wechsel der Licht- und Schattenmassen zogen sich diese zierlichen Architekturen zu den geschwungenen Ausbauten der Brückenflügel, mit denen sie zusammen […] ein Stadtbild von hohem Reiz bildeten.
Zu diesem „hohen Reiz“ trägt auch die Umgebung der Kolonnaden bei. Auf nördlicher Seite schließt sich der sogenannte Kolonnadengarten an, dessen hoch aufragende Baumgruppen einen romantischen Park bilden, während hinter der südlichen Halle der malerische Garten einer Villa liegt. Peter Wallé beschreibt 1884 die von Gontard beabsichtigte Verbindung von Architektur und Landschaft folgendermaßen:
Wenn man bedenkt, daß zu jener Zeit [der Errichtung der Kolonnaden – Anmerkung des Autors] Bäume und Wiesen das Stadtufer des Festungsgrabens noch bedeckten, so war es jedenfalls ein glücklicher Gedanke Gontards, diese Hallen, die dem Fremdling zuerst von der Pracht Berlins erzählen sollten, in einer edlen landschaftlich-architektonischen Auffassung zu entwerfen, deren bildnerische Zier eine vornehme Anmuth darüber hinhauchte. Weich in den Formen und doch bestimmt in der ganzen Conception, heiter in dem Ausschmuck der Glieder und Flächen, so steht die Königskolonnade vor uns als der Ausfluß eines reichen Talents, das neben der Macht und dem Reichthum seines königlichen Herrn dessen Denkweise und Kunstverständnis trefflich zum Ausdruck zu bringen wußte.
Doch nicht alle äußern sich derart enthusiastisch über das Ensemble aus Brücke und Kolonnaden. Zu den Kritikern gehört der bereits zitierte Ludwig Rellstab, der beiden nur wenig abgewinnen kann:
Ein schöner Baustil ist in diesen Colonaden nicht zu treffen; sie gehören dem Zeitalter Ludwig XIV. an. Auch die Brücke, die in ihrer Hauptanlage ganz stattlich construirt ist, aber auf den Geländern allerlei Sandsteingruppen zeigt, die als Steinmetzarbeiten löblich genannt werden müssen, einen höheren Kunstwerth aber nicht haben.