Nachruf auf Johannes Glintschert

Am 10. Juli dieses Jahres 2024 ist Johannes Glintschert nach schwerer Krankheit verstorben. Mit ihm verliere ich nicht nur meinen geliebten Vater, sondern, wie die regelmäßigen Leser dieser Website unter Ihnen wissen, Anderes.Berlin auch einen wunderbaren Autor.

Während sich mein Interesse an der Geschichte Berlins mehr auf die Entwicklung der Stadt im Laufe der Zeiten richtete und ich stets auf der Suche nach interessanten Orten war, an die sich erzählenswerte Geschichte und Geschichten knüpften, hatte mein Vater eher eine Vorliebe für die Menschen, die hier in der Vergangenheit gelebt und gewirkt hatten, für ihre Leben, ihr Wollen und Werden und was sie mit dieser Stadt verband. Dieses Interesse an Personen und Persönlichkeiten bezog sich nicht ausschließlich auf das Thema Berlin und dessen Geschichte, sondern war bei ihm eher genereller Natur. Wenn er beispielsweise einen Roman gelesen hatte, der ihn besonders angesprochen und fasziniert hatte, wollte er stets mehr über dessen Autor wissen, sein Leben, seine Gedanken und Ideen und was ihn bewog, den Roman zu schreiben. Auch beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte der jeweiligen Zeit, in der der Autor den Roman verfaßt hatte. Eines seiner besonderen Interessensgebiete lag dabei, ausgehend von ihren Romanen, auf dem Leben der Schriftstellerbrüder Heinrich und Thomas Mann. Nachdem er so ziemlich alle Romane der beiden gelesen hatte, beschäftigte er sich intensiv mit deren Leben und dem ihrer Familien, so daß er im Laufe der Zeit eine umfangreiche Bibliothek sein eigen nannte, in der wohl kein Buch der letzten Jahrzehnte, das sich auf die eine oder andere Weise mit den Manns auseinandergesetzt hatte, fehlte.

Ein anderes Interessensgebiet, das ihm sehr am Herzen lag, war die preußische und eben insbesondere Berliner Geschichte, was keinesfalls selbstverständlich war, da er selbst aus Sachsen stammte. Diese Eigenheit teilte er mit einem anderen Schriftsteller, dem er ebenfalls große Wertschätzung entgegenbrachte. Die Rede ist von dem bekannten Feuilletonisten Heinz Knobloch, der sich unter anderem mit seinen Büchern zur Berliner Geschichte einen Namen gemacht hatte, in denen er sich vorwiegend mit interessanten, mit Berlin auf’s engste verbundenen Persönlichkeiten beschäftigte – Bücher, die mein Vater selbstverständlich alle gelesen hatte und von denen er mir des öfteren erzählte. Ich denke heute, daß nicht zuletzt auf diese Weise mein eigenes Interesse an diesem Themengebiet geweckt wurde.

Nachdem ich mich einmal mit diesem speziellen Interesse gewissermaßen bei ihm angesteckt hatte – für Geschichte hatte ich mich schon immer begeistert, doch nun hatte ich ein spezielles Themenfeld gefunden, auf das ich mich stürzen konnte -, wurde mir schnell klar, daß ich nicht nur darüber lesen und Interessantes und Wissenswertes herausfinden wollte, sondern daß es mir auch besonderen Spaß machte, darüber in der einen oder anderen Weise selbst zu schreiben. So entstand nach und nach diese Website. Damit konnte ich wiederum meinen Vater begeistern, der nun ebenfalls das Schreiben für sich entdeckte. Schnell stellten wir fest, daß wir uns wunderbar ergänzten. Während ich mich der eingangs erwähnten Geschichte und Entwicklung der Stadt und interessanten Orten widmete, bestellte er das ausgesprochen weite Feld der Berliner Persönlichkeiten. Das konnten mehr oder minder bekannte Menschen sein, solche, die ihr Leben hier verbracht oder auch nur einige Jahre hier gelebt hatten. Doch immer waren es Personen, die auf die eine oder andere Art hier Spuren hinterlassen hatten oder selbst von dieser Stadt in ihrem Werden und Schaffen geprägt worden waren. Und hier entwickelte er schnell einen ganz eigenen Stil und ein gutes Gespür für erzählenswerte interessante Geschichten. Während ich mich, während er an einem neuen Beitrag über eine Persönlichkeit arbeitete, oftmals fragte, wie er das umfangreiche Material über deren Leben in einen einzigen Artikel bekommen wollte, gelang ihm nach intensivster Recherche und dem Studium mannigfaltigen Quellenmaterials stets ein Beitrag, der nicht etwa die ganze Biographie der jeweiligen Persönlichkeit nacherzählte, sondern in lesenswerter Art und Weise deren Verbindung mit dieser Stadt in den Mittelpunkt stellte, so daß der Leser einen ganz speziellen und neuen Blickwinkel darauf gewinnen konnte. Hierin lag die Stärke meines Vaters, der diese Website ihre interessanten und bereichernden Artikel über Berliner Persönlichkeiten verdankt:

Darüberhinaus hat mein Vater auch zwei Artikel über Spandau verfaßt, dessen Altstadt er stets sehr gemocht hatte:

Als Initiator und Betreiber dieser Website bin ich meinem Vater unendlich dankbar für diese wunderbaren Beiträge, und ich bin sicher, Sie, liebe Leser, werden sie ebenfalls schätzen.

Als die Krankheit meinen Vater schließlich überwältigte, war er gerade mitten in der Arbeit zu einem neuen Artikel über Daniel Nikolaus Chodowiecki, der ihm sehr am Herzen lag, den er jedoch leider nicht mehr vollenden konnte. Doch all seine anderen Beiträge werden bleiben. Sie bereichern diese Website ungemein und werden von mir – und ich denke, auch Ihnen – in Ehren gehalten. Ich werde die Website Anderes.Berlin nun allein weiterführen, widme sie von nun an aber in ehrendem Gedenken meinem Vater Johannes Glintschert.

Berlin, den 1. September 2024.


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