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Entlang der Spandauer Straße – Auf den Spuren der Henriette Herz

Dieser Beitrag ist Teil 3 von 5 der Beitragsserie "Henriette Herz"

Gegenwärtig ist viel von Berlins alter Mitte die Rede und darüber, wie das Gebiet zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche künftig gestaltet werden soll. In diesem Beitrag soll es jedoch nicht um das künftige Aussehen dieses Areals gehen, sondern darum, wie es Henriette de Lemos, verheiratete Herz, und ihr Freundes- und Bekanntenkreis Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts kannten (im folgenden wollen wir, wenn von ihr die Rede ist, nur ihren Vornamen Henriette benutzen). Dazu soll ein kleiner Spaziergang zwischen Rotem Rathaus und Hackeschem Markt, entlang der Spandauer Straße, dienen. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit auch einigen historischen Details, die heute nicht mehr sichtbar sind, für Henriette, die vor über 200 Jahren in dieser Gegend lebte und wirkte, jedoch Realität waren.

Die Wegstrecke
(ca. 1,8 Kilometer)

Beginnen wollen wir schon am Anfang der Spandauer Straße, südlich vom Roten Rathaus. Hier wohnte in der Nr. 35 der jüdische Arzt und Philosoph Marcus Herz, der spätere Ehemann Henriettes. Das Haus ist heute nicht mehr vorhanden. Es befand sich schräg gegenüber der Einmündung der heutigen Gustav-Böß-Straße in die Spandauer Straße. An seiner Stelle stehen heute die Bauten des Nikolaiviertels. Das Ehepaar lebte hier bis zum Jahre 1795 und zog dann in die Neue Friedrichstraße Nr. 22.

Am Nikolaiviertel - Erste Wohnung von Henriette Herz
Am Anfang der Spandauer Straße – am Molkenmarkt – blickt man auf das Nikolaiviertel. Etwa dort, wo das schmale Haus von den Kirchtürmen der Nikolaikirche überragt wird, stand einst das Haus Nummer 35 (die heutige Numerierung der Spandauer Straße ist komplett verändert), in dem der jüdische Arzt Marcus Herz wohnte, der spätere Ehemann von Henriette Herz. Hier lebte das Paar bis 1795, hier begründeten sie ihren Salon.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Vor dem Berliner Fernsehturm - Wo einst die Neue Friedrichstraße war
Der Platz vor dem Berliner Fernsehturm hat keinen Namen. Im Hintergrund ist der Bahnhof Alexanderplatz zu sehen, davor verläuft die Gontardstraße. Der Platz selbst war einst bebaut. Da, wo heute die Vorbauten des Fernsehturms stehen, verlief einst die Neue Friedrichstraße. Etwa in dieser Gegend stand auch das Haus Neue Friedrichstraße Nummer 22, in dem Henriette Herz, die erste große Berliner Salonière, gemeinsam mit ihrem Ehemann Marcus Herz ihre zweite Wohnung bezog.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Ein paar Schritte weiter kommen wir zum Roten Rathaus. Es wurde von 1861 bis 1869 nach Plänen des Architekten Hermann Friedrich Waesemann im Neorenaissance-Stil erbaut. Henriette konnte dieses Gebäude noch nicht kennen, wohl aber dessen Vorgänger, das alte mittelalterliche Rathaus, das wegen des Neubaus abgerissen wurde. Seine Fundamente legte man bei den Arbeiten zur Verlängerung der U-Bahnlinie 5 vom Alexanderplatz zum Hauptbahnhof frei. Sie sollen bei Inbetriebnahme der neuen Strecke zumindest zum Teil sichtbar sein.

Das Rote Rathaus
Das Berliner Rathaus, auch Rotes Rathaus genannt, steht an der Ecke Rathausstraße / Spandauer Straße.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Wo einst Berlins altes Rathaus stand
Wo heute diese malerische Straßenkreuzung der Rathaus- mit der Spandauer Straße vor dem Roten Rathaus liegt, stand einst das mittelalterliche Rathaus Berlins mit der Gerichtslaube. Beide sind nicht mehr vorhanden. Während die Gerichtslaube heute wenigstens noch im Babelsberger Park steht und einen Nachbau im Berliner Nikolaiviertel besitzt, sind vom alten Rathaus nur noch die Fundamente geblieben, die man hier oben aber nicht mehr sieht. Doch bald, wenn der neue U-Bahnhof eröffnet wird, soll man sie von ihm aus betrachten können.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Unmittelbar neben dem alten Rathaus stand an der Ecke Spandauer Straße/Königstraße (heute Rathausstraße) die ebenfalls nicht mehr vorhandene Gerichtslaube. Auch an dieses Gebäude sei hiermit erinnert. Erfreulicherweise ist es aber nicht ganz verloren. Es wurde abgetragen und im Park Babelsberg wieder aufgebaut, wo man es heute noch besichtigen kann. Auch gibt es seit den 1980er Jahren einen Nachbau im Berliner Nikolaiviertel, der eine Gaststätte beherbergt.

Zeichnung der Spandauer Straße, 1798
Die Spandauer Straße auf einer Zeichnung von Johann Wilhelm Meil aus dem Jahr 1798, basierend auf einer älteren Darstellung von Johann Stridbeck. Von den hier dargestellten Bauten ist heute rein gar nichts mehr erhalten.
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz – SMB-digital, Kupferstichkabinett, Fotograf: Dietmar Katz, Bearbeitet: Alexander Glintschert
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An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, daß in der Spandauer Straße Nr. 26, einem Eckhaus, das gegenüber dem alten Rathaus stand, Rahel Varnhagen von Ense, geb. Levin, am 19. Mai 1771 das Licht der Welt erblickte. Sie war die Tochter des Kaufmanns und Bankiers Markus Levin und seiner Ehefrau Chaie. Nach dem Tod des Vaters zog die Familie in die Jägerstraße Nr. 54, wo Rahel später ihren ersten literarischen Salon unterhielt. Sie und Henriette, die man vielleicht nicht direkt Freundinnen nennen kann, haben sich jedoch gut gekannt und auch gegenseitig in ihren Salons zu Gast geweilt.

Am Nikolaiviertel neben dem Roten Rathaus
An der Ecke Rathausstraße / Spandauer Straße stand einst das Geburtshaus von Rahel Varnhagen von Ense, geborene Levin, der zweiten großen Berliner Salonière nach Henriette Herz. Daran erinnert hier heute leider nichts mehr.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Gehen wir nun die Spandauer Straße weiter in Richtung Norden. Rechts sehen wir den Neptun-Brunnen von Reinhold Begas. Diesen Brunnen kannte Henriette nicht, wurde er doch erst im Jahre 1891 eingeweiht. Sein Standort war einst am Berliner Stadtschloß gegenüber dem Marstall, und es gibt heute Bestrebungen von verschiedener Seite, ihn wieder an seinen ursprünglichen Standort zu versetzen.

Der Neptunbrunnen
Der Neptunbrunnen von Reinhold Begas stand einst vor dem Berliner Schloß. Als dieses gesprengt wurde, versetzte man den Brunnen hierher auf’s „Rathausforum“, wie der Platz vor dem Roten Rathaus inoffiziell heißt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Der Platz zwischen Rathaus und Marienkirche hat bislang eigentlich keinen eigenen Namen. Ein Areal davon war früher der Neue Markt. Er lag zwischen Marienkirche und Spandauer Straße und reichte von der Kaiser-Wilhelm-Straße (die heutige Karl-Liebknecht-Straße) bis zur Bischofstraße, die etwa auf der Hälfte zwischen Kaiser-Wilhelm-Straße und Königstraße auf die Spandauer Straße traf. Die Fläche zwischen Bischofstraße und Königstraße war damals komplett bebaut.

Blick über das Rathausforum
„Rathausforum“ ist lediglich der inoffizielle Name dieses großen Platzes zwischen Rotem Rathaus und Karl-Liebknecht-Straße. Der offizielle ist – nicht existent. Der Platz heißt einfach nicht. Mit dem Neptun-Brunnen und der Marienkirche besitzt er dafür zwei historische Elemente des alten Berlins. Einst war ein Großteil dieser Fläche bebaut, nur vor der Marienkirche lag ein größerer freier Platz – der Neue Markt, der aber von ihr noch durch eine Häuserzeile getrennt war. An diesem stand das Geburtshaus von Henriette Herz.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Dicht vor der Marienkirche standen Häuserzeilen, die im Zuge der Umgestaltung ab 1885 wegen des Baus der Zentralmarkthalle und des Durchbruchs der Kaiser-Wilhelm-Straße an der nördlichen und westlichen Seite abgerissen wurden. Damit stand die Marienkirche dann frei zum Neuen Markt. Die Grundrisse der Häuser sind heute vor der Kirche durch eingelassene Ziegelstreifen sichtbar gemacht. Hier am Neuen Markt stand auch das sogenannte Borschardtsche Haus zum Weißen Schwan. Es war das Geburtshaus von Henriette, die hier bis zu ihrer Eheschließung bei ihren Eltern wohnte. Sie kannte daher den Neuen Markt nur in seiner Form vor dessen Umgestaltung.

Vor der Marienkirche
Im heute freien Platz vor dem Hauptportal der Marienkirche sind Ziegelsteinbänder in den Boden eingelassen. Sie markieren die Begrenzungen der Häuser, die hier einst standen, bis sie in den 1880er Jahren abgerissen wurden. Sie trennten die Marienkirche vom Neuen Markt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Henriette kam damit in einem Viertel zur Welt, in dem in der damaligen Zeit viele Juden wohnten. So verwundert es auch nicht, daß wir, wenn wir hier ein paar Schritte weitergehen, zu einem Bodendenkmal kommen, das der israelische Künstler Micha Ullman schuf. Es stellt das Haus Spandauer Straße Nr. 68 dar, in dem der große jüdische Philosoph und Aufklärer Moses Mendelssohn mit seiner Familie lebte. Neben dem Denkmal gibt eine Informationstafel nähere Auskünfte. Eine schöne Würdigung zu diesem Gebäude findet Martin Mende in seinem Artikel zur Geschichte der Spandauer Straße:

Das Haus Nr. 68 nördlich der Bischofstraße (seit 1924 Nr. 33) stand einst an der heute unbebauten Ecke Spandauer Str./Karl-Liebknecht-Str., teilweise auf der jetzigen Fahrbahn und dem Bürgersteig auf der Fernsehturmseite. Es ist mit einer Reihe von berühmten Persönlichkeiten verbunden. Bis 1747 lebten hier nacheinander die Schriftsteller Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Karl Wilhelm Ramler. Ende 1748 nahm hier auch der junge Theologiestudent Gotthold Ephraim Lessing bei seinem Studienfreund Christlob Mylius vorübergehend Quartier. In dieser Zeit entstanden seine Lustspiele „Die Juden“ und „Der Freigeist“, bevor er im Dezember 1751 die Stadt wieder verließ, um in Wittenberg den Magistertitel zu erwerben. Der spätere Verleger Friedrich Nicolai lebte in diesem Haus in der Wohnung seiner Mutter, bis er 1757 nach dem Tode seines Bruders dessen Buchhandlung übernahm.
In: Martin Mende, Zentralachse des alten Berlin: Die Spandauer Straße. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins – gegr. 1865, Heft  1/2010.

Bodendenkmal für Moses Mendelssohn
Das Bodendenkmal für Moses Mendelssohn an der Stelle seines früheren Wohnhauses in der Spandauer Straße 68. Gut zu erkennen sind die Bodenplatten, die die Fenster und den Hauseingang symbolisieren, sowie die Replik der Gedenktafel, die einst an dem Gebäude hing.
Fotograf: Alexander Glintschert (2015),
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Moses Mendelssohn bezog das Haus 1762. Er war befreundet mit Lessing und Nicolai, die ihn hier oft besuchten. Bei Mendelssohn kam es zu vielen Gesprächen mit wichtigen Zeitgenossen und man spricht in einschlägigen Quellen oft davon, daß in diesem geistigen Umfeld ein Ursprung der Berliner Salonkultur zu finden ist. Henriette war eng befreundet mit der Tochter Mendelssohns, Brendel, die später mit dem Kaufmann Simon Veit verheiratet wurde, sich Dorothea nannte und schließlich mit dem Philosophen Friedrich Schlegel zusammenlebte, mit dem sie Jahre später ihre zweite Ehe einging. Die Kinder Mendelssohns waren oft Teilnehmer, zumindest aber Zuhörer bei den Gesprächen, und wir können davon ausgehen, daß auch Henriette dazugehörte und davon für ihre Entwicklung und vor allem Bildung profitierte.

Historisches Stadtmodell entlang der Spandauer Straße
Ein Blick auf einen Teil des historischen Stadtmodells, das vor der Marienkirche steht und die Stadt um 1880 zeigt. Der Ausschnitt zeigt den Verlauf der Spandauer Straße (rechts) und das alte Berlin links davon – mit Rotem Rathaus und Marienkirche. Die Freifläche des Neuen Marktes ist gut zu erkennen. Hier wurde Henriette Herz geboren.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Wenn wir nach rechts in die Karl-Liebknecht-Straße abbiegen, gelangen wir zu einem Standbild, das den Reformator Martin Luther darstellt. Es ist nur noch ein Teil des früheren Denkmals, das im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. Auch hier sind die Umrisse seiner einstigen Größe im Pflaster eingelassen. Es zeigte auch weitere Reformatoren wie Philipp Melanchton, Johannes Reuchlin und Ulrich von Hutten. Auf einer daneben aufgestellten Tafel können wir uns dazu genauer informieren.

Luther-Denkmal
An der Karl-Liebknecht-Straße, dort, wo sich einst der Neue Markt befand, steht heute noch die Statue Martin Luthers. Sie war einst Bestandteil eines viel größeren Denkmals für den großen Reformator, ist aber alles, was davon heute noch übrig ist. Die Umrisse der einstigen Denkmalsanlage sind auf dem Boden rings um die Statue markiert.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Bevor wir weitergehen, sei noch auf die bereits erwähnte Marienkirche verwiesen, der nach der Nikolaikirche zweitältesten Pfarrkirche Berlins. Als Bauzeit wird um 1270 angegeben, die erste urkundliche Erwähnung war 1294. Diese Kirche hat Henriette sicher nicht besucht, zumindest nicht als gläubige Jüdin, für die nur der Besuch der Synagoge infrage kam. Den als Hallenkirche errichteten Bau zerstörte ein Brand im Jahre 1380. Danach wieder aufgebaut, wurde um 1415 mit dem ersten Turmbau begonnen. Zum Turm heißt es in einem Informationsblatt der Kirche:

Nach mehrfachen Erneuerungen seiner Spitze (1536 nach einem Feuer; 1661/63 nach einem Blitzschlag) erhielt der Turm 1789 mit einer kupferbeschlagenen zweigeschossigen Turmbekrönung sein heutiges Aussehen. Der Entwurf für diesen Turmaufsatz, kunsthistorisch dem frühen Historismus zuzuordnen, stammt von Carl Gotthard Langhans (1732 – 1808), dem Erbauer des Brandenburger Tores.

Es empfiehlt sich, die Kirche zu besuchen, beherbergt sie doch eine ganze Reihe Kunstwerke. Hier seien nur das Fresko „Totentanz“ in der Turmhalle und die Kanzel im Hauptschiff, ein Werk des bedeutenden Bildhauers und Architekten Andreas Schlüter, genannt.

Rosenstraße
Dieses Straßenschild auf dem Gehweg an der Karl-Liebknecht-Straße weist auf die in der Lücke zwischen zwei Häuserblöcken einmündende Rosenstraße hin, die man, da sie nicht mehr bis zur Karl-Liebknecht-Straße durchgeführt wird, leicht übersehen könnte.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Wenden wir uns nun nach links und überqueren die Karl-Liebknecht-Straße. Wir gelangen zur Rosenstraße. Diese entlanggehend, stehen wir linker Hand vor einem kleinen Park, in dem sich seit 1995 die Skulpturengruppe „Der Block der Frauen“ von der wunderbaren Bildhauerin Ingeborg Hunzinger befindet. Sie erinnert an den Protest nichtjüdischer Frauen, die 1943 tagelang hier ausharrten und die Freilassung ihrer jüdischen Männer verlangten, die von den Faschisten bei der sogenannten Fabrikaktion verhaftet und in dem Gebäude gegenüber festgehalten wurden. Geplant war offensichtlich deren Deportation in die Vernichtungslager. Der Protest der Frauen war von Erfolg gekrönt, die Männer mußten freigelassen werden. Ausführliche Informationen findet man dazu auch an den Litfaßsäulen, jeweils am Anfang und am Ende der Rosenstraße.

Denkmal "Der Block der Frauen"
Das Denkmal „Der Block der Frauen“ von der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger in der Rosenstraße.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Von der Rosenstraße biegen wir links in die kleine Heidereutergasse ab. Am hinteren Ende des kleinen Parkes sehen wir die markierten Grundmauern der ersten Synagoge Berlins, die von 1712 bis 1714 errichtet wurde. Vorher war es den Juden nicht erlaubt, eigene Synagogen in der Stadt zu bauen. Sie mußten bis dahin ihre Gottesdienste in privaten Räumen abhalten. Wir können uns leicht vorstellen, daß der seinem Glauben treue Moses Mendelssohn, ebenso wie die vielen anderen Bürger jüdischer Religion, also auch die Eltern und Geschwister Henriettes und natürlich sie selbst, regelmäßige Besucher in dieser Synagoge waren. Auch hier steht eine Gedenktafel, die über die Geschichte des Gotteshauses informiert.

Alte Jüdische Synagoge
In der Grünfläche an der Rosenstraße und der Heidereutergasse, die etwas versteckt hinter dem großen Häuserblock Spandauer Straße 2-4 liegt, ist in der hintersten Ecke eine Steinreihe zu finden. Sie markiert den Standort der ersten jüdischen Synagoge Berlins. Sie dürfte auch von Henriette Herz besucht worden sein, ebenso von Moses Mendelssohn, dem großen jüdischen Philosophen, der nicht weit von hier in der Spandauer Straße wohnte.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Die Heidereutergasse führte früher direkt auf die Spandauer Straße. Dort befand sich in dem Eckhaus Nr. 77 die Apotheke „Zum weißen Schwan“. Und da wir gerade im Fontane-Jahr sind, soll nicht unerwähnt bleiben, daß Theodor Fontane hier von 1836 bis 1840 seine Lehre absolvierte. Henriette hat ihn sicher nicht gekannt, wohl aber die Apotheke.

Wohnhaus an der Spandauer Straße
Dieser große Häuserblock steht an der Spandauer Straße. Er stammt aus den 1970er Jahren. Er riegelt heute die kleine, hinter ihm liegende Heidereutergasse ab, die hier einst auf die Spandauer Straße traf und an der die alte jüdische Synagoge stand. An der früheren Straßenecke befand sich auch die Apotheke „Zum weißen Schwan“, in der einst Theodor Fontane lernte.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Die Spandauer Straße um 1700, mit Spandauer Tor und Pulverturm
Dieselbe Gegend mehr als dreihundert Jahre früher und aus der entgegengesetzten Richtung betrachtet – die Spandauer Straße um 1700, mit Spandauer Tor und Pulverturm, auf einer Zeichnung von Leopold Ludwig Müller, entstanden vor 1828.
Pulverturm und Tor hat auch Henriette Herz nicht mehr gekannt – der Turm explodierte im Jahre 1720, das Tor wurde nach 1700 abgetragen. Links ist die Heilig-Geist-Kapelle zu sehen, rechts die Einmündung der Heidereutergasse. An der Ecke davor, das Haus mit den Bäumen davor, ist die Apotheke „Zum weißen Schwan“.
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz – SMB-digital, Kupferstichkabinett, Fotograf: Dietmar Katz, Bearbeitet: Alexander Glintschert
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Heute ist die Heidereutergasse durch die Bebauung eine Sackgasse. Wir müssen daher ein Stück den Weg zurückgehen, um wieder die Karl-Liebknecht-Straße zu erreichen. Nach rechts abbiegend gelangen wir zur Spandauer Straße zurück.

Unweit der heutigen Straßenecke Spandauer Straße/Karl-Liebknecht-Straße stand um 1800 das Haus Spandauer Straße Nr. 72, das dem Bankier Liepmann Meyer Wulff gehörte. Dessen Tochter Amalie war mit Jacob Herz Beer verheiratet. Ihr Sohn war der Komponist Jakob Liebmann Meyer Beer, der später die Namen Meyer und Beer zusammenzog und sich Giacomo Meyerbeer nannte. Auch die Mutter Amalie Beer gründete einen Salon, der sich in dieser Zeit einiger Berühmtheit erfreute. Das Haus fiel später genau wie die Nr. 68 dem bereits erwähnten Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße zum Opfer.

Wir gehen nun weiter die Spandauer Straße entlang. Bald sehen wir auf der linken Seite die Heilig-Geist-Kapelle. Sie soll der älteste erhaltene Bau der Stadtmitte sein. Heute ist sie integriert in das nebenstehende Gebäude, das zur Humboldt-Universität gehört.

Heilig-Geist-Kapelle
Die Heilig-Geist-Kapelle in der Spandauer Straße ist eines der ältesten noch erhaltenen Gebäude Berlins. Sie stammt aus der Zeit um 1300 und gehörte einst zum Heilig-Geist-Spital.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Queren wir nun die Anna-Luisa-Karsch-Straße zum Litfaßplatz und gehen weiter zur Straßenbahnhaltestelle, finden wir links davon eine Informationstafel. Sie gibt Auskunft über die an dieser Stelle ehemals befindliche Garnisonkirche.

Am Garnisonskirchplatz
Dort, wo heute die Bäume in den Himmel wachsen, stand einst die Berliner Garnisonkirche, nach der der Platz heute noch benannt ist.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, ihre Überreste später abgetragen. Auf der Informationstafel werden auch Bilder aus dem Inneren der Kirche gezeigt. Dabei fällt das Bildnis der Maria mit dem Kind besonders ins Auge. Es stammt von dem Porträtmaler Wilhelm Hensel. Als Modell sollen ihm seine Ehefrau Fanny, geborene Mendelssohn Bartholdy, und der gemeinsame Sohn Sebastian gedient haben. Dieser Maler schuf neben vielen Portraits von Persönlichkeiten seiner Zeit auch eines von Henriette Herz.

Gehen wir nun weiter in Richtung S-Bahnhof, erreichen wir den Henriette-Herz-Platz. Seine Namensgebung zeigt, daß Henriette, die als Begründerin der Berliner Salonkultur gilt, eine Persönlichkeit war, die für unsere Stadt von historischer Bedeutung ist.

Hier endet unser Spaziergang.

Henriette-Herz-Platz
Der Henriette-Herz-Platz direkt vor dem S-Bahnhof Hackescher Markt. Er ist eine Fußgängerzone, in der allerdings die Straßenbahn verkehrt.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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Die Tour zum Nachwandern


Das Banner auf dieser Seite zeigt das – inoffiziell so genannte – Rathausforum mit der Marienkirche und dem Neptun-Brunnen.
Fotograf: Alexander Glintschert (2019),
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