Leise quietschend meldet die kleine, aus weißen Holzlatten bestehende Tür sanften Protest an ob der unverhofften Störung, die ich ihr bereite, als ich sie vorsichtig öffne. Es ist jedoch nur ein leichter Druck nötig, denn trotz ihrer Klage gibt sie, ohne größere Schwierigkeiten zu bereiten, den Weg zwischen den beiden steinernen Pfosten frei, die dem hölzernen, in makellosem Weiß gestrichenen hölzernen Zaun gemeinsam mit ihren zahllosen Kameraden Halt geben. In diesem rahmen jeweils zwei der Pfosten ein großes, aus senkrecht angeordneten Holzlatten bestehendes Zaunfeld ein. Etwas weiter rechts von dem kleinen Durchgang, den ich im Begriff bin zu passieren, gewährte, wenn es denn geöffnet wäre, ein großes, zweiflügeliges Tor, das sich zwischen zwei breiteren steinernen Sockeln befindet, Fahrzeugen Durchlaß. Ebenso wie die Zaunfelder besteht es aus senkrechten Holzlatten, auf die jedoch zwei weitere diagonal darübergelegt sind, die sich in der Mitte kreuzen, so daß sie ein großes, in die Breite gezogenes X bilden. Der Stabilität wegen, wie ich vermute. Auch meine kleine Tür am Passanteneingang verfügt über ein solches X aus gekreuzten Holzlatten.
Kaum bin ich eingetreten und habe die Tür losgelassen, schließt sie sich eilfertig selbst und fällt – rums – hinter mir ins Schloß. Eine Katze, die es sich auf einem Tisch unter dem Vordach eines kleinen Hauses links von mir bequem gemacht hatte, hebt erschreckt den Kopf und beäugt mich kritisch. Offenbar kann sie jedoch nichts Bedrohliches an mir entdecken und beschließt daher, sich in aller Ruhe zu strecken, bevor sie, mich nun hochnäsig ignorierend, von dannen schreitet. Das kleine Gebäude, das gemeinsam mit seinem Gegenüber auf der anderen Seite der Einfahrt den Anschein eines Paares von Pförtnerhäuschen erweckt, ist still und in sich gekehrt. Nichts regt sich hinter den Fensterscheiben, die geschlossene Tür hält potentielle Besucher auf Distanz. Keine Menschenseele ist im Inneren des Hauses oder in dessen Nähe zu entdecken. Nichts deutet darauf hin, welchem Zweck es wohl dienen möge. Völlig anders sieht es auf der gegenüberliegenden Seite aus. Auf der dortigen Veranda hängt eine Informationstafel an der Wand, die Tür ins Innere des Hauses steht einladend offen und ein vom Vordach an zwei Ketten herabbaumelndes Schild verkündet mir stolz, daß hier die Verwaltung zu finden sei.
Von diesem Eingangsbereich des Südwestkirchhofs Stahnsdorf, den ich nun betreten habe, führt ein breiter, gepflasterter Weg tiefer ins Innere des Geländes. Bevor ich ihn jedoch einschlage, folge ich der Einladung des kleinen Pförtnerhauses und trete ein. Im Inneren schaue ich mich suchend um. Ist hier so etwas wie eine Karte oder ein Plan des großen, weitläufigen Geländes zu finden? Immerhin ist der Südwestkirchhof einer der größten Friedhöfe Deutschlands. Ihn ohne ein solches Utensil nur auf gut Glück zu durchstreifen, ist zwar möglich, doch wenig nützlich und zielführend, wenn man – so wie ich heute – mit einem ganz bestimmten Ziel gekommen ist. Schon die Fahrt hierher war schließlich ein kleine Weltreise, existiert doch der einstige S-Bahn-Anschluß Stahnsdorfs, dessen Bahnhof sich einst direkt vor dem Friedhofseingang befand, nicht mehr, so daß man heutzutage nur hierher kommt, indem man nach Wannsee, Potsdam oder Teltow fährt, dann den Bus nimmt und das letzte Stück Wegs zu Fuß zurücklegt. So verspüre ich nun verständlicherweise wenig Lust, auf der Suche nach meinem Ziel planlos über das Friedhofsgelände zu irren.
In einer Broschüre über den Begräbnisplatz, die mir vor einigen Jahren in die Hände fiel und sich seitdem in meinem Besitz befindet, war ich auf einen interessanten Passus gestoßen. Darin wird ein sogenanntes „Garnison- oder Gedächtnisgrab“ erwähnt, das die Gebeine hoher Offiziere und Beamter der preußischen Armee aus zwei Jahrhunderten enthalten soll, die aus der ehemaligen Garnisonkirche zu Berlin hierher umgebettet wurden. Nun, so hatte ich gedacht, dieses Grab will ich mir doch einmal genauer ansehen. „Links im Walde bei der Kapelle“ soll es sich befinden – das ist alles, was mir besagte Broschüre verrät. Da käme mir ein Plan doch gerade recht. Und tatsächlich – bereits nach wenigen Augenblicken halte ich ein großes Faltblatt in den Händen, dessen Inneres eine Karte des Friedhofsgeländes zeigt, auf der zahlreiche numerierte Markierungen eingetragen sind. In der umseitigen Legende sind diesen Nummern die Angaben zu den entsprechenden, an den durch sie markierten Orten befindlichen Grabstellen zugeordnet. Genau das, was ich suchte.
Zufrieden ob meines Erfolgs trete ich wieder ins Freie und wandere los. Langsam den breiten, gepflasterten Hauptweg entlanggehend, auf dem ich fast allein unterwegs bin, studiere ich im Laufen das Faltblatt. Als ich, bei Eins beginnend, alle aufgeführten Nummern in der Legende überflogen habe, stellt sich Ernüchterung bei mir ein. In der gesamten Liste wird das „Garnison- oder Gedächtnisgrab“ mit keinem Wort erwähnt! Habe ich es überlesen? Ich setze mich auf eine Bank und gehe die Liste noch einmal Nummer für Nummer durch. Nichts. Der gesuchte Eintrag ist nicht vorhanden. Was nun?
Einen Hinweis habe ich immerhin. „Links im Walde bei der Kapelle“. So hatte es in der Broschüre gestanden. Nun, das sollte sich doch hoffentlich auch so finden lassen. Wieder schaue ich auf den Plan, diesmal auf der Suche nach der Kapelle. Diese ist recht schnell identifiziert. Der Weg, auf dem ich bereits unterwegs bin, würde mich direkt hinbringen. Neue Energie schöpfend, erhebe ich mich von der Bank und setze meine Wanderung fort.
Führt mich der Weg zunächst durch einen Bereich des Friedhofs, der an eine ausgedehnte Parklandschaft erinnert, in der von Grabstätten noch nicht sonderlich viel zu sehen ist, so ändert sich das, als ich eine Weggabelung passiert und, der Karte folgend, den rechten Abzweig eingeschlagen habe, der kurz darauf eine weite Biegung in nordwestlicher Richtung beschreibt. Hohe Bäume mit dichtem Laub tauchen den Weg in ausgedehnten Schatten. Im Unterholz zwischen ihnen sind nun immer wieder mehr oder minder hohe Grabmale zu erkennen, zwischen die kleine Wege, manchmal auch nur Pfade links und rechts hineinführen. Vereinzelt dringen Sonnenstrahlen durch das Laubdach der Bäume und malen helle Lichtflecken auf den Weg und den Waldboden, die unruhig hin und her wabern, wenn der Wind die Äste der Bäume wiegt. Außer seinem Rauschen und dem Singen und Zwitschern der Vögel ist nichts zu hören. Die sprichwörtliche letzte Ruhe, die die Toten hier gefunden haben – sie ist in der Ruhe der Natur unmittelbar zu spüren.
Als ich eine weitere Gabelung erreiche, an der sich mein Weg mit einem weiteren, von rechts kommenden vereinigt, trete ich unter den Bäumen hervor auf eine große Lichtung. Sie wird beherrscht von einem großen Bau, der sich rechts des Weges erhebt. Er ist auf den ersten Blick als Kapelle zu erkennen. Ein Langhaus mit spitz zulaufendem Dach, die Giebelseite mit drei kreisrunden Fenstern dem Weg zugewandt, daneben ein hoher Turm mit spitzer Haube und einer großen Uhr. Unverkennbar eine Kirche – ein Begriff, der angesichts dessen beeindruckender Größe eher auf das Gebäude zutrifft, das ganz aus Holz errichtet worden ist. Sein Eingangsbereich wird von einem Vordach überschattet, in dessen Mitte ein kleiner, auf hölzernen Doppelsäulen ruhender Vorbau mit spitzem Dach und bogenförmigem Eingang das Portal bildet, zu dem eine vom Wege abzweigende Auffahrt hinführt, die auf der anderen Seite wieder zu ersterem zurückkehrt. Wenn ich noch eine Bestätigung benötigt haben sollte, daß ich die gesuchte Kapelle gefunden hatte, so verrät mir ein Blick auf die Karte meines Faltblattes, daß ich am richtigen Ort bin.
Doch wo ist nun die von mir gesuchte Grabstätte zu finden? „Links im Walde bei der Kapelle“. Nun gut, auf der linken Seite der Kirche setzt sich tatsächlich der Wald fort. Hohe Bäume bilden dort eine dunkelgrüne Wand, hinter der sich also irgendwo das Garnisongrab befinden soll. Wo die Auffahrt der Kapelle wieder auf den Hauptweg trifft, zweigt ein kleiner Weg ab und führt in dieses Waldstück hinein. Kurzentschlossen folge ich ihm unter die Bäume, immer links und rechts nach der von mir gesuchten Grabstelle Ausschau haltend. Als ich schließlich – ich muß die Kapelle, die sich rechterhand von mir befindet, bereits ein Stück hinter mir gelassen haben – auf einen kreuzenden Weg treffe, wird mir klar, daß ich mein Ziel wohl verpaßt haben muß. Kein Wunder, weiß ich doch gar nicht so genau, wonach ich eigentlich suche.
Ohne rechte Hoffnung werfe ich erneut einen Blick auf die Karte. Ich weiß ja bereits, daß das Garnisongrab darauf nicht verzeichnet ist. Als ich mir die Umgebung links der Kapelle anschaue, bemerke ich auf ihrer linken Seite ein auf der Karte eingezeichnetes weißes Rechteck, das mir vorher nicht weiter aufgefallen war. Es befindet sich inmitten eines von vier Wegen – einer davon ist der Hauptweg, ein anderer der meine – eingefaßten Areals und ist nicht näher bezeichnet. Laut der Karte soll ein Pfad dorthin führen, der von dem Weg, auf dem ich gerade unterwegs bin, abzweigt. Den muß ich jedoch schon lange hinter mir gelassen haben, ohne ihn zu bemerken. Sollte das vielleicht…?
Versuch macht klug, denke ich mir, und kehre um. Ich gehe den Weg, den ich gekommen bin, zurück, bis ich meine, in etwa auf der Höhe des Gebiets zu sein, das besagtes Rechteck kennzeichnet. Als ich meine Umgebung nun genauer mustere, fällt mir ein schmaler Pfad auf, der rechts von mir in westlicher Richtung ins Unterholz hineinführt. Ihn hatte ich auf jeden Fall übersehen, als ich kurz zuvor in der entgegengesetzten Richtung hier vorübergekommen war. Kurzentschlossen biege ich auf ihn ein und folge ihm.
Ich bin erst wenige Meter weit gekommen, da ist der kleine Pfad auch schon wieder zu Ende. Er hat mich zu einer rechteckigen, etwa acht mal zehn Meter großen, grasbewachsenen Fläche inmitten des Waldes gebracht, die von einem in die Erde eingelassenen, schmalen steinernen Rahmen eingefaßt wird. Rings um sie herum wachsen große Rhododendren in die Höhe, deren dichtes Laub das Areal vor den Blicken aus der Umgebung abschirmt. Zwischen ihnen ragt an dessen hinterem Ende ein etwa vier Meter hohes Holzkreuz auf, in dessen Querbalken ein Spruch aus dem Neuen Testament eingraviert ist:
Als die Unbekannten, und doch bekannt,
als die Sterbenden, und siehe, wir leben![1]Dies ist der Anfang des neunten Verses des sechsten Kapitels des zweiten Briefs an die Korinther aus dem Neuen Testament. Vollständig lautet dieser: „als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet;“.
Am vorderen Ende der rechteckigen Fläche erheben sich direkt vor mir zwei große steinerne Blöcke, zwischen denen Platten aus demselben Material den Boden bedecken. Auf diesen hat man eine geneigte steinerne Tafel plaziert, deren eingravierte Inschrift mittlerweile unter Moos und herabgefallenem Laub teilweise verborgen ist. Nachdem ich mir die Mühe gemacht habe, sie einigermaßen davon zu befreien, kommt folgende, von zwei Kreuzen eingerahmte gravierte Inschrift zum Vorschein:
Hier ruhen
Tote aus 2 Jahrhunderten,
umgebettet
aus der Alten Garnisonkirche
zu Berlin.
1949
So habe ich sie also doch noch entdeckt – die letzte verbliebene Grabstätte der Toten aus der einstigen alten Garnisonkirche in Berlins Mitte. Im Schatten der Rhododendren und der hohen Bäume des Stahnsdorfer Südwestkirchhofs haben sie ihre nun hoffentlich ewige Ruhe gefunden, die ihnen in der alten Kirche, deren Gemeinde sie angehört hatten, nach all der Zeit doch nicht vergönnt gewesen war. Doch wie und warum sind sie eigentlich hierher gekommen – auf diesen Friedhof weit außerhalb der Stadt?
Die Antwort auf diese Frage ist ein Teil des letzten Kapitels der Historie der Berliner Garnisonkirche. Es ist dies die Geschichte ihres endgültigen Untergangs. Und ironischerweise beginnt diese mit einer Auferstehung.
Wie Phoenix aus der Asche
Als die Garnisonkirche in der Nacht vom 13. auf den 14. April 1908 vollständig niederbrennt, weilt ihr Garnisonpfarrer Georg Goens nicht in der Stadt. Er begleitet zu dieser Zeit den Kaiser Wilhelm II. auf einer Reise nach Korfu in Griechenland[2]Der Brand der alten Garnisonkirche, In: Berliner Volks-Zeitung, Jahrgang 56, Ausgabe 178 (Abendausgabe) vom 14. April 1908, Seiten 1 f.. Als jener durch ein Telegramm von dem Unglück erfährt, ordnet er unverzüglich den Wiederaufbau des Gotteshauses an[3]Barbara Kündiger: Umbauten, Zerstörungen und Abriß, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 114..
So beginnt man, kaum daß die Aufräumarbeiten abgeschlossen sind, unverzüglich mit den entsprechenden Planungen. Noch ganz unter dem Eindruck der Katastrophe widmet man sich als allererstes der Frage, welcher Mittel es bedarf, um die Stadt und die Menschen künftig vor einer solchen Feuersbrunst wie der gerade überstandenen besser zu schützen. Branddirektor Maximilian Reichel[4]Der vollständige Name des Branddirektors ist dem Eintrag „Reichel, Maximilian, Kgl. Branddirektor, SW19 Lindenstr. 41″ im Berliner Adreßbuch entnommen. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 2036. höchstpersönlich unterbreitet dafür zahlreiche Vorschläge, die alle Bereiche der Kirche betreffen, vom Dach über die Innenräume bis zur Gruft. So solle das Gotteshaus dem Branddirektor zufolge ein ziegelgedecktes Mansardendach erhalten, das auf einer eisernen Konstruktion aufsetzt. Auch solle es mit Einstiegsluken versehen werden, die der Feuerwehr im Falle eines Brandes Zugang zu den Räumlichkeiten direkt unterhalb des Daches gewährten. Treppen sollten grundsätzlich so konstruiert werden, daß sie bis zum Dach hinaufführten. Ventilationsöffnungen stehen ebenso auf der Wunschliste des Branddirektors wie eine feuersichere Deckenkonstruktion. Deren Eisenkonstruktionsteile sollten ebenso wie die an den Gewölben und am Turm glutsichere Ummantelungen erhalten. Und während der oberste Brandbekämpfer für den Bereich der Orgel spezielle Gefahren mindernde Maßnahmen vorsieht, fordert er zu guter Letzt noch einen zweiten Zugang zur Gruft, um auch dort zielgerichtet Löschmaßnahmen einleiten zu können, wenn der erste Grufteingang aus irgendeinem Grund blockiert sein sollte[5]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 114..
All diese Ideen gehen in die Planungen zum Wiederaufbau ein. Dessen Leitung liegt in den Händen der Geheimen Bauräte Oscar Wutsdorff und Richard Gerstenberg. Ersterer hatte bereits für die in den Jahren 1899 und 1900 vorgenommene Renovierung und Umgestaltung des Gotteshauses die Verantwortung getragen. Was das äußere Erscheinungsbild des Neubaus betrifft, so liegt das Ziel in einer weitgehend originalgetreuen Wiederherstellung der Garnisonkirche, wobei der abgebrannte Vorgängerbau das Vorbild stellt, demgegenüber lediglich eine einzige Abweichung zugelassen wird: den Vorschlägen des Branddirektors Reichel entsprechend erhält die neue Kirche ein Mansardendach[6]Beim Mansardendach wird das Dach in zwei Bereiche aufgeteilt. Während der obere in der Regel eine vergleichsweise flache Neigung aufweist, fällt die des unteren steil ab. Mansardendächer weisen damit einen typischen horizontalen Knick auf, der bei Walmdächern fehlt. anstelle des früheren Walmdaches[7]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 114.
Die Namen der beiden Bauräte werden in den einschlägigen Quellen nie vollständig genannt, sind aber mit Hilfe des Berliner Adreßbuchs feststellbar. Siehe Eintrag „Wutsdorff, Oscar, Intendantur- u. Baurat i. Kriegsminist., W15 Düsseldorfer Str. 5″ in Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 2900 und Eintrag „Gerstenberg, Richard, Kgl. Baurat, W10 Lützowufer 19b“ in Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 687.. Auf diesem ist wie ehedem auch wieder ein Turm aufgesetzt, für den man die noch brauchbaren Glocken der einstigen Kirche wiederverwendet, welche man für ein vollständiges Geläut durch neue ergänzt[8]Einweihung der Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 38, Ausgabe 438 (Morgenausgabe) vom 30. August 1909, Seite 5.. Indem man die Gruft der Garnisonkirche an der Nordwestecke des Kirchengebäudes schließlich noch mit einem zweiten Eingang versieht, setzt man noch eine weitere Anforderung aus dem umfangreichen Forderungskatalog des Branddirektors Reichel um[9]Barbara Kündiger: Bildwelten und Klangbilder, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 148..
Natürlich gibt es, wie immer im Leben, an dieser am Original orientierten Wiederherstellung des Kirchenbaus auch Kritik. Diese wird besonders im Milieu der Architekten laut. In der Zeitschrift „Berliner Architekturwelt“ verleihen sie ihrem Unmut Ausdruck:
Die abgebrannte Berliner Garnisonkirche wird von den Bauräten Wustdorf [sic!] und Gerstenberg ganz in der früheren Form wieder aufgeführt werden. Man muß sich fragen, was denn an dem alten Kompromißbau, der innen allerdings ‚ganz nett‘ geworden, so Überwältigendes war, daß die Phantasie zweier Baukünstler durchaus völlig ausgeschaltet werden muß.[10]Zitiert aus Berliner Architekturwelt – Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart, Verlag von Ernst Wasmuth AG, Architektur-Buchhandlung, Berlin, Jahrgang 11, Juni 1908, Sammelband von 1909, Seite 120.
Einfluß auf die Gestaltung der äußeren Erscheinung der neuen Garnisonkirche hat diese kritische Beurteilung jedoch nicht. Und vielleicht werden die Kritiker auch dadurch etwas besänftigt, daß man zumindest im Inneren der Kirche völlig neue Wege geht und diesem ein von dem des Vorgängerbaus stark abweichendes Antlitz verleiht. Anstelle eines Scheingewölbes wird das Kirchenschiff mit einem weißen Tonnengewölbe nach oben hin abgeschlossen, das von hellen, mit Ornamenten verzierten Säulen aus Sandstein getragen wird. Für den Schaft dieser Stützen verwendet man Friedersdorfer Sandstein, für deren Kapitelle Warthauer. Weil man das bei den Aufräumarbeiten der Brandstätte gesicherte verwertbare Material so weit wie möglich für die Errichtung des neuen Kirchengebäudes wiederverwenden will, stellen dessen Säulen nach ihrer Fertigstellung eine Kombination aus neu geschaffenen Trommeln und solchen des alten Gotteshauses dar. Den gleichen Ansatz verfolgt man bei den Fenstern. Erfreulicherweise hatten die in der Nische hinter dem Altar befindlichen bunten Glasfenster des Vorgängerbaus den Brand unbeschadet überstanden. Man setzt sie nun an gleicher Stelle in das neue Gebäude wieder ein, während man die übrigen als hohe Glasfenster in matter Metallfarbe neu gestaltet[11]Werner Schwipps: Die Garnisonkirchen von Berlin und Potsdam, Berlinische Reminiszenzen 6, 1. Auflage 1964, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin.[12]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 114..
Da die Innenausstattung der zweiten Garnisonkirche bei deren Brand zu großen Teilen zerstört worden war, ist man gezwungen, für ihren Nachfolgebau neues Inventar zu beschaffen. Man nutzt die Gelegenheit für eine umfassende Neugestaltung. Zwar findet der Altar seinen Platz erneut an der östlichen Schmalseite des Kirchenschiffes[13]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 177 vom 30. Juli 1909, Seiten 2 f., ist aber neu geschaffen worden. Eingerahmt wird er nun zu beiden Seiten von etwa vier Meter hohen Kandelabern aus Bronze, die ein mildes, ruhiges Licht verbreiten. Weil das einstige Altarbild von Karl Begas d. Ä. verbrannt ist, plaziert man hinter dem Altartisch ein neues, in einen neobarocken Rahmen eingefaßtes Gemälde, das den Titel „Der segnende Christus“ trägt und von Anton von Werner im Auftrag des Kaisers geschaffen wird. Es zeigt den Sohn Gottes mit ausgebreiteten Armen, in einer Landschaft stehend mit über Körper und Schulter drapiertem Tuch. Die Einfachheit der dargestellten Christusfigur geht auf den besonderen Wunsch des Kaisers zurück, bei dem die für die Kopenhagener Frauenkirche von Bertel Thorwaldsen geschaffene Marmorstatue eines segnenden Christus wohl einen solch bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, daß er sie zum Vorbild für das neue Altarbild erkor[14]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964.[15]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 152..
Der Berliner Bildhauer Otto Richter erhält den umfangreichen Auftrag für die Schaffung des plastischen Schmucks im Innenraum der neuen Kirche. In seiner Werkstatt entstehen zahlreiche figürliche und ornamentale, geschnitzte Plastiken, die nun ihren Platz in der Garnisonkirche finden. Dazu gehört der gesamte ornamentale Schmuck des Altars und der neuen Kaiserloge ebenso wie zwei große Engelsfiguren, die der Künstler nach der Vorlage zweier in einer anderen Kirche aufgestellter Plastiken in ähnlicher Ausstattung, doch wesentlich größerer Form als naturfarbene Eichenholzschnitzung ausführt. Eine weitere Skulptur, die den Titel „Christi am Kreuze“ trägt, wird der Kirche von einem in Italien lebenden deutschen Künstler zum Geschenk gemacht. All dies ergänzt man noch durch einige wenige Stücke des alten Schnitzwerks, das der Brand des alten Gotteshaus verschont hatte[16]Der Schmuck der neuen Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 38, Ausgabe 437 vom 29. August 1909, Seite 6.
Die Zeitung gibt leider nicht an, aus welcher anderen Kirche die beiden als Vorlage dienenden Figuren stammten. Ebenso hält sie es leider nicht für nötig, ihren Lesern den Namen des in Italien lebenden Künstlers mitzuteilen, der der Garnisonkirche freundlicherweise eine seiner Skulpturen verehrte..
Wie ihr Vorgängerbau verfügt auch die neue Garnisonkirche über umlaufende Emporen, an deren Brüstungen wie dort auch in vergoldeten Buchstaben Sprüche angebracht werden[17]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), 1909, Seiten 2 f.. Dabei achtet man genau darauf, daß die vier Sprüche von allen Seiten des Kirchenschiffs aus deutlich lesbar sind. Sie lauten:
Zeige dich als guter Streiter Jesu Christi.
So Jemand auch kämpfet, wird er doch nicht gekrönet, denn er kämpfe recht.
Niemand zeiget größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde.
Ich halte das Wort des Königs und den Eid Gottes.[18]Zitiert aus Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), 1909, Seiten 2 f.
Wie es bereits bei den beiden vorangegangenen Kirchenbauten der Fall gewesen war, widmet man auch diesem dritten Neubau des Gotteshauses eine Inschrift, die man in goldenen Buchstaben in der Mitte des Chores an der nördlichen Längsseite des Kirchenschiffs anbringt. Nachdem sie zunächst die Errichtung der zweiten Garnisonkirche unter Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1722 und deren von 1899 bis 1900 vorgenommenen Umbau unter Kaiser Wilhelm II. erwähnt, schließt sie mit den Worten: „Am 13. April 1908 Zerstörung des Innern durch Feuer. Einweihung der erneuten Kirche…“[19]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 186 vom 10. August 1909, Seite 3.
Die Zeitung berichtete über die Inschrift ganz offensichtlich bereits vor der Fertigstellung der neuen Garnisonkirche, zu einem Zeitpunkt, als die Inschrift noch nicht völlig fertiggestellt war. Eine Quelle, die den vollständigen Wortlaut der Inschrift wiedergibt, konnte bisher noch nicht gefunden werden. Auch bleibt unklar, warum die Inschrift die erste Garnisonkirche aus dem Jahr 1701 vollständig ignorierte.
Mit dem Bau der Orgel für die wiederaufgebaute Garnisonkirche beauftragt man wiederum den aus Frankfurt an der Oder stammenden Königlich-preußischen Hoforgelbaumeister Wilhelm Sauer, dem es diesmal allerdings erspart bleibt, einen wesentlichen Teil der Kosten selbst bestreiten zu müssen. Das mit achtzig, auf vier Manuale und ein Pedal verteilten Registern ausgestattete Instrument wird auf dem Chor der westlichen Schmalseite des Kirchenschiffs, dem Altar gegenüber, aufgestellt. Ganz der Tradition des Gotteshauses gemäß bildet man für den Orgelprospekt die historische Schauseite des früheren von Joachim Wagner geschaffenen Instruments nach und etabliert auch wieder den gleichen Mechanismus, der all die zahlreichen Figuren in Bewegung setzt. Baurat Gerstenberg fertigt selbst die Zeichnung für die Kopie an, der er den auf einer Zeichnung Johann Friedrich Walthers basierenden alten Kupferstich von Georg Paul Busch zugrundelegt[20]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), 1909, Seiten 2 f.[21]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 161..
Um die Zeit der Neuerrichtung der Garnisonkirche, in der die Garnisongemeinde über kein eigenes Kirchengebäude verfügt, zu überbrücken, greift man auf das zunächst nur für das Osterfest des Jahres 1908 kurz nach dem Brand geschaffene Provisorium zurück, die Gottesdienste der Garnisongemeinde im Dom abzuhalten, und etabliert es in dieser Zeit dauerhaft. Für den Organisten der Gemeinde, Otto Becker, entwickelt sich dies schnell zu einer außerordentlichen Mehrbelastung, als er – wohl aufgrund seines Könnens – verpflichtet wird, zeitweise das Orgelspiel in allen Gottesdiensten zu übernehmen, auch jenen der Domgemeinde[22]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964..
Die doppelte Einweihung
Es ist der Vorabend des 29. Augusts 1909. Vor dem fertiggestellten Neubau der großen Berliner Garnisonkirche sind Angehörige der Berliner Feuerwehr damit beschäftigt, Kränze auf die hohen Masten zu winden, die vor dem Eingang des Gotteshauses aufgestellt worden sind, um eine Art Ehrenpforte für das große Fest zu bilden, das am morgigen Sonntag, dem zwölften nach Trinitatis, stattfinden soll. Nicht einmal eineinhalb Jahre nach dem großen Brand ist es nun soweit: die neue, die dritte Garnisonkirche wird festlich eingeweiht.
Am darauffolgenden Morgen – die Uhr des nahen Rathauses schlägt gerade Neun – marschiert eine Kompanie des Zweiten Garde-Regiments strammen Schrittes zum Berliner Schloß, um vierzig Fahnen und Standarten der Berliner Regimenter abzuholen. Kaum haben die Soldaten diese in Empfang genommen, machen sie auch schon wieder kehrt und begeben sich mit ihnen auf direktem Wege zur neu errichteten Garnisonkirche. Dort angekommen, stellen sie, während die alten und neuen Glocken des Gotteshauses angeregt läuten, die Ruhmeszeichen zu beiden Seiten des Altars auf. Nun ist alles bereit. Als sich die Pforten der neuen Kirche öffnen, strömen die Besucher der großen Feier, die sich bereits zahlreich davor eingefunden haben, hinein. Ein jeder will sie in Augenschein nehmen, die noch immer einer der größten Sakralbauten der Reichshauptstadt ist und von außen den Eindruck vermittelt, als hätte es den großen Brand im Vorjahr nie gegeben[23]Einweihung der Garnisonkirche, 1909, Seite 5.[24]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964..
Unter der Führung ihrer direkten vorgesetzten Offiziere sind Abordnungen aller Truppenteile der Berliner Garnison erschienen und finden sich in der Garnisonkirche ein. Der Vizepatron der Garnisongemeinde, Generalfeldmarschall Wilhelm von Hahnke, und der Kommandeur der ersten Gardedivision, General Alfred von Löwenfeld, sind ebenso zur Feier erschienen wie die in Berlin anwesenden Generäle und Admirale. Auch der preußische Kriegsminister, Josias von Heeringen, und der preußische Kultusminister, August von Trott zu Solz, sowie der evangelische Feldpropst der Armee, Max Wölfing, wohnen ihr bei. Daß das Garnisonkirchenkollegium und die Geistlichen der Kirche zu den Anwesenden zählen, versteht sich gewissermaßen von selbst. Und auch die beiden für den Wiederaufbau des Gotteshauses verantwortlichen Bauräte Oscar Wutsdorff und Richard Gerstenberg beehren die Veranstaltung mit ihrer Gegenwart[25]Einweihung der Garnisonkirche, 1909, Seite 5.
Die Zeitung gibt lediglich die Nachnamen der Personen an.
Von Hahnkes vollständiger Name ist dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Hahnke, Wilhelm, Generalfeldmarschall, Generaladjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Oberbefehlshaber in den Marken u. Gouverneur v. Berlin, Chef d. Grenad. Regts. Prinz Karl v. Preußen (2. Brandb.) Nr. 12 u. à la suite d. Kais. Alex. Garde Grenad. Regts. Nr. 1, Exz., W62 Kurfürstendamm 251, 252″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 839.
Von Löwenfelds vollständiger Name ist ebenfalls dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Löwenfeld, Alfred, Generalleutn., Generaladjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Kommand. d. 1. Garde-Divis., Exz., NW52 Alt-Moabit 137″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 1552.
Der vollständige Name von Heeringens ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Thilo Vogelsang, „Heeringen, Josias von“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 8, 1969, Seiten 196-197 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 9. Juli 2022.
Der vollständige Name des Kultusministers von Trott zu Solz ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Benigna Krusenstjern, „Trott zu Solz, August von“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 26, 2016, Seiten 457-458 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 9. Juli 2022.
Wölfings vollständiger Name ist wiederum dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „Wölfing, Max, Evang. Feldprobst d. Armee, C2 Hinter der Garnisonkirche 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 2878..
Schließlich – der Einmarsch der Feldzeichen ist unter den ernsten Klängen der Orgel, die von Organist Otto Becker gespielt wird, gerade abgeschlossen – treffen um zehn Uhr vormittags der Kaiser und die Kaiserin vor der Kirche ein und begeben sich in Begleitung aller in Berlin anwesenden Mitglieder des Königlichen Hauses in die Kaiserloge. Gleich darauf beginnt die feierliche Einweihungszeremonie, deren Liturgie von Feldpropst Wölfing persönlich geleitet wird, während Garnisonpfarrer Goerg Goens die Weihepredigt hält. Anschließend werden anläßlich der Einweihung der neuen Garnisonkirche zahlreiche Auszeichnungen verliehen. Garnisonpfarrer Goens erhält den Roten Adlerorden dritter Klasse mit der Schleife und der Krone. Baurat Wutsdorff wird mit dem Kronenorden dritter Klasse ausgezeichnet, während Baurat Gerstenberg den Roten Adlerorden vierter Klasse verliehen bekommt, eine Auszeichnung, die auch dem Divisionspfarrer Otto Großmann zuteil wird, der maßgeblich an der Entdeckung des Brandes im Jahr zuvor und der schnellen Einleitung von Rettungsmaßnahmen beteiligt war. Und auch der Organist Otto Becker rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dem auch als Hochschullehrer tätigen Musiker wird im Zuge der Einweihungsfeier der Professorentitel verliehen. Mit einem vor der Kirche abgehaltenen Parademarsch endet schließlich die feierliche Einweihung der dritten Garnisonkirche[26]Einweihung der Garnisonkirche, 1909, Seite 5.. Noch am selben Nachmittag beginnt für die Garnisongemeinde mit dem ersten in dem neuen Gotteshaus abgehaltenen Gemeindegottesdienst wieder das normale Leben[27]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964..
Eine Woche später erlebt die Garnisonkirche mit dem ersten Kirchenkonzert nach ihrer Wiederherstellung ihre zweite, diesmal musikalische Einweihung. Professor Otto Becker, seine Ehefrau, die Violinistin Bianca Samolewska, und der Harvenvirtuose Leo Zelenka-Lerando übernehmen den instrumentalen Part, während die Konzertsängerinnen Emmi von Holstein und Änne Schimmelpfeng gemeinsam mit dem Pfannschmidtschen Chor den vokalen bestreiten. Die Mitwirkung Zelenka-Lerandos ist für die Zuhörer, aber erst recht für Otto Becker ein besonderes Ereignis, hatte er doch auch an dem letzten Konzert am Vorabend des großen Brandes teilgenommen und bei diesem – aufgrund einer unglücklichen Intervention Beckers – seine wertvolle Harfe eingebüßt. Der Erwerb des neuen Instruments, auf dem der Harfenvirtuose nun die musikalische Einweihung der wiederaufgebauten Garnisonkirche begleitet, war ihm aufgrund zahlreicher Spenden ermöglicht worden[28]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964..
In der Folgezeit entwickelt sich das Gotteshaus, das auch in seiner neuen Form über eine ausgezeichnete Akustik verfügt, wieder zu dem beliebten Konzertort, der es vor dem Brand lange Zeit gewesen war. Das liegt nicht zuletzt auch an der neuen Orgel, die fortan in Berlin neben dem von 1894 stammenden Instrument der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und der 1904 gebauten Orgel des Berliner Doms zu den beliebtesten Konzertorgeln gehört. Entstanden in der Orgelbau-Epoche der Hoch- und Spätromantik, zählt sie zu den fortschrittlichsten und technisch modernsten Instrumenten ihrer Zeit und bildet einen der Höhepunkte im Schaffen ihres Erbauers Wilhelm Sauer[29]Beatrice Falk & Bärbel Holtz: Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2.[30]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 161 f..
Da der Brand nahezu alle großen Gemälde, die zuvor die Garnisonkirche schmückten, vernichtet hatte, muß das neue Gotteshaus, sieht man einmal von dem neuen Altarbild ab, Schmuck dieser Art weitgehend entbehren. So recht abfinden kann und will man sich damit jedoch nicht. Doch woher soll man Gemälde in entsprechender Größe nehmen, die hinsichtlich des Gegenstands sowie der Art und Weise der Darstellung auch noch in die Kirche passen? Während man hin und her überlegt, erinnert sich plötzlich jemand daran, daß der Maler Christian Bernhard Rode, nachdem er seine Epitaph-Bilder geschaffen hatte, auf diesen basierend Radierungen anfertigte, die noch existieren. Schnell ist die Idee geboren, diese zu nutzen, um Kopien der vernichteten originalen Gemälde zu schaffen. Der Vorschlag wird an das Garnisonkirchenkollegium herangetragen, das ihn für gut befindet und zustimmt. Man beauftragt den Berliner Maler Robert Hahn mit der Erstellung von Farbskizzen, die man dem Kaiser vorlegt, damit er als Kirchenpatron sein Einverständnis gebe. Zwar erteilt er dieses, stellt aber die Bedingung, daß die Gemälde lediglich einfarbig, in einem grau-bräunlichen Ton auszuführen seien. Hahn macht sich ans Werk und noch im Jahr 1909 können die Kopien wieder in der Garnisonkirche aufgehängt werden, wobei sie ihren originalen Platz zurückerhalten. Allerdings finden nur vier Gemälde ihren Weg zurück in das Kirchenschiff. Das Bildnis Zietens, das sich nach der in den Jahren 1899/1900 vorgenommenen Renovierung und Umgestaltung der Garnisonkirche im Vorraum der kaiserlichen Loge befunden hatte, stellt man nicht wieder her[31]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 137 ff.
Die Radierungen waren von Christian Bernhard Rode für die ersten vier Epitaph-Bilder in mehreren Fassungen je Gemälde und teils erst mehrere Jahre nach diesen angefertigt worden. Die einzige Ausnahme bildet das Epitaph-Gemälde für den General Hans Joachim von Ziethen, das Rode fünfundzwanzig Jahre nach den ersten Bildern malte. Für dieses fertigte er keine Radierung an. Das übernahm schließlich Johann Georg Rosenberg.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Barbara Kündiger als Urheber dieser letzten Radierung Johann Karl Wilhelm Rosenberg angibt, der ein Vetter Johann Georg Rosenbergs war. Welche der beiden Angaben stimmt, ist anhand der Radierung selbst nicht feststellbar, da diese nur mit „J. Rosenberg“ signiert ist. Da Johann Georg Rosenberg im zu der Radierung gehörenden Datensatz der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, als Urheber genannt wird, haben wir uns für diese Angabe entschieden. Siehe Bildnis des Hans Joachim von Zieten im Digitalen Portraitindex, abgerufen am 10. Juli 2002..
Das Ende der Garnison
Am 8. September 1909 – ihre Einweihung liegt gerade einmal eine reichliche Woche zurück – richtet man in der Garnisonkirche die Trauerfeier für den vier Tage zuvor verstorbenen Polizeipräsidenten Berlins, Ernst von Stubenrauch, aus. Neben dem vollzählig erschienenen Präsidium der Polizei nehmen daran Vertreter der Stadt und des preußischen Staates teil. Letzterer wird durch seinen Innenminister Friedrich von Moltke, den Minister der öffentlichen Arbeiten Paul von Breitenbach sowie Staatssekretär Bernhard Dernburg vertreten. Die Stadt Berlin repräsentieren ihr Oberbürgermeister Martin Kirschner und ihr Bürgermeister Dr. Georg Reicke sowie eine Reihe von Stadträten. Für die Handelskammer nimmt Geheimrat Franz von Mendelssohn an der Feierlichkeit teil. Da die Feier in der Garnisonkirche stattfindet, ist es selbstverständlich, daß auch Vertreter der Generalität gekommen sind. Unter anderem zählen Generalfeldmarschall Wilhelm von Hahnke, der Gouverneur Berlins, General Gustav von Kessel, sowie der Kommandant der Stadt, General Hans von Boehn, zu den Gästen. Natürlich ist auch die Witwe des Verstorbenen mit ihrem Sohn anwesend, ebenso die beiden Brüder von Stubenrauchs. Garnisonpfarrer Georg Goens hält eine bewegende Ansprache, dann wird die Leiche eingesegnet[32]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 211 vom 8. September 1909, Seite 2.
Die Zeitung gibt für die meisten Teilnehmer nur die Familiennamen an. Die vollständigen Namen lassen sich jedoch mittels des Berliner Adreßbuchs ermitteln.
Friedrich von Moltkes Eintrag dort lautet „v. Moltke, Friedrich, Staatsminister, Minister des Innern, Exzellenz, NW7 Unter d. Linden 72, 73″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 1880.
Paul von Breitenbachs Eintrag lautet „v. Breitenbach, Paul, Staatsminister und Minister der öffentlichen Arbeiten, Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, Exzellenz, W66 Wilhelmstr. 79″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 306.
Bernhard Dernburgs Eintrag lautet „Dernburg, Bernhard, Kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat, Exzellenz, Staatssekretär des Reichskolonialamts, Bevollmächtigter zum Bundesrat, Grunewald, Erbacher Straße 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 438.
Martin Kirschners Eintrag lautet „Kirschner, Martin, Ober-Bürgermeister v. Berlin, NW21 Alt-Moabit 90″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 1315.
Georg Reickes Eintrag lautet „Reicke, Georg, Dr. jur., Reg. Rat, Bürgermeister v. Berlin, W10 Corneliusstr. 8″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 2239.
Gustav von Kessel hat inzwischen den Posten des Gouverneurs von Berlin von Generalfeldmarschall von Hahnke übernommen. Sein Eintrag lautet „v. Kessel, Gustav, General d. Infanterie, Gen. Adjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Oberbefehlshaber in den Marken u. Gouverneur v. Berlin, Exz., W62 Kurfürstendamm Nr. 251, 252″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 1296.
Hans von Böhns Eintrag lautet „v. Boehn, Hans, Generalmajor, General a. l. s. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs u. Kommandant von Berlin, C2 Platz am Zeughause 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 249..
Das neue Jahr bringt für die Garnisongemeinde einen Abschied mit sich. Ihr Organist Otto Becker entschließt sich, seine Stelle aufzugeben. Bereits im Jahr zuvor hatte er zwei Angebote erhalten. Das erste, die Stelle des Organisten im Berliner Dom anzunehmen, schlägt er aus. Da er in der Zeit des Wiederaufbaus der Berliner Garnisonkirche bereits im Dom hatte tätig werden müssen und diese Zeit in keiner sonderlich guten Erinnerung behalten hatte – nach eigenem Bekunden hatte er sich dort nie so recht wohlgefühlt -, entscheidet er sich für das zweite Angebot und wechselt als Kantor und Organist an die Potsdamer Hof- und Garnisonkirche. Am 17. April verabschiedet er sich mit einem Konzert von seiner bisherigen Wirkungsstätte und ihrer Gemeinde. Unterstützt wird er dabei von dem berühmten Violinisten Professor Henri Marteau und der Sängerin Maria Seret van Eyken. Für Marteau ist es der erste Auftritt in einer Berliner Kirche. Auf dem Programm stehen Werke von Johann Sebastian Bach, Max Reger und Heinrich van Eyken. Auch das Vorspiel und die Karfreitagsmusik aus Richard Wagners Oper „Parsifal“ werden dem Publikum zu Gehör gebracht. Dabei treten die Sänger Martin Smits aus Amsterdam als Parsifal und Felix Fleischer als Gurnemanz auf. Die Karten für dieses hochkarätig besetzte Abschiedskonzert werden zu Preisen zwischen 0,5 und 3 Mark verkauft[33]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 17, Ausgabe 87 vom 14. April 1910, Seite 3..
In den folgenden Jahren finden immer wieder Konzerte in der Garnisonkirche statt, wie entsprechende Zeitungsmeldungen aus jener Zeit belegen[34]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 49 vom 27. Februar 1912, Seite 2.[35]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 276 vom 24. November 1912, Seite 3.[36]Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 282 vom 1. Dezember 1912, Seite 2.. Im Rückblick wirkt diese Periode wie eine Ruhe vor dem großen Sturm, der sich mit großen Schritten nähert.
Daß sich in Europa ein Krieg ankündigt, ist für aufmerksame Beobachter schon in den Jahren vor 1914 abzusehen. Die Großmächte dieser Zeit widmen sich hingebungsvoll ihren imperialistischen Bestrebungen, bei denen es im wesentlichen um Eroberungen und die Ausdehnung des eigenen Machtbereichs geht, vorzugsweise auf anderen Kontinenten. Doch auch in Europa will man die eigene Position so weit wie möglich stärken. Um Macht und Einfluß konkurrierende Nationen sollen zugunsten des eigenen Zugewinns niedergehalten werden. Ein wirkliches Interesse, den Frieden zu wahren und den Krieg zu vermeiden, ist bei keiner der später daran beteiligten Mächte zu verzeichnen. Stattdessen rüstet man massiv auf und schließt Bündnisse, mit denen man sich gegenseitiger Hilfe im Falle eines militärischen Konfliktes versichert. Schon bald ist der alte Kontinent Europa in zwei Parteien gespalten. Auf der einen Seite stehen die Mittelmächte, zu denen das aufstrebende Deutsche Reich, das habsburgische Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich sowie Bulgarien und Italien gehören. Ihnen gegenüber positioniert sich die sogenannte Entente um Frankreich, Rußland und Großbritannien sowie Portugal und zahlreiche weitere Staaten.
Als am 28. Juli 1914 der Frieden mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien tatsächlich endet und die Kampfhandlungen beginnen, sind die Massen durch Politik und Medien soweit aufgeputscht, daß sie sich in einen regelrechten Kriegstaumel gesteigert haben. Kaum jemand macht sich eine Vorstellung davon, daß der Krieg, in den in rasanter Folge immer mehr Staaten eintreten, so daß er sich schnell zu einem Weltkrieg auswächst, vier lange Jahre andauern und unermeßliches Leid bringen wird[37]Der Erste Weltkrieg – Überblick, Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 10. Juli 2022..
Auch für die Garnisonkirche und ihre Gemeinde hat der Weltkrieg, von dem zu dieser Zeit noch niemand weiß, daß es lediglich der Erste sein wird, drastische Folgen. Doch zunächst hält man am 2. August 1914 einen allgemeinen Abschiedsgottesdienst für die noch in Berlin weilenden Offiziere ab, an dem auch das Kaiserpaar gemeinsam mit Herzog Ernst August von Braunschweig und der Herzogin Viktoria Luise teilnimmt[38]Der Kaiser und die Kaiserin in der Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 43, Ausgabe 388 (Ausgabe für Berlin und Umgegend) vom 3. August 1914, Seite 3.. Garnisonpfarrer Georg Goens hält die Predigt, über die am anderen Tag das Berliner Tageblatt berichtet:
Der Geistliche schilderte den hohen Ernst der Zeit und gedachte der Friedensjahre des Kaisers. Deutschland hat sich während dieser Zeit einen Platz an der Sonne erworben, der jetzt von einer anderen Macht angegriffen wird. Mit erhobener Stimme erklärte der Geistliche, nicht unser Kaiser wollte den Krieg, er tat bis zur letzten Stunde sein Möglichstes, um seinem Volke den Frieden zu erhalten. Aber auch unser Volk verabscheute den Krieg, und da uns jetzt der Krieg aufgezwungen wurde, so heißt es denn Abschied nehmen, um uns dem Feinde mit Macht entgegenzustellen. „Gott mit uns“, so zogen unsere Väter in den Kampf, und seit 200 Jahren versammelten sich hier in diesem Gotteshause unsere Herrscher vor Beginn eines Krieges. „Gott war bei uns“, so dankten sie dem Allmächtigen hier nach dem Kriege. Mit diesen Worten wollen auch wir in den Kampf ziehen und Gott bitten, daß er uns den Sieg verleihe.[39]Zitiert aus Der Kaiser und die Kaiserin in der Garnisonkirche, 1914, Seite 3.
Natürlich kann man davon ausgehen, daß das, was Goens in seiner Predigt hinsichtlich der Schuld an diesem Krieg und der fehlgeschlagenen Bestrebungen zum Erhalt des Friedens sagt, so oder so ähnlich auch in den Kirchen der anderen kriegsbeteiligten Länder, unabhängig davon, auf welcher Seite sie stehen, zu hören ist. Was dann jedoch folgt, ist dieselbe Tonlage, die bereits Emil Frommel in seinen Predigten zum Deutsch-Französischen Krieg angeschlagen hatte. Natürlich überrascht es nicht, daß sich in all den Jahren seitdem nichts geändert hat, daß Garnisonkirche, -gemeinde und -pfarrer ihre Rollen in dem großen Spektakel zur Motivation der Soldaten für den Kampf nach wie vor spielen, besteht darin doch ihr Daseinszweck in dieser vom Militär so begeisterten Gesellschaft. Und doch – diesmal wird es anders sein. Dieser Krieg wird nicht nur in seinen Ausmaßen weitaus größer, mörderischer und zerstörerischer werden als jeder andere in der Geschichte vor ihm – er wird auch für die Garnisongemeinde und ihre Kirche völlig andere Ergebnisse zeitigen.
Doch davon ahnen weder das Kaiserpaar noch die anderen Teilnehmer der Feierlichkeit etwas. Sie können nicht wissen, daß dieser Besuch in der Garnisonkirche der letzte ist, den Kaiser und Kaiserin dem Gotteshaus je gemeinsam abstatten werden[40]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964.
Schwipps gibt als Datum des Gottesdienstes den 3. August 1914 an. Da dieser jedoch ein Montag war, ist davon auszugehen, daß er versehentlich das Erscheinungsdatum der einschlägigen Zeitungsberichte als Zeitangabe für das Ereignis übernommen hat..
Als Georg Goens kurz darauf zum Feldpropst des deutschen Westheeres ernannt wird, hat das zur Folge, daß er seiner Gemeinde in den folgenden Kriegsjahren kaum zur Verfügung steht, da er in dieser Funktion Feldpredigten für die dortige Führung hält[41]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[42]Friedrich Erich Dobberahn: Deutsche Theologie im Dienste der Kriegspropaganda: Umdeutung von Bibel, Gesangbuch und Liturgie 1914-1918, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2021, ISBN 978-3-5255-6556-8, Seiten 460 f..
Deutschland führt von Beginn an einen Krieg an mehreren Fronten. Im Osten ist Rußland der Gegner, im Westen sind es Frankreich und Belgien sowie Großbritannien. Nach anfänglichen Erfolgen insbesondere an der Westfront fährt sich der Vormarsch des deutschen Heeres schnell fest und verwandelt sich in einen zermürbenden Stellungskrieg, der in den berüchtigten Schützengräben ausgetragen wird. Durch sinnlose Kämpfe, die keiner Seite auch nur irgendeinen nennenswerten Gewinn bringen, und neue, mörderische Waffen – das deutsche Militär setzt beispielsweise als erstes in der Menschheitsgeschichte Giftgas ein – finden Abertausende Soldaten auf allen Seiten den Tod[43]Der Erste Weltkrieg – Überblick, Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 10. Juli 2022..
Weil für eine florierende Wirtschaft im allgemeinen und eine funktionierende Industrie im besonderen zahlreiche Rohstoffe benötigt werden, über die das Deutsche Reich nicht selbst verfügt, gerät die Versorgung mit diesen dringend benötigten Materialien schnell zum Problem. Konnte diese in Friedenszeiten mittels Devisen und Handel durch Lieferungen aus dem Ausland gewährleistet werden, ist das in Zeiten des Krieges, in denen die Handelsbeziehungen zusammenbrechen und Devisen fehlen, kaum mehr in ausreichendem Maße möglich – erst recht nicht, wenn der Bedarf durch eine immens gesteigerte Waffenproduktion stark ansteigt. Um das Problem zu lösen, versucht man, die insbesondere benötigten Metalle Kupfer, Messing, Zinn und Zink sowie Eisen im Inland aufzutreiben, indem man die Bevölkerung dazu aufruft, Gegenstände aus diesen Materialien zu sammeln und abzuliefern. Geschieht das zunächst auf freiwilliger Basis, unterstützt durch entsprechende Spendenkampagnen, wird die Lage ab 1916 so kritisch, daß man dazu übergeht, die Menschen mehr oder weniger dazu zu nötigen. Man sammelt alles ein, was sich nur irgendwie demontieren, einsammeln und transportieren läßt. Das trifft letztlich auch die Garnisonkirche, deren Orgel durch eine solche Aktion die Zinnpfeifen abhanden kommen[44]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.
Wie weit solche Maßnahmen gingen, kann man anhand von Dokumenten aus jener Zeit nachvollziehen. Im Berliner Landesarchiv finden sich beispielsweise unter der Signatur A Rep. 037-03 Nr. 234 Dokumente des Magistrats der Stadt Charlottenburg, in denen es unter anderem um die Beschlagnahme für Bierglas- und Bierkrugdeckel aus Zinn geht. Die Signatur A Rep. 037-03 Nr. 235 verweist dann auf ein Dokument aus dem Jahr 1917, das sich unter anderem mit Anweisungen zur Beschlagnahme für Prospektpfeifen von Orgeln aus Zinn und andere Zinnpfeifen beschäftigt. Diese waren zwar nicht für die Berliner Garnisonkirche ausschlaggebend, sind aber Beispiele für den dargestellten Sachverhalt. Siehe Der Erste Weltkrieg in Dokumenten – Quellensammlung des Landesarchivs Berlin, Landesarchiv Berlin, Berlin, 2017, Seite 122..
Der kirchliche Alltag in der Garnisongemeinde wird, auch wenn die Reichshauptstadt selbst nicht Schauplatz desselben ist, durch den Krieg bestimmt. Verwundete, die in die Stadt gebracht werden, damit sie in deren Lazaretten versorgt werden können, benötigen Seelsorge, die von den Geistlichen der Garnisonkirche übernommen wird. Und für die Gefallenen, zu denen in dem sich Jahr für Jahr hinziehenden Krieg mehr und mehr hinzukommen, werden immer wieder Gedenkgottesdienste in der Kirche abgehalten[45]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995..
Am 2. Mai 1918 – es ist ein Donnerstag – zelebrieren die Luftstreitkräfte in der Garnisonkirche eine nicht-öffentliche Feier, die dem Gedächtnis Manfred von Richthofens gewidmet ist, dem erfolgreichsten deutschen Jagdflieger, der am 21. April 1918 bei Vaux-sur-Somme im Zuge eines Luftkampfs mit kanadischen und australischen Fliegern den Tod gefunden hatte. Anwesend sind die Kaiserin und Prinz Sigismund mit seiner Frau, der Kriegsminister Hermann von Stein, General Gustav von Kessel, der kommandierende General der Luftstreitkräfte, Ernst von Höppner, der Chef des Feldflugwesens, Oberstleutnant Hermann Thomsen, der Inspektor der Fliegertruppen, Oberstleutnant Wilhelm Siegert, und zahlreiche weitere Fliegeroffiziere sowie Kameraden des Verstorbenen. Auch dessen Eltern und Geschwister nehmen an der Feierlichkeit teil, bei der der Garnison- und Militäroberpfarrer Georg Goens eine Gedächtnisrede auf den Flieger hält[46]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[47]Trauerfeier für Richthofen, In: Vossische Zeitung – Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 224 (Morgenausgabe) vom 3. Mai 1918, Seite 3. und Dem Gedächtnis Richthofens – Trauerfeier in der Garnisonkirche, In: Berliner Morgenpost, Jahrgang 21, Ausgabe 122 vom 3. Mai 1918, Seite 5.
Die Zeitungen geben lediglich die Nachnamen der Personen an.
Von Steins vollständiger Name ist dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Stein, Hermann, General d. Artill., Staats- und Kriegsminist., Exz., W66 Leipziger Str. 5″. Siehe Berliner Adreßbuch 1918, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 2764.
Der vollständige Name von Höppners ist seinem Indexeintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Höppner, Ernst von, Indexeintrag: Neue Deutsche Biographie – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 11. Juli 2022.
Der vollständige Name Thomsens ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Wolfgang Schmidt, „Thomsen, Hermann“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 26, 2016, Seiten 193-195 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 11. Juli 2022.
Der vollständige Name Siegerts ist dem Buch „The Development of the German Air Force, 1919-1939“ entnommen. Siehe Prof. Richard Suchenwirth: The Development of the German Air Force, 1919-1939, Pickle Partners Publishing, Auckland, 2017, Unbekannte Seitennummer., die er nutzt, um den Heldentod weidlich zu glorifizieren:
Als die Glut des Farbenspiels […] am buntesten, als die Wucht der Handlungen am allergrößten war, rauschte der Vorhang über diesem Leben nieder. Nur ein Dichter könnte ihm gerecht werden. Glaubt man, daß der Schlußakt, wenn er ihn erlebt hätte, diesem Leben hätte entsprechen können? Im Frühling ist er dahingegangen. Was ihm vorenthalten wurde, ist heißester Sommer und welkender Herbst. Nicht das Sterben des gewöhnlichen Lebens hat sich an ihn herangewagt, sondern der Tod in seiner ganzen heroischen Schönheit.[48]Zitiert nach Dem Gedächtnis Richthofens – Trauerfeier in der Garnisonkirche, 1918, Seite 5.
Die Gestaltung dieser Trauerfeierlichkeit ist eine der letzten Amtshandlungen des Garnisonpfarrers, der nur wenige Wochen später, am 26. Juli 1918, an den Folgen einer Blinddarmoperation verstirbt. Daß der Kaiser Goens hoch geschätzt hatte, ist nicht nur daran abzulesen, daß Goens ihn auf mehreren Reisen begleiten durfte – so beispielsweise 1904 und 1905 nach Sizilien sowie 1908, 1911 und 1912 nach Korfu -, sondern auch an der Tatsache, daß er den Garnisonpfarrer zum Religionslehrer der kaiserlichen Prinzen ernannt hatte. Die Beisetzung findet auf dem Alten Garnisonfriedhof statt, wo sein Grab zu den wenigen gehört, die heute noch erhalten sind[49]Militäroberpfarrer Goens †, In: Berliner Morgenpost, Jahrgang 21, Ausgabe 207 vom 28. Juli 1918, Seiten 5 f.[50]Militäroberpfarrer D. Goens †, In: Berliner Neueste Nachrichten, Jahrgang 38, Ausgabe 380 (Morgenausgabe) vom 28. Juli 1918, Seite 6.[51]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995..
Als am 1. Oktober 1918 auch noch Feldpropst Max Wölfing in den Ruhestand tritt, sind sowohl die Stelle des Garnisonpfarrers als auch die des Feldpropstes vakant[52]Dieter Weigert: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg – Prediger an die Front, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 126.. Zu Wölfings Nachfolger im Amt des Feldpropstes – nun für Armee und Marine in Personalunion – wird der am 24. Februar in Zechin geborene Friedrich Gottlob Erich Schlegel berufen, dem mit Einverständnis des Kaisers Wilhelm II. gleichzeitig die Ämter des Militäroberpfarrers des Gardekorps und des Berliner Garnisonpfarrers übertragen werden. Schlegel hatte in Berlin studiert und seine berufliche Laufbahn im Jahre 1892 als Garnisonhilfsprediger in Berlin begonnen. Ein Jahr später war er Divisionspfarrer in Metz geworden, 1896 ging er in derselben Funktion nach Frankfurt an der Oder. 1902 schließlich nach Berlin zurückgekehrt, übernahm er die Stelle des Pfarrers im Invalidenhaus. Von hier ging er 1911 nach Magdeburg, um der Militäroberpfarrer der dortigen Garnison zu werden. Von dieser Stelle wird er nun erneut nach Berlin zurückgerufen[53]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995..
Die Ernennung Schlegels ist höchstwahrscheinlich die letzte Handlung des Kaisers in seiner Funktion als Patron der Garnisonkirche. Bereits am 8. August des Jahres war es den Entente-Mächten Frankreich, Großbritannien und den mittlerweile in den Krieg eingetretenen USA gelungen, die deutsche Westfront, die sie bereits seit dem Juli immer wieder angegriffen hatten, zu durchbrechen. Seitdem muß der Krieg für die Mittelmächte, zu denen Deutschland gehört, als verloren angesehen werden. Allerdings weigern sich die deutschen Generäle, die Niederlage einzugestehen und Friedensverhandlungen zu initiieren. Dies überlassen sie den Politikern. Und so dauert es noch bis zum 11. November, bis Staatssekretär Matthias Erzberger als Vertreter der deutschen Regierung im Wald von Compiègne den Vertrag für den Waffenstillstand unterzeichnet – die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs. Zwei Tage zuvor, am 9. November 1918, hatte der Reichskanzler des Kaiserreichs, Prinz Max von Baden, das Ende der Monarchie in Deutschland verkündet und den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum neuen Reichskanzler ernannt. Kaiser Wilhelm II. ist zu diesem Zeitpunkt bereits in die Niederlande geflohen, wo er fürderhin im Exil lebt[54]Der Erste Weltkrieg – Überblick, Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 10. Juli 2022..
Das Ende des Ersten Weltkriegs, das auch gleichzeitig das Ende des Deutschen Kaiserreichs darstellt, hat für die Garnisonkirche und ihre Gemeinde schwerwiegende Folgen. Zum einen ist damit auch das Patronat, das der Kaiser über die Kirche ausgeübt hatte, Geschichte. Zum anderen hat der 1919 abgeschlossene Friedensvertrag von Versailles, der das Deutsche Reich neben vielen anderen Dingen auch zur Abrüstung verpflichtet, zur Folge, daß das Heer auch in Berlin auf ein Minimum reduziert wird. Die Garnison der Stadt wird praktisch aufgelöst. Das zieht unmittelbar eine drastische Verkleinerung der Garnisongemeinde nach sich. Auch die Zahl der in der Stadt befindlichen militärischen Einrichtungen wird in der Folge verringert. Ganz praktisch bedeutet das, die Zweite Evangelische Garnisonkirche am Kaiser-Friedrich-Platz aus dem Einflußbereich des Militärs zu entlassen. Sie verliert ihre Funktion als Garnisonkirche und wird an die Einheitsgemeinde Neukölln übergeben. Weil allerdings die Militärseelsorge als Institution das Kaiserreich überdauert und auch in der Weimarer Republik fortgeführt wird, bleibt die alte Garnisonkirche als solche bestehen. Mit der Auflösung der Berliner Garnison ist nun auch das Amt des Garnisonpfarrers überflüssig und wird abgeschafft. So geht Friedrich Gottlob Erich Schlegel als letzter Garnisonpfarrer in die Annalen der Garnisonkirche ein. Er bleibt als evangelischer Feldpropst aber weiterhin für das Gotteshaus und dessen Gemeinde zuständig[55]Dr. Karl Plumeyer: Beiträge zur Geschichte der Berliner Garnisonfriedhöfe – II. Die Grabstätten in der Hasenheide, In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jahrgang 1924, Heft 7-9, Seite 50.[56]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[57]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Neue Verhältnisse
Der Übergang in die Weimarer Republik gestaltet sich für die Garnisonkirche jedoch recht kompliziert. Allein der Status als vormals königliche Stiftung und die damit verbundenen rechtlichen Verhältnisse erweisen sich für die Kirche als ernsthaftes Hindernis. Schließlich gibt es kein Königs- oder Kaiserhaus mehr. Das eröffnet eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung alles andere als einfach ist. Welchen rechtlichen Status soll die Garnisonkirche jetzt haben? Wem gehört sie? Wem obliegt ihre Verwaltung? Das sind nur einige der offenen Punkte, die geklärt werden müssen. Es dauert seine Zeit, doch schließlich gelangt man zu einer Regelung der Verhältnisse, die für das Gotteshaus in der neuen Weimarer Republik Bestand haben. So bleibt die Stiftung weiterhin bestehen, muß der Reichsfinanzbehörde aber den Nachweis ihrer Gemeinnützigkeit und ihrer Funktion als Religionsgemeinschaft erbringen. Die Verwaltung von Kirche und Gemeinde wird dem Garnisonkirchenkollegium übertragen, dem nun unter anderem Feldpropst Schlegel höchstpersönlich angehört. Das Gremium agiert allerdings nicht selbständig, sondern bewegt sich unter der Obhut des Reichswehrministeriums. Während der Alte Garnisonfriedhof nun ins Eigentum des Garnisonkirchenkollegiums übergeht, unter dessen Verwaltung er ja bisher schon stets stand, übernimmt die Militärverwaltung die Eigentumsrechte am Grundstück des Gotteshauses. Das hat seinen Grund darin, daß die Kirche nach wie vor als Gottesdienststätte des Militärs dient, das ab 1921 Reichswehr genannt wird[58]Dieter Weigert: Ein verschwundenes Berliner Baudenkmal: Die Alte Garnisonkirche, Website FOBI Lilienstern, abgerufen am 11. Juli 2022.[59]Heinz Berg: Zur Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde diesseits vom Spandauer Tor, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2.[60]Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, Flyer, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V., unbekanntes Erscheinungsjahr. Im Besitz des Autors.[61]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Natürlich vollziehen sich diese Entwicklungen nicht in wenigen Tagen. Sie dauern vielmehr das Jahr 1919 über an – ein Zeitraum, der für die Garnisonkirche eine Phase der Ungewißheit darstellt. Gottesdienste mag es zwar geben, doch ansonsten finden in dem Gotteshaus in diesem Jahr vor allem Kinovorführungen und Kulturveranstaltungen statt[62]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[63]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Doch nicht nur der Status der Garnisonkirche, ihrer Gemeinde und der Stiftung müssen geklärt werden. Der Übergang von der Monarchie des Kaiserreichs in die Verhältnisse der Weimarer Republik erfordert auch eine Neuregelung der weitergeführten Militärseelsorge. Die alte „Evangelische militärkirchliche Dienstordnung“ aus dem Jahre 1902 hilft dabei nicht wirklich weiter. Daher arbeiten der Chef der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, Reichswehrminister Otto Geßler und Gustav Stresemann gemeinsam mit dem evangelischen Feldpropst Friedrich Gottlob Erich Schlegel im Jahre 1920 daran, Regelungen für ein möglichst unproblematisches Weiterbestehen der Militärseelsorge auszuarbeiten – ein Ziel, das sie bis zum Ende des Jahres erreichen[64]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Weil sich die Nutzung der Garnisonkirche nun vorwiegend auf den kirchlichen Alltag beschränkt, verschwindet sie in den folgenden Jahren mehr und mehr aus der Wahrnehmung der Berliner Öffentlichkeit. Taufen, Konfirmationen, Gottesdienste – für die Gemeinde sind das essentielle und wichtige Veranstaltungen, doch sie sind kaum geeignet, die Aufmerksamkeit der städtischen Öffentlichkeit auf die Garnisonkirche zu lenken. Allerdings nimmt die Bedeutung des Gotteshauses in anderer Hinsicht zu. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg bilden sich in der Reichswehr der Weimarer Republik verschiedene Traditionsverbände heraus, denen die Garnisonkirche als Kirche des Militärs natürlich zur Verfügung steht, um beispielsweise Gedenkfeiern abzuhalten. Dies geschieht zum ersten Mal am Totensonntag des Jahres 1920, dem 21. November, als der Nationalverband Deutscher Offiziere und der Verband nationalgesinnter Soldaten in dem Gotteshaus ihre Gedächtnisfeiern durchführen. Und auch neue Inventarstücke finden auf diese Weise ihren Weg in die Kirche. Viele Regimenter bringen an ihren Wänden Gedenktafeln an, die die Gefallenen des Weltkrieges ehren sollen. Dabei sind nicht nur die Garderegimenter mit eigenen Erinnerungszeichen vertreten, sondern insbesondere auch solche aus den östlichen Gebieten des Deutschen Reiches[65]Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, unbekanntes Erscheinungsjahr.[66]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[67]Klaus Duntze: Ob auch Kriegsleute seligen Standes sein können (Martin Luther), In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 14.. Auf diese Weise gewinnt die Garnisonkirche eine Rolle zurück, die sie bereits zu Zeiten des preußischen Staates und des Kaiserreichs gespielt hatte – die Rolle einer Traditionsstätte für das deutsche Militär.
Am 28. Mai 1922 begeht die Reichswehr im Rahmen einer stillen Gedenkfeier das zweihundertjährige Bestehen der Kirche. Daß das, nimmt man es genau, eigentlich in keinerlei Hinsicht korrekt ist, weil man entweder die Existenz des ersten Kirchenbaus komplett ausblendet oder aber ignoriert, daß der aktuelle Kirchenbau gar nicht derjenige ist, der 1722 eingeweiht wurde, spielt keine Rolle. Wichtig ist allein, eine Gelegenheit für eine identitätsstiftende militärische Zeremonie zu haben. So sind denn auch zahlreiche hochgestellte Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Militärs anwesend, unter ihnen Reichswehrminister Otto Geßler und der Chef der Heeresleitung und als solcher Oberbefehlshaber der Reichswehr, General Hans von Seeckt[68]Während des Kapp-Putsches im Jahre 1920 war es Hans von Seeckt, der der jungen Weimarer Republik die Loyalität verweigerte, indem er mit den Worten „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“ davon abriet, das Militär gegen die Putschisten einzusetzen.. Darüberhinaus wohnen auch Vertreter des preußischen Kultusministeriums und des Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrates der Feier bei[69]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[70]Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 14..
Während die Weimarer Republik die Goldenen Zwanziger Jahre durchlebt, die zwar durch den Aufschwung der Wirtschaft geprägt sind, allerdings die unteren Schichten der Gesellschaft – unter anderem eine Million Arbeitslose – von dem Gold dieser Zeiten nicht sonderlich viel spüren lassen, wird es um die Garnisonkirche in der Mitte der Stadt zunehmend ruhiger. Kleinere Reparaturen und eine Reihe von Konzerten sind die einzigen Ereignisse, womit sie von sich reden machen kann[71]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117, Fußnote 29.[72]Zunächst im Gemeindeblatt, später im Amtsblatt der Stadt Berlin sind in dieser Zeit immer wieder Konzertankündigungen zu finden. Hier einige Beispiele:
Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 66, Ausgabe 42 vom 18. Oktober 1925, Seite 441.
Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 67, Ausgabe 13 vom 28. März 1926, Seite 102.
Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 67, Ausgabe 52 vom 26. Dezember 1926, Seite 460.
Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 11 vom 11. März 1928, Seite 71.
Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 38 vom 16. September 1928, Seite 539.
Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 42 vom 14. Oktober 1928, Seite 597.
Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 70, Ausgabe 3 vom 20. Januar 1929, Seite 38.. Das liegt zu einem guten Teil auch daran, daß die rechtliche Stellung der Garnisonkirche, die der Reichswehr nach wie vor als Gottesdienststätte dient, nicht vollständig klar ist, zumindest, was das Patronatsrecht ihrer Stiftung angeht. Versuche, den Oberkirchenrat der evangelischen Landeskirche darin einzubeziehen, scheitern an dessen Unwillen, diese Option auch nur zu erörtern. Wie es scheint, befürchtet man dort, daß aus der Stiftung Pflichten erwachsen könnten, die zu übernehmen man nicht gewillt ist. War die über Jahrhunderte fehlende Bindung an die Landeskirche und der damit verbundene stetige Status einer Personalgemeinde[73]Als Personalgemeinde war die Garnisongemeinde nie als Parochie organisiert, also keinem bestimmten geographischen Gebiet zugeordnet. Die Mitgliedschaft basierte stets auf der Zugehörigkeit zum preußischen beziehungsweisen deutschen Militär. eine Regelung, die Stiftung und Kirche Unabhängigkeit garantierte, solange das preußische Königshaus existierte, so erweist sie sich unter den neuen staatlichen und politischen Verhältnissen nun als gravierender Mangel[74]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995..
Als sich am 5. Januar 1928 der Geburtstag des einstigen Garnisonpfarrers Emil Frommel zum einhundertsten Male jährt, richtet das Garnisonkirchenkollegium aus diesem Anlaß eine Feier aus. Zu der am Jubiläumstag in der Garnisonkirche abgehaltenen Feier finden sich Menschen aus allen Kreisen der Berliner Bevölkerung ein. Viele von ihnen hatten Frommel noch selbst gekannt, sei es, daß er sie als Prediger oder als Seelsorger bewegt hatte oder ihr Konfirmandenvater gewesen war. Auch seine Kinder und Enkel nehmen an der Feierstunde teil, ebenso zahlreiche seiner Amtsbrüder, darunter ehemalige Militärpfarrer und viele ältere Geistliche der Stadt. Natürlich ist auch das Militär gebührend vertreten. Der Chef der Marineleitung, Admiral Hans Zenker, ist ebenso erschienen wie der Kommandant der Stadt Berlin, Generalmajor Johannes Severin sowie zahlreiche Offiziere der Reichswehr. Zu guter Letzt haben auch der Evangelische Oberkirchenrat und das Brandenburgische Konsistorium Abordnungen geschickt. So ist die Garnisonkirche wie einst zu Frommels Zeiten außerordentlich gut besucht. Die im Kirchenschiff auf den Bänken versammelten Menschen erleben eine vom Berliner Sängerverein würdig gestaltete Feier, bei der Feldpropst Friedrich Gottlob Erich Schlegel eine Ansprache hält, die den Geehrten in seiner Rolle als Soldatenpfarrer schildert. Schlegel kann dafür aus eigenem Erleben schöpfen, war er doch am Anfang seiner Karriere Emil Frommels letzter Hilfsprediger. Der von Schlegel gegebenen Darstellung Frommels stellt anschließend Oberpfarrer und Hofprediger Walter Richter-Reichhelm in einer weiteren Ansprache eine Schilderung des einstigen Garnisonpfarrers als christlicher Charakter gegenüber[75]Gedenkfeier für Emil Frommel, In: Vossische Zeitung – Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 9 (Morgenausgabe) vom 6. Januar 1928, Seite 11.
Die Zeitung gibt für genannte Personen nur die Familiennamen an.
Der vollständige Name Admiral Zenkers kann seinem Eintrag im Berliner Adreßbuch entnommen werden. Dieser lautet: „Zenker, Hans, Admiral, Exz., Chef d. Marineltg., W10 Königin-Augusta-Str. 38-42″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 3948.
Generalmajor Severins vollständiger Name ist ebenfalls im Berliner Adreßbuch zu finden. Sein Eintrag lautet: „Severin, Johannes, Gen.-Major u. Kommandant v. Berlin, C2 Platz am Zeughause 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, Seite 3317.
Und auch Hofprediger Richter-Reichhelms Name ist im Berliner Adreßbuch verzeichnet. Sein Eintrag lautet: „Richter-Reichhelm, Walter, Hofpredg., Charlottenbg., Carmerstr. 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, Seite 2810..
Eine sich „Freunde Frommels“ nennende Gruppe ruft aus diesem Anlaß zu einer Sammlung auf, mit der eine Ehrentafel finanziert werden soll, die man über der Tür des Garnisonpfarrhauses anbringen lassen möchte. Sollte dabei mehr Geld zusammenkommen, als für die Tafel benötigt wird, plant man, mit dem Überschuß die Frommel-Stiftung für Arme wieder aufleben zu lassen, die infolge des Krieges ihre finanziellen Mittel verloren und aufgehört hatte zu existieren[76]Frommel-Jubiläum, In: Vossische Zeitung – Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 9 (Morgenausgabe) vom 6. Januar 1928, Seite 6.. Tatsächlich gelingt es, das erforderliche Geld zusammenzubringen, denn einige Zeit später wird über der Eingangstür des Garnisonpfarrhauses eine bronzene Tafel angebracht, auf der folgendes zu lesen ist:
Hier wohnte von 1870 – 1896
der Volksschriftsteller
D. Emil Frommel
Hof- und Garnisonprediger
* 5. Jan. 1828 + 9. Nov. 1896
Am 29. August desselben Jahres steht die Garnisonkirche wieder einmal im Dienste eines der vielen Traditionsvereine des deutschen Militärs, als die „Arbeitsgemeinschaft Ostpreußischer Regimentsvereine in Berlin“ hier ihre „Tannenbergfeier“ veranstaltet, mit der sie die Erinnerung an eine der großen Schlachten im Ersten Weltkrieg pflegt – die Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1914[77]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.. Daß diese eigentlich bei Allenstein und Hohenstein stattgefunden hatte und erst später auf Betreiben Paul von Hindenburgs und Erich Ludendorffs, unter deren Führung die deutsche Armee die Schlacht gegen die russische gewonnen hatte, umbenannt worden war, um sie zu Propagandazwecken als späten Sieg über das Slawentum nach der verlorenen historischen Tannenberg-Schlacht des Deutschen Ordens im 15. Jahrhundert darstellen zu können – wen interessierte das[78]Arnulf Scriba: Die Schlacht bei Tannenberg 1914, In: Lebendiges Museum Online, Website des Deutschen Historischen Museums, veröffentlicht am 8. September 2014, abgerufen am 16. Juli 2022.[79]Berthold Seewald: Der berühmte deutsche Sieg war eine Abfolge von Fehlern und Zufällen, In: Welt vom 9. Februar 2002.?
Im Jahr darauf, am 20. März 1929, erhält die Straße Hinter der Garnisonkirche, die von der Neuen Friedrichstraße abzweigt, zwischen der Kirche und ihrem Pfarrhaus hindurch, einmal um das Gotteshaus herum und auf dessen anderer Seite wieder zur Neuen Friedrichstraße zurückführt, einen neuen Namen. Zu Ehren des einstigen Garnisonpfarrers Emil Frommel tauft man sie nun Frommelstraße. Die hinter der Kirche gelegene alte Feldpropstei ist von nun an unter der Adresse „Frommelstraße 1, Berlin C 2“ zu finden[80]Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 70, Ausgabe 15 vom 14. April 1929, Seite 243..
Mit der in diesem Jahr in Kraft tretenden „Evangelischen militärischen Dienstordnung für das Reichsheer und die Reichsmarine“ wird der Prozeß der Überführung der noch aus dem Jahre 1902 stammenden „Evangelischen militärkirchlichen Dienstordnung“, der dazu diente, jene aus dem Kaiserreich stammende Regelung an die mittlerweile nicht mehr ganz so neuen republikanischen Bedingungen anzupassen, endlich abgeschlossen[81]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Die letzten Jahre
Als 1931 die Amtszeit des evangelischen Feldpropstes Friedrich Gottlob Erich Schlegel endet, verbleibt er weiter im Amt, obwohl er die Möglichkeit hätte, in Pension zu gehen. Erst zwei Jahre später äußert er schließlich den Wunsch, diese anzutreten. Als im September 1933 schließlich entschieden wird, dem zu entsprechen, billigt man ihm dabei das Recht zu, seine vollen Bezüge noch bis zum Ende des Jahres 1933 zu beziehen. Den damit anstehenden Wechsel im Amt nimmt Paul von Hindenburg, der seit 1925 Reichspräsident ist, Anfang Dezember zum Anlaß, diesem einen anderen Namen zu geben. Aus dem evangelischen Feldpropst wird nun der Evangelische Feldbischof, der ab 1935, als aus der Reichswehr die Wehrmacht hervorgeht, Evangelischer Feldbischof der Wehrmacht heißt. Die gleiche Umbenennung läßt man auch dem Amt des katholischen Feldpropstes angedeihen[82]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[83]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126..
Einen Nachfolger zu finden, dauert allerdings wohl etwas länger als gedacht, denn erst im April 1934 wird Friedrich Gottlob Erich Schlegel schließlich emeritiert. Seine Nachfolge tritt Dr. Franz Dohrmann an[84]Feldbischof a. D. D. Schlegel †, In: Briesetal-Bote – Heimatzeitung im Kreise Niederbarnim, Jahrgang 37, Ausgabe 66 vom 29. April 1938, Seite 8.. Geboren wurde er als Sohn eines Gutsbesitzers. Nachdem er am 22. Mai 1908 ordiniert worden war, wirkte er bis 1909 als Hilfspfarrer an der Heilig-Geist-Kirche in Potsdam. Von dort ging er an die Berliner Garnisonkirche, wo er ein reichliches Jahr als Militärhilfsgeistlicher der Zweiten Gardedivision tätig war, bis er zum Divisionspfarrer ernannt wurde und nach Bromberg wechselte. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er im Rahmen einer Tätigkeit als sogenannter Büropfarrer bereits die Feldpropstei kennengelernt, auch wenn er hier nur für wenige Monate blieb, da er 1920 nach Stettin versetzt wurde. Hier war er als Konsistorialrat in der Zivilkirche tätig, übte aber auch eine Tätigkeit als Wehrkreispfarrer aus. 1925 schloß er seine Promotion zum Doktor der Theologie ab. Als ihm nun durch einen Erlaß des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg das Amt des evangelischen Feldpropstes übertragen wird, ist das eine Entscheidung, bei der die zivilen Kirchenstellen außen vor bleiben. Sie werden im Vorfeld noch nicht einmal amtlich informiert. Dohrmann, dessen Berufung mit dem durch die faschistische Führung eingesetzten Reichsbischof Ludwig Müller abgestimmt ist, erlangt mit seiner neuen Position den Status eines Reichsbeamten[85]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 128..
Der neue Feldpropst kann allerdings den Bedeutungsverlust, den die Berliner Garnisonkirche im städtischen Leben der 1920er Jahre erlitten hatte, nicht rückgängig machen. Vielmehr wird dieser im gerade angebrochenen Jahrzehnt noch verstärkt. Ein wesentlicher Faktor dafür ist die 1933 vonstattengegangene Machtübernahme durch die deutschen Faschisten. Deren Führung setzt dem öffentlichen Wirken der Militärgeistlichen insgesamt von Anfang an enge Grenzen und behält diese in der Folgezeit nicht nur bei, sondern schränkt sie immer weiter ein. Ein Schreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, vom 15. März 1941 wird diesbezüglich außerordentlich deutlich:
[Es] wird darauf hingewiesen, daß die einzige Aufgabe der Wehrmachtspfarrer die seelsorgerische Betreuung der Wehrmachtsangehörigen ihres Bekenntnisses ist. […] Es entspricht daher nicht der Aufgabe der Wehrmachtspfarrer, wenn sie, sei es bei Feiern, sei es bei anderen Gelegenheiten, zu Vorträgen oder zur Abhaltung von Lehrgängen z. B. Wochenendlehrgängen herangezogen werden, die außerhalb des religiösen Gebiets liegen.[86]Zitiert nach Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 131.
Ein Tätigkeit, wie sie beispielsweise Garnisonpfarrer Emil Frommel einst entfaltet hatte und die weit über die Garnisonkirche selbst hinausging, liegt also weit außerhalb der Reichweite des neuen Feldpropstes. Doch selbst über das Wirken an seinem Gotteshaus und in dessen Gemeinde ist aus den Quellen jener Zeit wenig bis nichts zu entnehmen, sieht man einmal von den Einträgen über Trauungen und Taufen und andere Amtshandlungen in den Kirchenbüchern ab[87]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 129 ff..
Und auch der rechtliche Status der Garnisonkirche scheint in jener Zeit wieder vermehrt in Frage zu stehen. Allerdings sind auch diesbezüglich die Informationen, die den Quellen entnommen werden können, eher spärlich. Offenbar endet 1934 die Verwaltung des Gotteshauses durch das Garnisonkirchenkollegium, die unter der Aufsicht des Reichswehrministeriums stand[88]Doris Tüsselmann: Die Garnisongemeinde in Berlin und ihre „verlorene“ Kirche, In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jahrgang 2010, Heft 1, Seite 323.. Die Gründe sind nicht völlig klar, doch könnte dieser Umstand mit der Umwandlung der Reichswehr in die deutsche Wehrmacht im darauffolgenden Jahr 1935 in Verbindung stehen. Da diese sich als Rechtsnachfolger der einstigen königlichen Stiftung betrachtet, bemüht sie sich ab dem Jahr 1936 verstärkt darum, das Patronat über die Garnisonkirche zu erlangen. Um ihrem Anliegen Gewicht zu verleihen, argumentiert die Führung des Militärs, daß das Vermögen der Stiftung seinen Ursprung nicht nur in den Schenkungen des Königs Friedrich Wilhelms I. gehabt habe, sondern daß darin auch die Geldspenden von Offizieren und die Geldbeträge, die für den Bau des Gotteshauses unter den Angehörigen des Heeres gesammelt wurden, eingeflossen seien. Es ist bis heute nicht zu klären, ob diese Bemühungen zu einer rechtlich verbindlichen Regelung geführt haben, da die Akten des Heeresarchivs, in denen sich diese Information befinden müßte, im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen sind. Fest steht lediglich, daß es keinerlei diesbezügliche Änderungen im Grundbuch gegeben hat[89]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[90]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995..
Auch wenn die Garnisonkirche im öffentlichen Leben der Stadt keine bedeutende Rolle mehr spielt, ist sie doch weiterhin als Veranstaltungsort für Konzerte beliebt. So tritt beispielsweise der Leipziger Thomanerchor in der Zeit zwischen 1935 und 1942 mehrfach hier auf[91]Auf der Website musiconn.performance sind beispielsweise mehrere dieser Konzerte aufgeführt, so
am 5. Mai 1935 mit Kantaten von Johann Sebastian Bach,
am 7. Oktober 1937 mit Werken von Johann Nepomuk David,
am 5. Mai 1940 mit Werken von Jacobus Gallus, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Max Reger und Ernst Pepping sowie
am 27. September 1942 mit der Johannespassion von Johann Sebastian Bach.
Siehe Suchergebnis: Konzerte mit dem Thomanerchor Leipzig in der Berliner Garnisonkirche in den Jahren 1935 bis 1942, Website musiconn.performance, abgerufen am 16. Juli 2022.. Und auch die Berliner Singakademie bringt in dem Gotteshaus alljährlich die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach zur Aufführung[92]Passion – weltweit, In: Neue Zeit, Jahrgang 2, Ausgabe 91 vom 18. April 1946, Seite 2..
Am 28. April 1938 verstirbt in Berlin der ehemalige Feldpropst Friedrich Gottlob Erich Schlegel[93]Feldbischof a. D. D. Schlegel †, 1938, Seite 8., der damit den von den deutschen Faschisten ein Jahr später mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkrieg nicht mehr miterleben muß. Der erneute Weltenbrand hat, genau wie der erste, unmittelbare Auswirkungen auf das Gemeindeleben in der Garnisonkirche, das nun einen regelrechten Niedergang erlebt und in das Feldbischof Franz Dohrmann immer seltener einbezogen ist. Bereits am 30. September 1939, rund einen Monat nach dem Beginn des Krieges, vollzieht er die letzte Trauung eines Zivilisten. Doch bei den Militärangehörigen sieht es kaum anders aus. Die Kirchenbücher verzeichnen, von ihm durchgeführt, die Trauung eines Offiziers am 26. September 1939, die des Generals Bernhard Oskar Robert Kühl am 7. Oktober desselben Jahres, dann keine mehr[94]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 131 f..
Dennoch geht das kirchliche Leben in der Garnisonkirche weiter. Bis in die Jahre 1944 und 1945 hinein sind in den Militärkirchenbüchern Einträge über kirchliche Amtshandlungen verzeichnet, die allerdings in ihrer Häufigkeit immer mehr abnehmen. So werden zivile Trauungen zunehmend seltener. Es ist Krieg. Große öffentliche Feiern, noch dazu in Militärkirchen, stehen nicht mehr sonderlich hoch im Kurs. Als ab 1940 die Bombenangriffe auf Berlin beginnen und in der Folgezeit stetig zunehmen, werden immer weniger Taufen und Konfirmationsfeiern in dem Gotteshaus abgehalten. So ziehen es viele Gemeindemitglieder vor, ihre Kinder zu Hause taufen zu lassen. Andere weichen auf die Garnisonkirche in Spandau, andere zivile Kirchen oder gar solche in anderen Städten aus. So sind die Anfang des Jahres 1943 in der Garnisonkirche vollzogenen Taufen die letzten, deren Zeuge das Gotteshaus wird[95]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995..
Das Ende der Kirche
In den ersten Kriegsjahren, als die Wehrmacht in Europa noch auf dem Vormarsch ist und die Kriegshandlungen das Territorium des Dritten Reiches noch nicht allgemein betreffen, haben die Faschisten noch Gelegenheit, ihre Planungen für die berüchtigte Welthauptstadt Germania voranzutreiben. Weil der Kiez der Spandauer Vorstadt diesen im Wege steht, ist es bereits ausgemacht, daß er beseitigt werden soll. Dabei stellt der in diesem Kiez gelegene Alte Garnisonfriedhof, auf dem Vertreter der preußischen Kriegskunst ebenso wie einige deutsche Geistesgrößen bestattet sind, ein gewisses Hindernis dar. Weil sich die Faschisten bisher gerne auf eben jene Persönlichkeiten als ihre Vorläufer und Urahnen beriefen, ist es ihnen nicht ohne Gesichtsverlust möglich, das Areal des Friedhofs einfach planieren zu lassen. Um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, wird 1942 ein sogenannter „Gräberkommissar“ eingesetzt, dessen Aufgabe es ist, alle Friedhöfe der Innenstadt zu begutachten und ihre Grabanlagen auf ihren geschichtlichen Wert hin einzuschätzen. Natürlich geht es dabei primär darum, einen begründbaren Vorwand für die Beseitigung der Bestattungsplätze zu finden, die aus welchem Grund auch immer unliebsam sind. Die Bewertung des Alten Garnisonfriedhofs findet daher auch unter dem Ausschluß von kultur- und kunsthistorischen Kriterien statt. So ist es wenig überraschend, daß lediglich ganze fünfzehn Gräber als erhaltenswert eingestuft werden. Das Ergebnis der Untersuchung stellt so gewissermaßen einen Freifahrtschein für die Vernichtung des Friedhofs aus. Lediglich die Wende im Krieg und der zunehmende Druck, unter den die Wehrmacht und das gesamte Dritte Reich in dessen weiterem Verlauf geraten, verhindern, daß diese tatsächlich in Angriff genommen wird. Als in der Folge die Front jedoch mehr und mehr auf die Reichshauptstadt zurückt und die Kampfhandlungen sie schließlich erreichen, nimmt der alte Begräbnisplatz in deren Ergebnis dennoch schweren Schaden. Die Kapelle wird völlig zerstört, die wertvollen Gitteranlagen um die Grabstellen gehen nahezu alle verloren und das Areal wird insgesamt schwer in Mitleidenschaft gezogen[96]Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995..
Der Garnisonkirche ergeht es noch schlechter. Der von Feldbischof Franz Dohrmann am 21. November 1943 abgehaltene Gottesdienst soll sich zwei Tage später als der letzte erweisen, der jemals in dem ehrwürdigen Gebäude stattfinden wird[97]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964.. Als am Abend des 23. Novembers die Bomber der Alliierten im Anflug auf Berlin sind, um einen der ersten großen Nachtangriffe auf die Stadt zu starten, regnen kurze Zeit später unzählige Bomben auf deren Zentrum nieder. Als mehrere dieser todbringenden Waffen, bei denen es sich vornehmlich um Spreng- und Brandbomben handelt, die Garnisonkirche treffen, läßt das durch sie ausgelöste Feuer das Gotteshaus zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert zur Ruine ausbrennen[98]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 115.. Und dieses Mal bleiben, im Gegensatz zum großen Brandunglück von 1908, tatsächlich nur die Außenmauern übrig[99]„Hier wohnt der Geist des Friedens“, In: Neue Zeit, Jahrgang 8, Ausgabe 259 vom 5. November 1952, Seite 6.. Alles andere wird restlos vernichtet. Die Sauer-Orgel – zerstört[100]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 162.. Die Kopien der Bilder des Christian Bernhard Rode – verbrannt[101]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 142.. Das Altarbild „Der segnende Christus“ von Anton von Werner – vernichtet[102]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 152.. Der von Friedrich August Stüler geschaffene Ziborium-Altar, der sich noch immer in einem der Nebenräume des Kirchengebäudes befunden hatte, stürzt aus diesem herab und schlägt, schwere Schäden erleidend, im nordwestlichen Bereich der Gruft auf, ganz in der Nähe von deren 1909 geschaffenem zweiten Eingang[103]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 148 ff..
Bei diesem Angriff wird die hinter der Garnisonkirche gelegene alte Feldpropstei in der Frommelstraße 1 ebenfalls vollständig zerstört[104]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 132.. Und auch die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichteten anderen Garnisonkirchen können im weiteren Verlauf des Krieges den Zerstörungen nicht entgehen. Die katholische Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken erleidet bei einem Bombenangriff 1944 schwerste Schäden. Und noch in den letzten Kriegstagen trifft es dann auch die zweite katholische Garnisonkirche im Berliner Bezirk Neukölln, die allerdings trotz der davongetragenen Schäden weiterhin benutzbar bleibt. Lediglich die einstige zweite evangelische Garnisonkirche auf dem Südstern übersteht den Zweiten Weltkrieg unversehrt[105]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seiten 112 f..
Das Ende der Gemeinde
Als am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg zumindest in Europa endet, steht in der Umgebung der Garnisonkirche kaum noch ein Stein auf dem anderen. Das Zentrum Berlins ist nahezu vollständig in Schutt und Asche versunken. Und doch geht das Leben in der zerstörten Stadt weiter. Auch zur Garnisonkirche kehrt es zurück. Bereits im Sommer dieses Jahres verwandeln etwa einhundert Jungen und Mädchen der 26. und 27. Volksschule das Trümmerfeld, zu dem der Pfarrgarten des Gotteshauses im Krieg geworden war, in ein fruchtbares Stück Land, auf dem sie Gemüse anbauen. Bereits in den Jahren des Ersten Weltkriegs hatte der Lehrer August Heyn seine Idee in die Tat umgesetzt, innerstädtisches Öd- und Bauland von Schülern gärtnerisch bearbeiten zu lassen. Wollte er in der entbehrungsreichen Zeit der Kriegsjahre damit zunächst dem Hunger begegnen und der Jugend eine Perspektive bieten, entwickelte er daraus schließlich die Idee der sogenannten „Gartenarbeitsschulen“, deren erste er im Jahre 1919 gegründet hatte. Wie so vieles, was sie in die Finger bekamen, hatten die deutschen Faschisten nach ihrer Machtergreifung 1933 auch diese Schulen entweder beseitigt oder aber in Lehreinrichtungen umgewandelt, deren Ausrichtung die ursprünglichen Ziele verfälschte und sie so verdarb. Nun, nach dem Ende von Krieg und faschistischer Gewaltherrschaft, erinnert man sich wieder an Heyns originale Idee und versucht, an sie anzuknüpfen. Um die Schüler in den Genuß eines wahrhaft naturkundlichen Unterrichts kommen zu lassen, den sie bei praktischer Gartenarbeit in Licht, Luft und Sonne erleben können, möchte man die Gartenarbeitsschulen in Berlin wiederbeleben. Daß sie auch einen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung leisten können, begünstigt die Entscheidung zusätzlich. Um die Erfolgsaussichten dieses Unternehmens so weit wie möglich zu erhöhen, beauftragt man mit August Heyn den Erfinder dieser Lehranstalten höchstpersönlich mit ihrer Organisation. Und dieser macht sich sofort ans Werk. Sein Ziel ist es, daß irgendwann jeder Berliner Schule eine solche Gartenarbeitsschule angegliedert ist. Doch zunächst muß ein Anfang gemacht werden. Im Pfarrgarten der einstigen Garnisonkirche erhält jedes Kind ein eigenes Beet, das es in eigener Verantwortung bestellt. Darüberhinaus werden zusätzlich Flächen abgesteckt, die als Gemeinschaftsbeete von allen Kindern gemeinsam bearbeitet werden. Das Projekt stößt schnell auf Begeisterung und erfährt viel Unterstützung. Schon kurze Zeit später entsteht eine zweite solche Schule im Garten des einstigen Schlosses Monbijou an der Oranienburger Straße und bald darauf eine dritte im Garten des Prinzessinnenpalais‘ in der Straße Unter den Linden. Unterstützung erfährt Heyn vom neu eingerichteten Planungsamt für Gemüseanlagen, während das Finanzamt für Liegenschaften die benötigten Ländereien zur Verfügung stellt. Um die Lieferung der Pflanzen kümmern sich das Haupternährungsamt und die städtischen Gärtnereien. Unter diesen Voraussetzungen gerät die Erntezeit im darauffolgenden Herbst für die im Garnisonpfarrgarten arbeitenden Mädchen und Jungen zu einem vollen Erfolg. Und weil das in den anderen Schulen ebenfalls der Fall ist, arbeitet man bereits daran, diese zu regelrechten Schulfarmen auszubauen, mit Bienenständen, Kleintierhaltung und vielem mehr. Weil einem solchen Vorhaben inmitten der Stadt dann aber doch gewisse Grenzen gesetzt sind, richtet man dafür auch Schulgelände am Stadtrand ein, beispielsweise in Buchholz[106]Zeitbilder aus einer genesenden Großstadt, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 1, Ausgabe 146 vom 1. November 1945, Seite 2.[107]Gartenarbeitsschulen für Berlin, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 2, Ausgabe 77 vom 2. April 1946, Seite 2..
Auf diese Weise entwickelt sich auf dem Gelände der einstigen Garnisonkirche bereits im Jahr des Kriegsendes ein Projekt, das einen wirklichen Lichtblick in all dem von Faschismus und Krieg hinterlassenen Chaos, in all der Zerstörung darstellt und einen Weg in eine positivere Zukunft weist. Allein, es stellt sich dennoch die Frage, wie es so ohne weiteres möglich ist, den Pfarrgarten dieser Nutzung zuzuführen, gehört er doch eigentlich der Garnisongemeinde beziehungsweise der Stiftung der Garnisonkirche. Die Antwort ist so einfach wie merkwürdig: eine Garnisongemeinde gibt es nicht mehr.
War das Gemeindeleben in und um die Garnisonkirche bis in die letzten Kriegstage noch mehr oder weniger lebendig gewesen, bricht es jetzt, da das Kirchengebäude verloren ist, innerhalb kürzester Zeit vollständig zusammen. Nun ist diese Situation in der Geschichte der Garnisonkirche und ihrer Gemeinde keineswegs einzigartig. Daß die Gemeinde ihr Gotteshaus verlor, war in der Vergangenheit schließlich schon des öfteren vorgekommen, ohne daß es deswegen zu einer vergleichbaren Entwicklung gekommen wäre. Was also war dieses Mal anders? Der Grund dürfte darin zu suchen sein, daß mit dem Ende des Krieges und der Kapitulation Deutschlands das Militär des Landes aufgehört hatte zu existieren. Das Land steht nun vollständig unter alliierter Verwaltung. Ohne militärische Behörden, die für den Erhalt von Kirche und Gemeinde sorgen, aber auch ohne eigenen Pfarrer und ohne Feldbischof – mit dem Ende des Krieges und der Wehrmacht war auch dieses Amt nicht mehr existent – gibt es niemanden mehr, der das Gemeindeleben zusammenhalten und sich beispielsweise um Ausweichorte für Gottesdienste bemühen könnte. Und weil die Garnisongemeinde stets den Status einer eng mit dem Militär verbandelten Personalgemeinde besessen hatte, fehlt ihr jegliche Bindung an die Landeskirche, von der sie somit auch keine Unterstützung zu erwarten hat. In der Folge kommt es zu dem sowohl in der Kirchen- als auch in der Stadtgeschichte erstaunlichen Phänomen, daß diese Gemeinde, die mehrere Jahrhunderte lang das öffentliche Leben Berlins mitgeprägt hatte, nun still und spurlos verschwindet[108]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995..
Die Ruine der Garnisonkirche, die wie so viele andere zerstörte Gebäude derweil zum Abenteuerspielplatz für die Kinder avanciert, untersteht als ehemalige Einrichtung der Wehrmacht nun dem Alliierten Kontrollrat – ein Umstand, der ebenso den Alten Garnisonfriedhof betrifft[109]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.[110]Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995.. Allerdings ist von diesem Gremium nicht zu erwarten, daß es sich für die Belange eines Gebäudes einsetzt, daß einst als Militärkirche für die Armee des besiegten Feindes diente. Da sie nun aber auch keine eigene Gemeinde mehr hat, besitzt die Garnisonkirche keinen einzigen Fürsprecher mehr, der sich für ihren Erhalt einsetzen könnte. Das ist um so bedauerlicher, als sich unter der Ruine des Gotteshauses noch dessen intakte Gruft befindet, bei der es sich nach wie vor um einen historisch wertvollen Begräbnisplatz handelt, in dem zahlreiche Persönlichkeiten der preußischen Militärgeschichte bestattet sind.
Das Ende der Gruft
Und so kommt es, wie es wohl kommen muß. In der entbehrungsreichen Zeit der Nachkriegsjahre ist für viele Menschen die Gewährleistung ihres Lebensunterhalts eine Sorge, mit der sie tagtäglich befaßt sind. Nicht alle beschränken sich dabei auf rein ehrliche Wege. Diebstähle sind an der Tagesordnung. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis Diebe auf ihrer steten Suche nach Wertsachen, die sich veräußern und zu Geld machen lassen, die altehrwürdige Garnisongruft als mögliche Quelle ins Auge fassen. Ein erster Einbruch datiert aus dem Jahr 1947. Die Polizei, der eine entsprechende Meldung zuging, kann lediglich feststellen, daß dabei etwa fünfzehn Särge aufgebrochen und gefleddert worden sind. Als sie in der Folge die Umgebung der Garnisonkirche ein halbes Jahr lang intensiver beobachtet, gelingt es ihr, zwei Grabschänder auf frischer Tag zu stellen. Als Reaktion auf diese wiederholten Plünderungsversuche mauert man die Eingänge zur Gruft schließlich mit Ziegeln zu[111]Auf den Sohlen des Generals von Tettau, In: Neues Deutschland, Jahrgang 3, Ausgabe 231 vom 3. Oktober 1948, Seite 6..
Allein, es nützt nichts. In der Nacht vom 14. auf den 15. September 1948 ereignet sich ein weiterer Einbruch. Weil man nach der Schließung der Zugänge die Gruft gesichert glaubte und die Beobachtung des Geländes daher eingestellt hatte, haben die Diebe alle Zeit der Welt, die Vermauerung an einem Grufteingang soweit zu entfernen, daß sie ungehindert Zugang erlangen[112]Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.. Was sie in ihrem Bestreben, so viele Wertsachen wie möglich zu erbeuten, anschließend in der Gruft anrichten, beschreibt die Zeitung Neues Deutschland in einem einige Tage nach dem Einbruch erschienenen Artikel ausführlich:
Die Deckel der 200 mächtigen, kunstvoll beschlagenen Eichensärge sind aufgerissen. Überall liegen Hobelspäne verstreut, mit denen die letzten Ruhekissen der einstigen Exzellenzen, Generale, Fürsten, Gräfinnen und Baronessen gestopft waren.
Die Leichenfledderer haben ganze Arbeit geleistet. Sie scheinen auch voll auf ihre schaurige Rechnung gekommen zu sein. Das erkennt man allein schon an den abgezwickten oder einfach abgebrochenen Ringfingern der Toten, die übrigens fast alle Handschuhe tragen. Die Damen zierliche, aus feinem Glanzleder, die Herren meist grobe wildlederne Erzeugnisse mit mächtigen, bunt bestickten Stulpen. Da, wo die Handschuhe abgenommen sind, kommen bei den Damen sorgfältig manükierte [sic!], rosa lackierte Fingernägel zum Vorschein. Aufgerissene Kiefer und lückenhafte Gebisse lassen darauf schließen, daß man hier Goldzähne gesucht, gefunden und herausgebrochen hat. Die bunten, mit scharlachrotem Tuch gefütterten Waffenröcke der alten Generale und die Samt- und Seidenblusen ihrer Hofdamen sind auf der Brust aufgeknöpft oder aufgeschnitten. Vermutlich hat man wertvolle Ketten und Medaillone gesucht. Orden, die auf den zahlreichen Waffenröcken mit Recht vermutet werden könnten, fehlen durchweg. […]
Auffallenderweise hatten die weiblichen Leichen fast durchwegs nur Strümpfe an den Beinen. Man kann annehmen, daß ihre mit Perlen und Halbedelsteinen besetzten Schuhe eine Beute der Leichenfledderer geworden sind. Gut erhalten sind dagegen noch die Stiefel der Herren. Zwar sind die Oberteile schon etwas brüchig, dafür aber lassen Sohlen und Absätze bestes Kernleder erkennen. Das scheint die nächtlichen Besucher bewogen zu haben, von zahlreichen Stiefelpaaren die Sohlen kunstgerecht abzutrennen. Da es sich – aus den blanken Täksen zu schließen – in jedem Falle um neue Schuhe handelte, dürfte man in der Annahme nicht fehlgehen, daß so mancher Berliner, der in der letzten Zeit auf dem Schwarzen Markt Sohlen erstand, heute seine trockenen Füße irgendeiner Exzellenz aus der Alten Garnisonkirche verdankt. Auch dem General Daniel von Tettau, der, wie die Tafel über ihm besagt, am 11. September 1709 in der Schlacht bei Malplaquet fiel und im Oktober des gleichen Jahres hier beigesetzt wurde, gucken die nackten Füße aus seinen säuberlich entsohlten Langschäftern.[113]Zitiert aus Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.
Die von der Zeitung angegebene Anzahl der Särge ist von ihr aufgerundet worden. Tatsächlich waren exakt 193 Särge in der Gruft verblieben, nachdem man in den 1870er Jahren die Gruft nach ihrem andauernden Verfall wiederhergestellt hatte.
Nachdem die Polizeiinspektion Mitte dem Berliner Magistrat den großangelegten Einbruch in die Gruft der einstigen Garnisonkirche meldet, erhält sie von diesem am 17. September 1948 die Zusicherung, daß die Toten der Gruft bis spätestens zum 20. September umgebettet würden. Die Frist verstreicht, doch nichts geschieht[114]Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.. Man hat in jenen Jahren andere Sorgen, als sich um die Toten in der geplünderten und ramponierten Gruft der einstigen Traditions- und Erinnerungsstätte des preußisch-deutschen Militärs zu kümmern. So müssen diese weiterhin auf einen würdigen Ort für ihre letzte Ruhe, in der sie so rüde gestört wurden, warten.
Daß auch in der Zeit zwischen der großangelegten Wiederherstellung der Gruft in den 1870er Jahren bis zur Zerstörung der Garnisonkirche 1943 die Besucher der Grablege den darin bestatteten Toten keineswegs nur respektvoll begegnet sind, beweisen einige Funde, die im Zuge der Begutachtung der Schäden gemacht wurden und von denen das Neue Deutschland ebenfalls berichtet:
[…] Ein Kartengruß von Hildegard aus Hamburg, die ihrem Willi mitteilt, „daß das erste Ziel erreicht sei“, liegt neben einem abgegriffenen „Feldgesangbuch für evangelische Mannschaften des Heeres von 1897“. Zwischen verstreuter Holzwolle finden wir noch einen drei Seiten langen, engbeschriebenen, himmelhochjauchzenden Liebesbrief, den in Darmstadt in der Liebigstraße 25 am 29. März 1922 „gegen 9¾ Uhr abends“ ein Wilfried Rumpe an seine Grete Olbrig, – „Du allerliebstes Herzensmädel!“ – nach Elberfeld, Hölzerstraße 17, geschrieben hat. Es wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben, wie dieser vor zweieinhalb Jahrzehnten geschriebene Brief ausgerechnet in die Holzwolle unter den Allerwertesten des Freiherrn von und zu Ucklitz in der Gruft der alten Exzellenzen kam.[115]Zitiert aus Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.
Als am 30. September die im Westteil der Stadt erscheinende Tageszeitung „Telegraf“ in großer Aufmachung über den Einbruch und die Grabschändung in der Gruft der Garnisonkirche berichtet, bekommt der Vorfall – wenn auch nur in kleinem Rahmen – noch eine weitere Dimension. Er wird zum Gegenstand der beginnenden Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Die Zeitung „Neues Deutschland“ kritisiert, daß der „Telegraf“ den Eindruck erwecke, es handle sich um ein neues Ereignis, das infolge mangelnder Beaufsichtigung des Tatorts durch die Polizei im Ostteil der Stadt möglich wurde, während tatsächlich aber der bereits zwei Wochen zurückliegende Einbruch Gegenstand seines Berichtes sei[116]Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.. Und sie resümiert:
Selbst die Toten müssen also herhalten, um dem „Telegraf“ Gelegenheit zu geben, die Volkspolizei des Ostsektors zu diffamieren.[117]Zitiert aus Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6.
Während die Ruine der Garnisonkirche weiter vor sich hin rottet, sind anderswo bereits Wiederaufbauarbeiten im Gange. So ist man beispielsweise mit der Wiederherstellung der nahegelegenen Marienkirche beschäftigt, als man unverhofft auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung neuer Glocken stößt. Um das Problem zu lösen, erwägt man, die Glocken der Garnisonkirche, die deren Zerstörung offenbar überstanden haben, im Turm der Marienkirche anzubringen[118]Blick auf Berlin: Turmspezialist für die Domkuppel, In: Neue Zeit, Jahrgang 4, Ausgabe 139 vom 18. Juni 1948, Seite 3.. Wie es scheint, ist es jedoch nicht dazu gekommen.
Daß Gleiches für die Garnisonkirche nicht in Angriff genommen wird, hat damit zu tun, daß sich aus den bereits genannten Gründen niemand für sie zuständig fühlt. Als dann die Deutsche Treuhandverwaltung der Groß-Berliner Grundstücksverwaltungs-AG den Auftrag erteilt, einen neuen Nutzer für das Kirchengebäude zu finden, scheitert diese grundlegend[119]Dieter Weigert: Ein verschwundenes Berliner Baudenkmal: Die Alte Garnisonkirche, Website FOBI Lilienstern, abgerufen am 11. Juli 2022.. Da das Gotteshaus in seinem aktuellen Zustand praktisch für nichts zu gebrauchen ist, erforderte jedwede Nutzung zunächst einen grundlegenden Wiederaufbau. Das ist der Grund, warum sich niemand mit der Ruine abgeben will.
Im Juli 1949 kommt es erneut zu einem großangelegten Einbruch in die Gruft. Wieder sind umfangreiche Zerstörungen die Folge. Diesmal werden sogar Sargdeckel entwendet, deren Holz vermutlich zum Heizen genutzt werden soll[120]Umbettung aus der Garnisonkirche, In: Neue Zeit, Jahrgang 5, Ausgabe 259 vom 4. November 1949, Seite 5.. Nachdem eine Umbettung der Toten im Jahr zuvor vom Magistrat der Stadt zwar bereits zugesagt, dann jedoch nicht umgesetzt worden war, wird man dieses Mal deutlich aktiver. Im September besichtigen Vertreter der Stadtregierung des Ostteils der Stadt und der evangelischen Kirche gemeinsam die Grablege, um sich aus erster Hand einen Eindruck von deren Zustand zu verschaffen. Was sie dabei feststellen, ist wahrlich erschütternd. Viele der mumifizierten Toten befinden sich mittlerweile gar nicht mehr in ihren Särgen, aus denen die Diebe sie offenbar auf der Suche nach weiteren Wertsachen herausgenommen hatten. Man schätzt, daß man für kaum zehn Prozent dieser Leichen überhaupt noch feststellen kann, aus welchen der Särge die jeweiligen Schädel und Gebeine stammen. Weil man angesichts des Gesehenen offenbar zu dem Schluß kommt, daß ein weiteres Bestehen der unterirdischen Begräbnisstätte nicht mehr in Frage kommt, diskutiert man in einem Bericht über die Besichtigung verschiedene Möglichkeiten, wie mit den sterblichen Überresten der in der Gruft Bestatteten verfahren werden könne. Den offenbar bereits diskutierten Vorschlag einer Überführung auf den Friedhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf lehnt man aufgrund des geschätzten Platzbedarfs von sechshundert Quadratmetern und den damit verbundenen „erheblichen Unkosten“ ab. Stattdessen schlägt man vor, die Schädel und Gebeine entweder ohne Särge in einer gemeinsamen Gruft „irgendwo in Berlin“ zu bestatten oder aber sie im Krematorium am Baumschulenweg zu verbrennen und die Asche dann irgendwo beizusetzen. Für die dafür nötigen Arbeiten veranschlagt man eine Dauer von vier bis sechs Wochen unter Einsatz von sechs bis zehn Arbeitern. Dies sei nötig, da infolge der Kriegszerstörungen verschiedene Stellen der Gruft total verschüttet seien, was es erforderlich mache, erst einmal Gesteinsbrocken beiseite zu räumen, bevor man überhaupt an die Särge kommen könne[121]Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 132 f.
Insbesondere ist dort eine Abbildung des genannten Berichtes zu sehen..
Als der Ost-Berliner Magistrat am 3. November 1949 zu seiner 48. Sitzung zusammentritt, haben sich die Umstände allerdings schon wieder geändert, denn nun wird beschlossen, daß die noch in der Gruft befindlichen Särge in ihrer Gesamtheit doch auf den Friedhof der Berliner Stadtsynode in Stahnsdorf überführt werden sollen[122]„Heimstätte Berlin“ – Beschlüsse der 48. Magistratssitzung, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 5, Ausgabe 259 vom 4. November 1949, Seite 6.
In dem Bericht ist – wie auch in anderen Berichten jener Tage – von 199 Särgen die Rede. Es handelt sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Fehler, da man in den 1870er Jahren nur 193 Särge in der Gruft belassen hatte.
Das genaue Datum der Magistratssitzung wird in dem Zeitungsartikel nicht genannt. Es wurde dem folgenden Buch entnommen: Stefi Jersch-Wenzel & Reinhard Rürup (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer, Band 3: Staatliche Archive der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München, 1999, ISBN 3-598-22443-5, Seite 96.. Darauf basierend stellt die Stadtregierung die benötigten finanziellen Mittel bereit und die Arbeiten zur Umbettung der sterblichen Überreste der in der Grablege Bestatteten beginnen. Auf dem Stahnsdorfer Friedhof wird unweit der großen Kapelle im Block Epiphanien, Feld 1a ein Bereich für die neue Grabanlage abgesteckt. Das erforderliche Einvernehmen mit dem Berliner Stadtsynodalverband hatte der Magistrat bereits im Vorfeld hergestellt. Vermutlich dem schlechten Zustand geschuldet, in dem sie sich nach den mehrfachen Einbrüchen in die Gruft befinden und der bei vielen eine genaue Identifikation unmöglich macht, erhalten die Toten der Garnisonkirche keine individuellen Ruhestätten, sondern werden nun in einem gemeinsamen Grab bestattet, auf dem man eine steinerne Gedenktafel plaziert, in den die eingangs erwähnte Inschrift eingraviert wird[123]Umbettung aus der Garnisonkirche, 1949, Seite 5.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß nahezu alle später erschienenen Sekundärquellen davon sprechen, die Umbettung habe im Oktober 1949 stattgefunden. Wenn das so gewesen sein sollte, so haben wir zumindest bisher keine dies bestätigende Primärquelle gefunden. Es bliebe dann aber auch die Frage offen, warum man bereits im Oktober mit der Umbettung begonnen haben soll, wenn doch der Ost-Berliner Magistrat den Beschluß zu ihrer Durchführung erst am 3. November 1949 gefaßt hatte.. Es werden jedoch nicht alle der einst in der Gruft Bestatteten auf den Südwestkirchhof Stahnsdorf gebracht. Für einige Särge führt der Weg stattdessen auf den Garnisonfriedhof an der Müllerstraße[124]Heinrich Lange: Adolph Menzels „alte Bekannte“, In: Berlinische Monatsschrift, Heft 9/98, Edition Luisenstadt, Berlin, 1998, Seite 54.. Die nun leergeräumte Gruft wird an ihren Eingängen mit Stacheldraht gesichert. Allerdings verzichtet man vorerst darauf, sie endgültig zuzuschütten[125]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995..
Weil man nach wie vor Niemanden begeistern kann, die Kirchenruine und deren Grundstück zu übernehmen und zu nutzen, die Stadt aber momentan auch andere Sorgen hat, als sich um einen Wiederaufbau der alten Militärkirche zu bemühen, erwägt man nun, da die Gruft aufgelöst ist, die Überreste der Alten Garnisonkirche zu sprengen und so endgültig zu beseitigen. Zwar findet diese Idee ihren Weg in die Zeitungsspalten, umgesetzt wird sie jedoch nicht[126]Umbettung aus der Garnisonkirche, 1949, Seite 5..
Aus und vorbei
Am 10. Mai 1951 erhält die Ruine der Garnisonkirche ebenso wie ihr Pfarrhaus, das den Krieg unzerstört überstanden hatte, eine neue Adresse, als man die Neue Friedrichstraße umbenennt. Weil sich an diesem Verkehrsweg auch das Kammer-, das Land- und das Bezirksgericht des Ostteils der Stadt befinden, verleiht man ihm nun den Namen Littenstraße. Geehrt wird damit der Jurist Hans Litten, der in der Weimarer Republik als „Arbeiter-Anwalt“ bekannt war. Von den deutschen Faschisten, deren Gegner er war, 1933 verhaftet, starb er nach jahrelanger physischer und psychischer Mißhandlung 1938 im Konzentrationslager. Doch auch wenn in ihren jeweiligen Adressen nun ein anderer Straßenname steht, so bleiben die Hausnummern von Kirche und Pfarrhaus doch unverändert[127]Ernst Reuß: Endzeit und Neubeginn. Berliner Nachkriegsgeschichten, Metropol Verlag, Berlin, 2022, Seiten 187 ff. via Website Historisches Sachbuch, abgerufen am 18. Juli 2022..
Im selben Jahr wird schließlich der Alte Garnisonfriedhof endgültig geschlossen[128]Jörg Kuhn: Der Alte Garnisonfriedhof und seine kunsthistorisch bedeutenden Grabmale, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2.. Noch im Frühjahr 1945 hatte man dort in vier Massengräbern mehr als fünfhundert Menschen, die in den letzten Kämpfen um die Stadt ums Leben gekommen waren, beigesetzt[129]Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995.[130]Dieter Weigert: Miles Perpetuus – 350 Jahre stehendes Heer in der Mark, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 24.
Weigert spricht von weit mehr als eintausend bestatteten Opfern der letzten Kriegstage. Da sich diese Diskrepanz zwischen den beiden Quellen nicht ohne weiteres auflösen läßt, haben wir uns entschieden, der Angabe in der vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof herausgegebenen Publikation zu folgen..
Am 16. Oktober 1954 segnet der einstige Organist der Garnisongemeinde, Otto Becker, im Alter von 84 Jahren das Zeitliche. Nach seinem Wechsel an die Potsdamer Garnisonkirche im Jahre 1910 war er bis zu deren Zerstörung im April 1945 dort als Kantor, Organist und Glockenspieler tätig gewesen und als solcher gewissermaßen eine Potsdamer Berühmtheit geworden. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Neuen Friedhof der Stadt[131]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964.[132]„Ein Amt von Gottes Gnaden“, In: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 23. Februar 2020..
Mittlerweile ist die unmittelbare Nachkriegszeit vorüber und die politische Landschaft in der Mitte Europas hat sich grundlegend verändert. Mit Deutscher Demokratischer Republik und Bundesrepublik Deutschland sind aus dem einstigen Deutschen Reich zwei deutsche Staaten hervorgegangen, die, eingebunden in entsprechende politische Blöcke, einander unversöhnlich gegenüberstehen. Die einstige Hauptstadt Berlin ist nun eine geteilte Stadt, von der nur der Ostteil noch den Status einer Hauptstadt besitzt. Dennoch ist – auf beiden Seiten – in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts immer wieder auch der Gedanke an eine Wiedervereinigung des Landes präsent. Meistens natürlich gedacht unter den Vorzeichen des eigenen politischen Systems.
Auf westlicher Seite schreibt beispielsweise der Senator für Bau- und Wohnungswesen Westberlins im März 1955:
Bundesregierung und Land Berlin werden eines Tages – möglicherweise sehr überraschend – vor der Aufgabe stehen, die Regierung eines wiedervereinigten Deutschlands in der Hauptstadt Berlin unterzubringen. […] Improvisationen können hier keine gute Lösung bringen.[133]Zitiert nach Carola Hein: Jørn Utzon – Hauptstadt Berlin 1958, In: Carsten Krohn (Hrsg.): Das ungebaute Berlin – Stadtkonzepte im 20. Jahrhundert, Dom Publishers, Berlin, 2010, Seiten 143 ff.
Der von ihm daraufhin vorgeschlagene gesamtdeutsche städtebauliche Ideenwettbewerb wird in den Jahren 1957 und 1958 unter dem Namen „Berlin-Bundeshauptstadt“ beziehungsweise „Hauptstadt Berlin“ ausgeschrieben. Ausdrücklich geht es darin um eine Gestaltung des Berliner Zentrums unter Einbeziehung des östlichen Teils der Stadt, was dort zu jener Zeit natürlich als recht provokant empfunden wird. Interessant ist in jedem Fall, daß in den den Teilnehmern vom vorbereitenden Ausschuß zur Verfügung gestellten Wettbewerbsunterlagen eine Reihe von Gebäuden der östlichen und westlichen Berliner Innenstadt als unbedingt erhaltenswert gekennzeichnet sind und daß sich unter diesen auch die Alte Garnisonkirche befindet[134]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117, Fußnote 30.[135]Carola Hein: Jørn Utzon – Hauptstadt Berlin 1958, 2010, Seiten 143 ff..
Auswirkungen auf den Ostteil der Stadt hat dieser Wettbewerb angesichts der politischen Verhältnisse natürlich keine. Doch auch dort ist man derweil keineswegs untätig, sondern arbeitet an Konzepten zum Wiederaufbau der immer noch weitgehend zerstörten Stadt. Und so startet am 7. Oktober 1958 auch hier ein Wettbewerb, der zwar keinen so griffigen Namen aufweisen kann, doch dafür weitaus mehr Aussichten darauf hat, mit seinen Ergebnissen im Umfeld der Garnisonkirche tatsächlich etwas zu bewirken. Der „Ideenwettbewerb zur sozialistischen Umgestaltung der Hauptstadt der DDR, Berlin“, der bis zum 15. April 1959 laufen soll, bezieht sich auf den Kern des östlichen Stadtzentrums, das sich zwischen dem Brandenburger Tor und dem Alexanderplatz erstreckt. Von vornherein steht fest, daß das von Alexanderplatz, Rathausstraße, Marx-Engels-Platz, der heute wieder Schloßplatz heißt, und Karl-Liebknecht-Straße begrenzte Areal als sogenannter Raum städtischer Öffentlichkeit vorgesehen ist. Obwohl die Garnisonkirche sich nicht innerhalb dieses Bereichs befindet, wird ihr Standort natürlich in die Planungen einbezogen. Im Gegensatz zum Westberliner Wettbewerb wird für sie keine Bestandsgarantie ausgesprochen. Und so sehen die ersten Entwürfe in diesem Wettbewerb ganz folgerichtig komplette Neuplanungen vor, in denen das Kirchengebäude keinen Platz mehr hat[136]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seiten 115 f.
In Fußnote 31 auf Seite 117 gibt Barbara Kündiger als Beispiele für solche Entwürfe die von A. Naumov und anderen sowie von Gerhard Kröber und anderen an..
Als der „Ideenwettbewerb zur sozialistischen Umgestaltung der Hauptstadt der DDR, Berlin“ in den Jahren 1959 bis 1960 in seine zweite Phase eintritt, geht man in dieser von einem innerstädtischen Verkehrsnetz aus, das zur Erschließung des Zentrums vier Verbindungen in Ost-West-Richtung und vier weitere in Nord-Süd-Richtung erhalten soll, was im Falle der Realisierung eine komplette Neustrukturierung der Verkehrswege im alten Stadtkern bedeuten würde. Eine der Nord-Süd-Verbindungen soll dabei von der Holzmarkt- über die Stralauer zur Spandauer Straße verlaufen, wo man schließlich einen Durchbruch zur Rosenthaler Straße plant, der zwangsläufig an der Garnisonkirche vorbeilaufen muß[137]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 116..
Mehr und mehr beginnt sich im Zuge dieser Planungen die Idee zu verfestigen, daß die alte Garnisonkirche der Neugestaltung des weitgehend zerstörten Innenstadtbereichs weichen solle und abgerissen werden muß. Dies bewegt Stadtbaudirektor Erhardt Gißke dazu, in einem Brief an das Stadtbezirksbauamt Mitte zu intervenieren:
Wir sind nicht der Ansicht, daß die Ruine der Garnisonkirche abgerissen werden muß. Es handelt sich dabei um eine [sic!] der wenigen Bauten aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, die wir noch besitzen. Das lose Mauerwerk ist von Ihrer Bauaufsicht im September 1960 beseitigt worden und bildet somit keine Gefahrenquelle. Außerdem ist die Sportanlage so weit entfernt von dem Bauwerk, daß dieses die Sporttreibenden nicht gefährdet. Es wäre zu wünschen, daß von Ihnen aus bald eine Nutzung für dieses Gebäude gefunden wird; wie wir wissen, ist die Humboldt-Universität daran interessiert.[138]Zitiert nach Geschichte der Kirche, Website Alter Berliner Garnisonfriedhof, abgerufen am 18. Juli 2022.
Auf der Website ist das Schreiben im Original abgebildet.
Wie weit das von Gißke erwähnte Interesse der Humboldt-Universität tatsächlich geht, ist heute nicht mehr genau nachzuvollziehen. Es gilt als wahrscheinlich, daß die Lehranstalt, quasi als Ergänzung zu dem inzwischen in der Nähe entstandenen Sportplatz, in dem Gebäude eine Turnhalle einrichten will. Tatsächlich hat Gißke mit seinem Einspruch zunächst Erfolg. Zwischen ihm und dem Stadtbezirksbauamt Mitte kommt es zu einer Einigung, in deren Ergebnis beschlossen wird, das alte Gotteshaus stehenzulassen. Vorläufig jedenfalls[139]Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995.
Eine handschriftliche Notiz auf dem Schreiben Gißkes an das Stadtbezirksbauamt Mitte bestätigt diese Einigung. Siehe Abbildung des Schreibens in Geschichte der Kirche, Website Alter Berliner Garnisonfriedhof, abgerufen am 18. Juli 2022..
Indes geht der Ideenwettbewerb ohne brauchbares Ergebnis zu Ende. Das Preisgericht stellt am Ende seiner Begutachtung der eingereichten Entwürfe fest, daß es unter ihnen allen keinen entdecken kann, der „in der Gesamtlösung“ überragend ist und einen ersten Preis erhalten kann[140]Jörn Düwel: Ein neuer Städtebau zur Legitimation der DDR – Der zentrale Platz in Berlin, In: Andreas Engwert & Hubertus Knabe (Hrsg.): Der rote Gott – Stalin und die Deutschen, Katalog zur Sonderausstellung, Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte und Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Berlin, 1. Auflage, 2018, Seiten 115 f.. In der Folge werden die Architekten Josef Kaiser, Hans Gericke, Peter Schweizer, Dorothea Tscheschner und Hubert Martinetz beauftragt, einen Entwurf für die Gestaltung des neuen Zentrums zu liefern[141]Verena Pfeiffer-Kloss: Die Macht der Abwesenheit – Zur städtebaulichen Gestaltungsdebatte um den Stadtplatz unter dem Berliner Fernsehturm, ISR Impulse Online 56, Universitätsverlag der TU Berlin, Berlin, 2015, ISBN 978-3-7983-2739-9, Seite 44.. Dieser mündet schließlich in einen Bebauungsplan, den die Berliner Stadtverordnetenversammlung bei ihrer Abstimmung über den Zentrumsaufbau am 20. April 1961 annimmt. Damit ist das Schicksal der Garnisonkirche besiegelt, denn in diesem Bebauungsplan kommt das alte Gotteshaus nicht mehr vor[142]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117..
In der Folge wird das Kirchengrundstück in Volkseigentum überführt, was durch Änderung der entsprechenden Grundbucheinträge zu geltendem Recht wird[143]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995.. Anschließend macht man sich noch im gleichen Jahr daran, die Überreste der Garnisonkirche zu beseitigen[144]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117.
Andere Quellen verlegen den Abriß in das Folgejahr 1962. Siehe beispielsweise Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 7.. Daß Bevölkerung und Fachwelt, unter anderem vertreten durch Kulturbund und Denkmalpflege, heftig dagegen protestieren, interessiert dabei unter den politisch Verantwortlichen offenbar niemanden[145]Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 7 und Seite 16.. Im Zuge der Räumungsarbeiten durchschlägt man nun auch die Gewölbe der leeren Gruft, die man anschließend mit dem Schutt der endgültig abgerissenen Kirche verfüllt[146]Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seite 54.. Schon bald ist von der einstigen Militärkirche nichts mehr zu sehen. Von ihrem Inventar ist nur der alte Taufstein noch erhalten, den man nun in einem Depot einlagert, wo er für lange Zeit aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwindet[147]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 134..
Es ist eine Ironie der Geschichte, wie man sie in Berlin häufiger erleben kann, daß der Bebauungsplan, auf dessen Grundlage man die Ruine des Gotteshauses beseitigt, in der Folgezeit überhaupt nicht umgesetzt wird. Nicht nur plagen finanzielle Nöte den kleineren der beiden deutschen Staaten, so daß alsbald Abstriche von den Vorhaben notwendig sind[148]Pfeiffer-Kloss, Die Macht der Abwesenheit, 2015, Seite 43., auch der im August 1961 begonnene Bau der Berliner Mauer macht es notwendig, viele der Planungen neu zu überdenken. So kommt es, daß anstelle der abgeräumten Garnisonkirche gar nichts Neues gebaut wird. Ihr Grundstück übereignet man 1962 mittels Änderung der Grundbucheinträge der Humboldt-Universität, die aber wohl nur einen Fußballplatz darauf anlegt[149]Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964.[150]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995.. Später nutzt man den entstandenen Freiraum, um die Straßenführung in diesem Gebiet grundlegend zu ändern. 1973 hört die Frommelstraße auf zu existieren[151]Martin Mende: Anna-Louisa-Karsch-Straße, Website des Vereins für die Geschichte Berlins e. V., gegründet 1865, abgerufen am 20. Juli 2022.. Die Spandauer Straße wird mit der Straße An der Spandauer Brücke direkt verbunden, die nun über einen Teil des ehemaligen Kirchengrundstücks führt. Im Ergebnis kann also festgestellt werden, daß die Garnisonkirche zugunsten einer Straßenverbreiterung und einer flüssigeren Verkehrsführung aus dem Stadtbild verschwunden ist[152]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117..
Vergessen und Wiederfinden
Als man 1963 auch den Alten Garnisonfriedhof in Volkseigentum überführt und das Gartenamt beim Rat des Stadtbezirks Mitte zum neuen Rechtsträger erklärt, verschwindet damit der Name der alten Stiftung Garnisonkirche. Er wird offiziell und endgültig aus den einschlägigen Akten gelöscht[153]Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995.. Nun ist also nur noch das alte Garnisonpfarrhaus übrig. Einsam und verlassen steht es in der Littenstraße, am Rande eines leeren Platzes, der einst das Grundstück der ihm zugehörigen Kirche war. Zwei Jahre später hört dann auch die Straße, an der es steht, auf, in ihrer bisherigen Form zu existieren. Im Zuge der Umgestaltung der inoffiziell Rathausforum genannten großen Freifläche zwischen dem Bahnhof Alexanderplatz und der Spree hebt man 1965 die Littenstraße zwischen der Straße An der Spandauer Brücke und der Grunerstraße auf und teilt sie so in zwei Teile. Damit endet still und leise die lange Geschichte der Neuen Friedrichstraße, die einst von der Friedrichsbrücke zur Waisenbrücke führte, nun aber infolge der Überbauung in dem betreffenden mittleren Abschnitt im Stadtbild nicht mehr erkennbar ist[154]Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, unbekanntes Erscheinungsjahr.
Das genaue Jahr wird nicht genannt. Es ist lediglich von einem Zeitraum „nach dem Abriß der Kirche Anfang der 60er Jahre“ die Rede. Im Wikipedia-Artikel zur Littenstraße wird das Jahr 1965 angeführt. Zwar ist Wikipedia als Quelle oft eher unbrauchbar, da dort lediglich anonyme Autoren Artikel verfassen, deren Überprüfung wegen der meist völlig unzureichenden Belegung mit Quellen mindestens schwierig, oft sogar unmöglich ist, doch da der Bau des Berliner Fernsehturms tatsächlich 1965 begann, dürfte die Angabe wohl korrekt sein. Siehe Littenstraße, Website wikipedia.de, Artikelversion vom 29. Juni 2022 um 19:56 Uhr, abgerufen am 18. Juli 2022..
Im folgenden Jahrzehnt schreitet der Wiederaufbau, der in vielen Bereichen eher ein völliger Neubau ist, in beiden Teilen Berlins kräftig voran. Was der Alten Garnisonkirche versagt geblieben ist, läßt man ihren später entstandenen Pendants durchaus angedeihen. 1974 können die Arbeiten zur Wiederherstellung von Querschiff und Chor der Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken abgeschlossen werden. Sie bleibt allerdings in großen Teilen trotzdem eine Ruine. Zum einen fehlt wahrscheinlich das Geld, zum anderen verläuft direkt vor ihr seit dreizehn Jahren die Berliner Mauer, so daß sie sich quasi im Grenzgebiet befindet. Da steht ein vollständiger Wiederaufbau nicht gerade ganz oben auf der Liste der Prioritäten. Drei Jahre später beendet man im Westteil der Stadt die Reparaturen und Umgestaltungsarbeiten an der in Neukölln befindlichen zweiten katholischen Garnisonkirche, die damit vollständig wiederhergestellt ist[155]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seiten 112 f..
1978 nimmt man in der Hauptstadt der DDR eine Umgestaltung des Alten Garnisonfriedhofs in Angriff. Weil man diesen längst geschlossenen Begräbnisplatz nun in eine Parkanlage umwandeln möchte – vermutlich, um damit die Pflege des Areals weniger personalintensiv und damit kostengünstiger werden zu lassen -, hebt man die seit dem Jahr 1876 bestehende Feldereinteilung auf, vereinfacht das Wegenetz und ebnet mehr als dreihundert Grabstätten ein. Das Ergebnis ist eine Rasenfläche mit lockerem Gehölzbestand und vereinzelten Wegen, auf der vereinzelte Grabstätten verteilt sind, deren Anordnung eher an einen Flickenteppich erinnert als an einen Friedhof. Immerhin gelingt es dank des Einsatzes von Denkmalpflegern und Berlin-Historikern, daß wenigstens die historisch bedeutendsten Gräber und die kunstgeschichtlich wertvollsten Grabmale erhalten bleiben, insbesondere Grabdenkmale aus der Schule des Berliner Eisenkunstgusses, von denen viele auf Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel beruhen, und die Gräber aus der Zeit der Befreiungskriege[156]Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995..
Das Jahr ist noch nicht vorüber, da bekommt das Garnisonpfarrhaus wieder eine neue Adresse zugewiesen. Weil man das verbleibende Straßenteilstück der bisherigen Littenstraße, an dem es sich befindet, der Burgstraße zuschlägt, ist es nun unter der Adresse „Burgstraße 21“ zu finden[157]Martin Mende: Anna-Louisa-Karsch-Straße, Website des Vereins für die Geschichte Berlins e. V., gegründet 1865, abgerufen am 20. Juli 2022.[158]Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, unbekanntes Erscheinungsjahr.. Zwei Jahre später, 1980, entschließt man sich doch noch zur Wiederherstellung der Kuppel der Sankt-Michael-Kirche am Engelbecken. Es ist jedoch die bisher letzte Wiederaufbau-Maßnahme, die man dem Kirchenbau angedeihen läßt, der daher bis zum heutigen Tage als Halbruine überdauert hat[159]Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 112..
Im Herbst 1994, Berlin ist inzwischen wieder eine vereinte Stadt, erinnert man sich plötzlich des in einem Depot die Zeit verschlafenden Schlüterschen Taufsteins der Alten Garnisonkirche. Man holt ihn wieder ins Licht der Öffentlichkeit zurück und präsentiert ihn in der Berliner Nikolaikirche[160]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 134 und Seite 169, Fußnote 1..
Die Kirche selbst ist zu diesem Zeitpunkt längst aus dem Gedächtnis der Stadt beziehungsweise der in ihr lebenden Menschen entschwunden. Sieht man einmal von einigen geschichtlich Interessierten und natürlich Historikern, die sich mit der Berliner Stadtgeschichte beschäftigen, ab, weiß wohl kaum noch jemand, daß es hier, in unmittelbarer Nähe des Hackeschen Marktes, einst ein Gotteshaus des Militärs gegeben hat. Bis sich im Juni des Jahres 1998 die Alte Garnisonkirche selbst in die Erinnerung zurückbringt.
In diesem Jahr arbeiten Bauarbeiter geschäftig an der neuen Trasse für die Straßenbahn, die man über den Alexanderplatz fahren lassen will. Diese soll, sobald sie den Platz verlassen hat, über die Gontard- und die Karl-Liebknecht-Straße fahren, dann in die Spandauer Straße einbiegen und über diese den Hackeschen Markt erreichen. Im Zuge dieser Arbeiten wird die Straßenführung erneut geändert. Die direkte Verbindung zwischen der Spandauer Straße und der Straße An der Spandauer Brücke hebt man nun wieder auf und stellt an dieser Stelle den früheren Straßenverlauf der einstigen Neuen Friedrichstraße wieder her. Den Planungen zufolge soll die Straßenbahn, aus der Spandauer Straße kommend und die Burgstraße überquerend, weiter geradeaus zum Bahnhof Hackescher Markt fahren. Dabei überquert sie unmittelbar das ehemalige Grundstück der Alten Garnisonkirche.
Als man bei den Bauarbeiten im Boden unvermittelt auf Reste mächtiger Fundamente stößt, vermuten die Bauarbeiter darin zunächst die Überbleibsel eines einstigen Wohnhauses. Eingeweihte erkennen sie anhand der zahlreichen Gewölbeansätze jedoch sofort als das, was sie tatsächlich sind: die Grundmauern des einstigen Gotteshauses. Hier, wo sich früher das westliche Ende der Kirche befunden hatte, gräbt man nun Reste der Gruft sowie die Treppe ihres damaligen nordwestlichen Eingangs aus[161]Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seite 51.. Zum Vorschein kommt auch eine Säulentrommel aus Sandstein, die man unweit der Fundstelle ablegt. Experten, die sie sich ansehen, gehen davon aus, daß sie aus der Zeit des Umbaus der Kirche stammt, der von 1899 bis 1900 vorgenommen wurde und bei dem man die früheren, mit reichlich Gips ummantelten Stützen durch als Säulen gestaltete Sandsteinpfeiler ersetzte. Sie vermuten, daß das Fundstück während des Neubaus des Gotteshauses nach dem großen Brand von 1908 in den Untergrund geriet und dort verblieb, bis es nun wieder zum Vorschein kam. Weil man nur auf einer Seite der Säulentrommel ein Dübelloch entdecken kann, ist anzunehmen, daß sie aus dem Fundamentbereich einer der Säulen stammt.
Darüberhinaus hat der Boden im Bereich der einstigen Garnisonkirche noch einige weitere Artefakte erhalten, die nun wieder ans Tageslicht gelangen. Da ist zunächst der Teil eines gelbgebrannten Terrakottapfostens mit korinthisierendem Kapitell, der unzweifelhaft einst zu einem Fenster gehörte. Bei der Restaurierung der Kirche im Jahre 1863 hatte man die großen Rundbogenfenster der Kirche komplett erneuert und mit genau solchen Pfosten eingefaßt. Sogar ein Stück der damals eingesetzten Bleiverglasung ist an dem nun aufgefundenen Stück Terrakotta noch vorhanden.
Auch stößt man auf drei grauweiße Marmorstücke, die ganz offensichtlich zu dem von König Friedrich Wilhelm IV. gestifteten und von Friedrich August Stüler geschaffenen Ziboriumaltar gehören, der 1854 in der Kirche aufgestellt worden war. Eine große, rechteckige, profilierte Deckplatte bildet das erste dieser drei Stücke. Offenbar war es einst die Mensa[162]Als Mensa, was im Deutschen mit Tisch zu übersetzen ist, bezeichnet man in der christlichen Tradition in der Regel die Tischplatte eines Altars. Der Begriff kann aber auch den vollständigen Altar bezeichnen. des Altartisches. Das zweite Stück erweist sich als weiße, marmorne Wandplatte, in der sich zwei vertiefte Felder von quadratischer Form befinden, jedes bestehend aus einer roten Marmorfläche, die von einem dunkelgrünen Rahmen aus demselben Material eingefaßt wird. Ebenfalls aus Marmor ist das dritte Stück, das sich jedoch von den anderen beiden deutlich unterscheidet, handelt es sich doch um eine kleine Säule, die zwar noch ihre Basis besitzt, der aber das Kapitell abhandengekommen ist. Sie war einst eine von dreien, die gemeinsam den Altartisch stützten. Was mit den anderen Teilen des Altars, insbesondere seinem Baldachin und den diesen stützenden Pfeilern und Säulen geschehen ist, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Fakt ist nur, daß sie nicht aufgefunden werden. Und auch die kleine Tischsäule verschwindet kurz nach ihrer Entdeckung auf geheimnisvolle Art und Weise. Man vermutet zu dieser Zeit, daß private Liebhaber sie heimlich entwendet haben[163]Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seiten 56 f.[164]Heinrich Lange: Ein preußischer Architekt – Zum 200. Geburtstag von Friedrich August Stüler, In: Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenblatt, Ausgabe vom 12. Februar 2000, Seite 12..
Im Dezember 1998 nimmt die neue Straßenbahnlinie ihren Betrieb auf, doch die Arbeiten zur Neugestaltung des Umfeldes des Standortes der einstigen Garnisonkirche gehen noch weiter. Im Jahr darauf ist hier ein neuer Platz entstanden, der sich wie ein schmales Handtuch von der Burgstraße zum Bahnhof Hackescher Markt erstreckt. Und damit die verlorene Kirche nicht erneut komplett in Vergessenheit gerate, gibt man ihm ihren Namen: Garnisonkirchplatz. Daß er ihr einstiges Grundstück nur in seinem vorderen Abschnitt an der Burgstraße berührt und ansonsten in die falsche Richtung führt – geschenkt. Mit seinem Namen erinnert er an ein verlorenes, durchaus ambivalentes Stück Berliner Geschichte.
Parallel dazu entsteht auf dem Alten Garnisonfriedhof über den Fundamenten der im Krieg zerstörten Friedhofskapelle ein kleines Lapidarium, das im März 2000 eröffnet werden kann. Hier bringt man die im Boden um die einstige Garnisonkirche aufgefundenen Artefakte unter, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und gleichzeitig vor Beschädigung und Verfall zu schützen: den Fensterpfosten aus Terrakotta sowie die beiden verbliebenen Teile des Stülerschen Altars. Und weil man, wenn schon nicht das ganze Kunstwerk, so doch wenigstens den Altartisch wiederherstellen möchte, beauftragt man den Steinbildhauer Roland Luchmann mit dessen Wiederherstellung. Die dafür benötigten drei Säulen bildet die Firma Helmich & Theel nach seinen Entwürfen aus Stahl nach[165]Lange, Ein preußischer Architekt, 2000, Seite 12.
Der Artikel ist im Februar 2000 erschienen, also einen Monat vor der Eröffnung, die darin als für März geplant erwähnt wird.[166]Heinrich Lange: „…zum andächtigen Besuch…“ – Am 1. Januar 1703 wurde die erste Berliner Garnisonkirche eingeweiht, In: Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenplatt, Ausgabe vom 21. Dezember 2002, Seite 9.. Und auch die Säulentrommel findet schließlich ihren Weg ins Lapidarium. Sie hatte lange genug auf der Baustelle unter freiem Himmel gelegen, um vom sogenannten „Sechsenmaler“ Rainer Brendel entdeckt und mit seinen Zeichen bemalt zu werden. Sie sind noch heute auf dem steinernen Rest der einstigen Garnisonkirche zu sehen[167]Die Herkunft der Zeichen auf der Säulentrommel wurde dem Autor von Dr. Paul-Haimon Lins vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V. in einem persönlichen Gespräch während eines Besuchs auf dem Friedhof am 20. Dezember 2020 beschrieben..
Im Jahr darauf steht für das ehemalige Garnisonpfarrhaus die nächsten Adreßänderung an. Zu Ehren der Dichterin Anna Louisa Karsch benennt man den Abschnitt der Burgstraße, der einst zur Neuen Friedrichstraße gehörte, nun in Anna-Louisa-Karsch-Straße um. Und auch seine Hausnummer darf das Gebäude nicht behalten. An seiner Tür steht nun die Nummer 9[168]Martin Mende: Anna-Louisa-Karsch-Straße, Website des Vereins für die Geschichte Berlins e. V., gegründet 1865, abgerufen am 20. Juli 2022..
Derweil wird im Zentrum Berlins in jenen Jahren viel gebaut. Auch im nahegelegenen Scheunenviertel errichtet man in verbliebenen Baulücken zahlreiche Gebäude. Weil sich einige davon auch auf dem Bereich des Alten Garnisonfriedhofs befinden, der einst den einfachen Soldaten vorbehalten war, stößt man bei entsprechenden Bauarbeiten für Wohngebäude und Tiefgaragen im Jahre 2002 unvermittelt auf die Überreste dieses Begräbnisplatzes. Ein herbeigerufenes Team von Archäologen begleitet von nun an die Tätigkeiten auf den Baustellen und fördert zahlreiche Gräber zutage, von denen einige vertikale Bestattungslagen aufweisen. Vereinzelt findet man Devotionalien sowie persönliche Schmuck- und Gebrauchsgegenstände. Auch der Grabstein eines Fußgendarmen kann dem Boden entrissen werden und findet schließlich seinen Weg ins Lapidarium des Alten Garnisonfriedhofs[169]Barbara Kündiger: Spurensuche und Fundstücke, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 20..
Das letzte verbliebene Gebäude des einstigen Garnison-Gemeindewesens, des Obersten Glasenapps Haus, das, in den Jahrhunderten immer wieder erweitert und aufgestockt, erst Wohnhaus, dann Garnisonschule und schließlich Garnisonpfarrhaus war, dient nun verschiedenen Gewerben als Heimstatt. Im September 2009 zieht die in der Stadt sehr bekannte, 1968 im Bezirk Charlottenburg gegründete Galerie Poll in das Gebäude[170]Martin Mende: Anna-Louisa-Karsch-Straße, Website des Vereins für die Geschichte Berlins e. V., gegründet 1865, abgerufen am 20. Juli 2022.. Nachdem sie es später wieder verläßt, wird das Haus vorwiegend für Büros genutzt.
Bei weiteren Bauarbeiten im Berliner Scheunenviertel entlang der Linienstraße stößt man im Jahre 2010 auf zahlreiche Gebeine preußischer Soldaten, die im 18. und 19. Jahrhundert auf dem einstigen Soldatenfriedhof bestattet worden waren. Nachdem man sie eingehend archäologisch untersucht hat, werden die insgesamt vier Kubikmeter Gebeine im November des Jahres auf den Stahnsdorfer Südwestkirchhof überführt, wo sie im dafür erweiterten Garnisongrab endgültig ihre letzte Ruhe finden[171]Garnisongrab in Stahnsdorf wird erweitert, In: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 30. November 2010.. So werden die einfachen Soldaten und ihre Offiziere, die im Leben und zunächst auch im Tode streng voneinander getrennt blieben, zu guter Letzt nun doch noch vereint.
Irgendwann in den folgenden Jahren ereignet sich eines dieser kleinen Zeichen und Wunder, die von Zeit zu Zeit doch noch geschehen. Paul-Haimon Lins, Vorstandsmitglied des Fördervereins Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V., erzählt einem Reporter im Jahre 2019 die Geschichte:
Vor einigen Jahren erhielten wir an Weihnachten einen Brief. Darin stand, daß wir doch hinter dem Schuppen nachschauen sollten.[172]Zitiert aus Max Müller: Auf den Spuren des preußischen Militärs, In: Berliner Morgenpost vom 20. November 2019.
Als die Vereinsmitglieder dieser mysteriösen Aufforderung nachkommen, finden sie hinter besagtem Verschlag die kurz nach ihrer Auffindung nahe der einstigen Garnisonkirche verlorengegangene einzelne Säule des Stüler-Altars[173]Müller: Auf den Spuren des preußischen Militärs, 2019.. Ob sie dem damaligen Dieb nun seinerseits entwendet worden war, um sie zurückzugeben, oder ob dieser nach all den Jahren doch noch ein schlechtes Gewissen bekommen hatte – niemand wird es wohl je erfahren. Weder Dieb noch Spender werden je gefunden.
Epilog: Was übrig blieb
Schaut man unter der Nummer 09010024 in der Denkmaldatenbank des Landes Berlin nach, findet man dort den Eintrag für ein Denkmal, das niemand sehen kann: die Fundamente der ehemaligen Berliner Garnisonkirche. Tagtäglich an ihrem westlichen Ende von der Straßenbahn überfahren und unter dem 2011 geschaffenen Litfaßplatz von Hunderten von Füßen übergangen, liegen sie still in der Erde unter dem Straßenpflaster, von keinem bemerkt.
Am nahegelegenen Garnisonkirchplatz erinnert ein aus sieben großen Tafeln bestehendes Erinnerungsmal in Text und Bild an das einstige Gotteshaus. Die in der Hektik des Alltags an ihm vorüberhastenden Passanten bemerken es meist ebensowenig wie die in der Grünanlage, an deren Rand es sich befindet, verteilten Plastiken verschiedener Künstler.
Daneben ragt der letzte an Ort und Stelle verbliebene Zeuge des historischen Garnison-Gemeindewesens in die Höhe – das einstige Garnisonpfarrhaus. Am Querbalken der Eingangstür ist in dünnen Linien der Schriftzug „Garnison-Pfarramt“ eingraviert. Ihn nimmt nur wahr, wer von ihm weiß. Zu hoch ist die Tür, als daß er den sie Durchquerenden vor die Augen geriete. Desgleichen verhält es sich mit der bronzenen Gedenktafel über der Tür, die an den einstigen Garnisonpfarrer und „Volksdichter“ Emil Frommel erinnert. Von der gegenüberliegenden Straßenseite mag man sie wohl bemerken, lesen kann man sie von dort aus allerdings kaum. So wissen wohl auch heute nur Eingeweihte, daß sie hier eines der wenigen wahrhaft historischen Gebäude des Berliner Stadtzentrums vor sich haben, das Krieg und Zerstörung überdauert hat.
Vom Inventar der Garnisonkirche ist heute kaum noch etwas übrig. Da ist natürlich der große Schlütersche Taufstein – das einzige Inventarstück, das bereits in der ersten Garnisonkirche stand. Brandspuren und Schäden an den vorstehenden Teilen zeugen von seiner langen und wechselvollen Reise durch die Zeit, die geprägt ist von der Überdauerung dreier großer Katastrophen und in deren Verlauf die Schale für das Taufwasser den Kontakt zu ihm verloren hat. Sie ist heute verschollen[174]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 134..
Auch die silberne Oblatendose, die der Garnisonprediger Lampertus Gedicke aus den beiden ihm vom König übereigneten Altarleuchtern und der großen Altarkanne, die er gemeinsam einschmelzen ließ, hat anfertigen lassen, überdauerte die Zeiten. Die beiden Kelche und die neue Kanne, die zusammen mit ihr geschaffen wurden, sind irgendwann verlorengegangen, ebenso wie all die anderen liturgischen Gerätschaften, die es in der Garnisonkirche im Laufe der Jahrhunderte gegeben hat. So sind die Oblatendose, die heute in der Petrigemeinde aufbewahrt wird, und der Taufstein die letzten verbliebenen Inventarstücke der drei Inkarnationen des Gotteshauses[175]Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seite 18..
Von den großen und kleinen Bildwerken der Kirche existiert heute keines mehr. Immerhin gibt es jedoch einige wenige Kupferstiche und Grafiken, die etwas Aufschluß darüber geben, wie sie wohl ausgesehen und auf den Betrachter gewirkt haben müssen. Da sind zunächst die Radierungen, angefertigt nach den Epitaph-Bildern, die Christian Bernhard Rode zur Ehrung führender Militärs des Siebenjährigen Krieges einst malte. Für die ersten vier Gemälde schuf Rode diese – teils in verschiedenen Fassungen – selbst, während die Radierung für das fünfte Bild von Johann Georg Rosenberg stammt. Zu finden sind sie heute unter anderem im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. Auch zu Wilhelm Hensels großem Ölgemälde „Christus vor Pilatus“ gibt es solche nachgeordneten Werke. Ein Kupferstich sowie diverse Bleistift- und Ölskizzen haben sich bis in unsere heutige Zeit erhalten, allen voran die Studie einer Frau, die ein Kind auf dem Arm trägt und für die die Ehefrau des Malers, Fanny Hensel, mit ihrem gemeinsamen Sohn Sebastian Modell gestanden hatte. Das Aussehen des von Karl Begas d. Ä. geschaffenen Altarbilds „Christus am Ölberg“ ist heute nur noch über eine nicht sonderlich gute Fotografie, die in Georg Goens‘ Buch über die „Geschichte der Königlichen Berlinischen Garnisonkirche“ zu finden ist, nachzuvollziehen. Von allen anderen Bildwerken, die es in der Garnisonkirche je gegeben hat, weiß man nur aus Beschreibungen und Hinweisen, die sich in Akten und Ausstellungskatalogen oder auch Stadtführern finden lassen[176]Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seite 18.[177]Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 135 ff..
Ist der bildnerische Schmuck des Gotteshauses auch nicht mehr erhalten, so gibt es doch eine Reihe von über die Jahrhunderte entstandenen Abbildungen, die die Kirche, ihr Inneres oder Teile davon zeigen. Bereits im Jahre 1704 ergänzte der Architekt Christoph Pitzler seine – bis heute erhaltenen – Reisenotizen mit Zeichnungen, von denen einige die erste Garnisonkirche zeigen. Und natürlich sind da noch die Handzeichnungen Johann Friedrich Walthers, des langjährigen Organisten des Gotteshauses, die dieser im Jahre 1736 seinem Manuskript zur Geschichte der Garnisonkirche beigab. Und auch die Zeichnungen Adolph Menzels, im 19. Jahrhundert in der Gruft des Gotteshauses entstanden, haben sich überliefert. Demgegenüber sind jene des Malers Franz Skarbina heute leider verschollen. Die aufkommende Fotografie sorgte dann dafür, daß objektivere Ansichten der Garnisonkirche entstanden, die besonders im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts für Postkarten verwendet wurden und große Verbreitung erfuhren, so daß sich viele bis zum heutigen Tag erhalten haben[178]Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seiten 18 f..
Von den Orgeln der Militärkirche existiert hingegen keine mehr. Und doch ist es noch heute möglich, sich von dem letzten dieser Instrumente einen klanglichen Eindruck zu verschaffen, haben sich doch einige auf ihm eingespielte Tonaufnahmen auf alten Schellackplatten erhalten[179]Eine Zeitlang waren einige davon über die Website Europeana.eu abrufbar. Dabei handelte es sich um Aufnahmen von Kurt Grosse an der Orgel. Sie beinhalteten beispielsweise von Robert Schumann das „Abendlied“ aus „Stücke, Klavier, 4-händig, op. 85“, von Georg Friedrich Händel das „Arioso in h-dur – Dank sei dir, Herr“, einmal in einer reinen Orgelfassung und einmal in einer Fassung für Orgel und Cello, gemeinsam mit Hans Bottermund am Cello. Auch eine Aufnahme von Franz Schuberts Lied „Du bist die Ruh“ war darunter, ebenfalls mit Hans Bottermund am Cello. Leider sind diese Aufnahmen mittlerweile nicht mehr online über diese Website verfügbar..
So oft man Bürokratie auch als ausgesprochen lästig empfindet, für den Erhalt von Informationen über die Zeitläufe hinweg leistet sie meist unschätzbare Dienste – in Form von jeder Menge Akten. Auch im Falle der Garnisonkirche war das nicht anders. So haben sich beispielsweise ihre Militärkirchenbücher erhalten. Die meisten von ihnen lagern heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, einige auch im Evangelischen Zentralarchiv zu Berlin. Darüberhinaus verfügt das Institut für Genealogie in Leipzig über Kopien, die in den 1930er Jahren angefertigt wurden. Die Aufzeichnungen reichen bis in das Jahr 1672 zurück, in eine Zeit also, in der es zwar die Garnisongemeinde bereits gab, diese aber noch nicht über ein eigenes Gotteshaus verfügte. So verweisen Militärkirchenbücher anfangs noch auf die Heilig-Geist-Gemeinde, ein Umstand, der merkwürdigerweise trotz dann bereits existierender Garnisonkirche erst 1717 geändert wurde. Neben den Kirchenbüchern gibt es heute noch Akten zur Verwaltung der Garnisongemeinde, die ebenfalls im Evangelischen Zentralarchiv lagern. Und auch das im Jahre 1824 vom Garnisonpfarrer Gottlieb Friedrich Ziehe eingeführte Friedhofsregister, in dem alle Beisetzungen auf dem Alten Garnisonfriedhof verzeichnet sind, hat die Zeiten überdauert. Es liegt heute in den Aktenschränken des Naturschutz- und Grünflächenamts des Bezirks Mitte von Berlin[180]Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seite 20.[181]Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995..
Zu guter Letzt erinnern noch die erhalten gebliebenen Grabstellen auf dem Alten Garnisonfriedhof und das Garnisongrab auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof an die Mitglieder der Garnisongemeinde, die über mehrere Jahrhunderte hinweg durch ihr Wirken das Leben in der Stadt und in der preußischen und deutschen Gesellschaft geprägt haben, in der dem Militär stets eine bedeutende Rolle zukam.
Es liegt schon eine gewisse Ironie in der Tatsache, daß von der einstigen Traditionsstätte der Erinnerung, der Verehrung und nicht zuletzt Glorifizierung des zunächst preußischen und dann deutschen Militärs so wenig geblieben ist, das an sie erinnern könnte. Am Ende war eben jenes Militär, in dessen Dienst die Garnisonkirche nicht nur ihrem Namen nach jahrhundertelang stets gestanden hatte, für ihre endgültige Vernichtung verantwortlich. Ganz anders als bei anderen Gotteshäusern hatte danach allerdings niemand mehr ein ernsthaftes Interesses an ihrem Wiedererstehen. Nach zwei großen Kriegen, die die Welt ins Chaos gestürzt und Millionen Tote gefordert hatten, mehr als jede mit militärischen Mitteln je geführte Auseinandersetzung zuvor, gab es keinen Bedarf mehr für Orte, an denen der Krieg als Wille Gottes verkauft, die Feinde in seinem Namen verflucht und die Parteinahme des Herrn für die eigene Seite im Kampf gegen jene behauptet wird. Die Verehrung der Soldaten als Helden und der Gefallenen als Märtyrer hatte angesichts des unermeßlichen Leids der Menschen ihren Sinn komplett verloren.
Soweit, das Militär nun gänzlich abzuschaffen, ging man aber nicht, entwickelte sich doch trotz der hehren Vorsätze, bewaffnete Konflikte auf alle Zeit zu bannen, alsbald der sogenannte Kalte Krieg zwischen den beiden großen Machtblöcken in Ost und West, der oft genug nahe daran war, in einen neuen heißen umzuschlagen, nicht zuletzt, weil Hochrüstung und Militär zu neuer Blütezeit gelangten. Und dennoch war für eine Einrichtung wie die Garnisonkirche in der neuen Welt kein Platz mehr. In der neugegründeten DDR, auf deren Territorium sich ihre Ruine nach dem Krieg befand, entstand die Nationale Volksarmee, in der es so etwas wie Militärseelsorge nicht mehr gab. Religion war Privatsache geworden. In staatlichen Bereichen hatte sie nichts verloren, in militärischen schon gar nicht[182]Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 15.. Und so ist es kein Wunder, daß man mit einer Militärkirche auch nichts anzufangen wußte. Wozu sie also wiederaufbauen?
Und heute? Nach dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Wiedervereinigung hat man auch im Bereich des Militärs – wie in so vielen anderen auch – die bundesdeutschen Regelungen übernommen. Die Militärseelsorge, die in der BRD mit evangelischem und katholischem Militärbischof an der Spitze stets fortbestanden hatte, wurde überall wieder eingeführt[183]Duntze, Kriegsleute, 2004, Seiten 15 f.. Doch auch wenn sie nicht mehr dem preußischen oder kaiserlichen Militärkirchenwesen entspricht, steht sie angesichts der zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr doch vor denselben Widersprüchen und Fragen wie einst: wie soll sich Gottes Gebot „Du sollst nicht töten!“ mit dem Dienst an der Waffe vereinbaren lassen?
Garnisonkirchen gibt es heute keine mehr. Und auch wenn man die Potsdamer Garnisonkirche nun wieder aufbaut – ein Vorhaben, das im Vorfeld vehement diskutiert wurde und nach wie vor stark umstritten ist, da es angesichts der eng mit preußisch-deutschem Militarismus und deutschem Faschismus verbundenen Geschichte des Baus nicht nur als einfacher Wiederaufbau einer Kirche betrachtet werden kann -, wird ihr älteres Berliner Pendant wohl nicht wiederkehren. Doch in Zeiten wie diesen, in denen sich ein neuer Kalter Krieg entwickelt, aber auch heiße Kriege wieder mehr und mehr zum akzeptierten Repertoire der Politik zur Durchsetzung eigener Interessen gehören und die damit verbundene Rhetorik immer häufiger in den gesellschaftlichen Diskurs Einzug hält, eine Rhetorik, die in vergangenen Zeiten auch von der Kanzel der Garnisonkirche immer wieder befeuert wurde, ist das vielleicht auch besser so.
Das Banner auf dieser Seite zeigt eine Straßenszene vor der 1909 wiederaufgebauten Berliner Garnisonkirche.
Quelle: Postkarte; aus dem Archiv des Autors
Verlag: Hofkunstanstalt Albert Frisch, Berlin W35
Jahr: 1909
Urheber: J. Zuckert
Maße: 9 x 14,2 cm
Scan & Bearbeitung: Alexander Glintschert (2022)
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz.
Anmerkungen:
↑1. | Dies ist der Anfang des neunten Verses des sechsten Kapitels des zweiten Briefs an die Korinther aus dem Neuen Testament. Vollständig lautet dieser: „als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet;“. |
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↑2. | Der Brand der alten Garnisonkirche, In: Berliner Volks-Zeitung, Jahrgang 56, Ausgabe 178 (Abendausgabe) vom 14. April 1908, Seiten 1 f. |
↑3. | Barbara Kündiger: Umbauten, Zerstörungen und Abriß, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 114. |
↑4. | Der vollständige Name des Branddirektors ist dem Eintrag „Reichel, Maximilian, Kgl. Branddirektor, SW19 Lindenstr. 41″ im Berliner Adreßbuch entnommen. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 2036. |
↑5, ↑12. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 114. |
↑6. | Beim Mansardendach wird das Dach in zwei Bereiche aufgeteilt. Während der obere in der Regel eine vergleichsweise flache Neigung aufweist, fällt die des unteren steil ab. Mansardendächer weisen damit einen typischen horizontalen Knick auf, der bei Walmdächern fehlt. |
↑7. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 114. Die Namen der beiden Bauräte werden in den einschlägigen Quellen nie vollständig genannt, sind aber mit Hilfe des Berliner Adreßbuchs feststellbar. Siehe Eintrag „Wutsdorff, Oscar, Intendantur- u. Baurat i. Kriegsminist., W15 Düsseldorfer Str. 5″ in Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 2900 und Eintrag „Gerstenberg, Richard, Kgl. Baurat, W10 Lützowufer 19b“ in Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 687. |
↑8. | Einweihung der Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 38, Ausgabe 438 (Morgenausgabe) vom 30. August 1909, Seite 5. |
↑9. | Barbara Kündiger: Bildwelten und Klangbilder, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 148. |
↑10. | Zitiert aus Berliner Architekturwelt – Zeitschrift für Baukunst, Malerei, Plastik und Kunstgewerbe der Gegenwart, Verlag von Ernst Wasmuth AG, Architektur-Buchhandlung, Berlin, Jahrgang 11, Juni 1908, Sammelband von 1909, Seite 120. |
↑11. | Werner Schwipps: Die Garnisonkirchen von Berlin und Potsdam, Berlinische Reminiszenzen 6, 1. Auflage 1964, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin. |
↑13. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 177 vom 30. Juli 1909, Seiten 2 f. |
↑14, ↑22, ↑24, ↑27, ↑28, ↑97, ↑131, ↑149. | Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964. |
↑15. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 152. |
↑16. | Der Schmuck der neuen Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 38, Ausgabe 437 vom 29. August 1909, Seite 6. Die Zeitung gibt leider nicht an, aus welcher anderen Kirche die beiden als Vorlage dienenden Figuren stammten. Ebenso hält sie es leider nicht für nötig, ihren Lesern den Namen des in Italien lebenden Künstlers mitzuteilen, der der Garnisonkirche freundlicherweise eine seiner Skulpturen verehrte. |
↑17, ↑20. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), 1909, Seiten 2 f. |
↑18. | Zitiert aus Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), 1909, Seiten 2 f. |
↑19. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 186 vom 10. August 1909, Seite 3. Die Zeitung berichtete über die Inschrift ganz offensichtlich bereits vor der Fertigstellung der neuen Garnisonkirche, zu einem Zeitpunkt, als die Inschrift noch nicht völlig fertiggestellt war. Eine Quelle, die den vollständigen Wortlaut der Inschrift wiedergibt, konnte bisher noch nicht gefunden werden. Auch bleibt unklar, warum die Inschrift die erste Garnisonkirche aus dem Jahr 1701 vollständig ignorierte. |
↑21. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 161. |
↑23, ↑26. | Einweihung der Garnisonkirche, 1909, Seite 5. |
↑25. | Einweihung der Garnisonkirche, 1909, Seite 5. Die Zeitung gibt lediglich die Nachnamen der Personen an. Von Hahnkes vollständiger Name ist dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Hahnke, Wilhelm, Generalfeldmarschall, Generaladjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Oberbefehlshaber in den Marken u. Gouverneur v. Berlin, Chef d. Grenad. Regts. Prinz Karl v. Preußen (2. Brandb.) Nr. 12 u. à la suite d. Kais. Alex. Garde Grenad. Regts. Nr. 1, Exz., W62 Kurfürstendamm 251, 252″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 839. Von Löwenfelds vollständiger Name ist ebenfalls dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Löwenfeld, Alfred, Generalleutn., Generaladjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Kommand. d. 1. Garde-Divis., Exz., NW52 Alt-Moabit 137″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 1552. Der vollständige Name von Heeringens ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Thilo Vogelsang, „Heeringen, Josias von“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 8, 1969, Seiten 196-197 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 9. Juli 2022. Der vollständige Name des Kultusministers von Trott zu Solz ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Benigna Krusenstjern, „Trott zu Solz, August von“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 26, 2016, Seiten 457-458 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 9. Juli 2022. Wölfings vollständiger Name ist wiederum dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „Wölfing, Max, Evang. Feldprobst d. Armee, C2 Hinter der Garnisonkirche 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1908, Erster Band, Seite 2878. |
↑29. | Beatrice Falk & Bärbel Holtz: Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2. |
↑30. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 161 f. |
↑31. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 137 ff. Die Radierungen waren von Christian Bernhard Rode für die ersten vier Epitaph-Bilder in mehreren Fassungen je Gemälde und teils erst mehrere Jahre nach diesen angefertigt worden. Die einzige Ausnahme bildet das Epitaph-Gemälde für den General Hans Joachim von Ziethen, das Rode fünfundzwanzig Jahre nach den ersten Bildern malte. Für dieses fertigte er keine Radierung an. Das übernahm schließlich Johann Georg Rosenberg. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Barbara Kündiger als Urheber dieser letzten Radierung Johann Karl Wilhelm Rosenberg angibt, der ein Vetter Johann Georg Rosenbergs war. Welche der beiden Angaben stimmt, ist anhand der Radierung selbst nicht feststellbar, da diese nur mit „J. Rosenberg“ signiert ist. Da Johann Georg Rosenberg im zu der Radierung gehörenden Datensatz der Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, als Urheber genannt wird, haben wir uns für diese Angabe entschieden. Siehe Bildnis des Hans Joachim von Zieten im Digitalen Portraitindex, abgerufen am 10. Juli 2002. |
↑32. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 16, Ausgabe 211 vom 8. September 1909, Seite 2. Die Zeitung gibt für die meisten Teilnehmer nur die Familiennamen an. Die vollständigen Namen lassen sich jedoch mittels des Berliner Adreßbuchs ermitteln. Friedrich von Moltkes Eintrag dort lautet „v. Moltke, Friedrich, Staatsminister, Minister des Innern, Exzellenz, NW7 Unter d. Linden 72, 73″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 1880. Paul von Breitenbachs Eintrag lautet „v. Breitenbach, Paul, Staatsminister und Minister der öffentlichen Arbeiten, Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisenbahnen, Exzellenz, W66 Wilhelmstr. 79″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 306. Bernhard Dernburgs Eintrag lautet „Dernburg, Bernhard, Kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat, Exzellenz, Staatssekretär des Reichskolonialamts, Bevollmächtigter zum Bundesrat, Grunewald, Erbacher Straße 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 438. Martin Kirschners Eintrag lautet „Kirschner, Martin, Ober-Bürgermeister v. Berlin, NW21 Alt-Moabit 90″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 1315. Georg Reickes Eintrag lautet „Reicke, Georg, Dr. jur., Reg. Rat, Bürgermeister v. Berlin, W10 Corneliusstr. 8″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 2239. Gustav von Kessel hat inzwischen den Posten des Gouverneurs von Berlin von Generalfeldmarschall von Hahnke übernommen. Sein Eintrag lautet „v. Kessel, Gustav, General d. Infanterie, Gen. Adjut. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, Oberbefehlshaber in den Marken u. Gouverneur v. Berlin, Exz., W62 Kurfürstendamm Nr. 251, 252″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 1296. Hans von Böhns Eintrag lautet „v. Boehn, Hans, Generalmajor, General a. l. s. Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs u. Kommandant von Berlin, C2 Platz am Zeughause 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1910, Erster Band, Seite 249. |
↑33. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 17, Ausgabe 87 vom 14. April 1910, Seite 3. |
↑34. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 49 vom 27. Februar 1912, Seite 2. |
↑35. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 276 vom 24. November 1912, Seite 3. |
↑36. | Friedenauer Lokal-Anzeiger (Friedenauer Zeitung), Jahrgang 19, Ausgabe 282 vom 1. Dezember 1912, Seite 2. |
↑37, ↑43, ↑54. | Der Erste Weltkrieg – Überblick, Website der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 10. Juli 2022. |
↑38. | Der Kaiser und die Kaiserin in der Garnisonkirche, In: Berliner Tageblatt, Jahrgang 43, Ausgabe 388 (Ausgabe für Berlin und Umgegend) vom 3. August 1914, Seite 3. |
↑39. | Zitiert aus Der Kaiser und die Kaiserin in der Garnisonkirche, 1914, Seite 3. |
↑40. | Schwipps, Garnisonkirchen Berlin und Potsdam, 1964. Schwipps gibt als Datum des Gottesdienstes den 3. August 1914 an. Da dieser jedoch ein Montag war, ist davon auszugehen, daß er versehentlich das Erscheinungsdatum der einschlägigen Zeitungsberichte als Zeitangabe für das Ereignis übernommen hat. |
↑41, ↑45, ↑46, ↑51, ↑53, ↑56, ↑62, ↑66, ↑69, ↑77, ↑82, ↑89, ↑95, ↑109, ↑125. | Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995. |
↑42. | Friedrich Erich Dobberahn: Deutsche Theologie im Dienste der Kriegspropaganda: Umdeutung von Bibel, Gesangbuch und Liturgie 1914-1918, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen, 2021, ISBN 978-3-5255-6556-8, Seiten 460 f. |
↑44. | Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995. Wie weit solche Maßnahmen gingen, kann man anhand von Dokumenten aus jener Zeit nachvollziehen. Im Berliner Landesarchiv finden sich beispielsweise unter der Signatur A Rep. 037-03 Nr. 234 Dokumente des Magistrats der Stadt Charlottenburg, in denen es unter anderem um die Beschlagnahme für Bierglas- und Bierkrugdeckel aus Zinn geht. Die Signatur A Rep. 037-03 Nr. 235 verweist dann auf ein Dokument aus dem Jahr 1917, das sich unter anderem mit Anweisungen zur Beschlagnahme für Prospektpfeifen von Orgeln aus Zinn und andere Zinnpfeifen beschäftigt. Diese waren zwar nicht für die Berliner Garnisonkirche ausschlaggebend, sind aber Beispiele für den dargestellten Sachverhalt. Siehe Der Erste Weltkrieg in Dokumenten – Quellensammlung des Landesarchivs Berlin, Landesarchiv Berlin, Berlin, 2017, Seite 122. |
↑47. | Trauerfeier für Richthofen, In: Vossische Zeitung – Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 224 (Morgenausgabe) vom 3. Mai 1918, Seite 3. und Dem Gedächtnis Richthofens – Trauerfeier in der Garnisonkirche, In: Berliner Morgenpost, Jahrgang 21, Ausgabe 122 vom 3. Mai 1918, Seite 5. Die Zeitungen geben lediglich die Nachnamen der Personen an. Von Steins vollständiger Name ist dem Berliner Adreßbuch entnommen. Sein Eintrag dort lautet „v. Stein, Hermann, General d. Artill., Staats- und Kriegsminist., Exz., W66 Leipziger Str. 5″. Siehe Berliner Adreßbuch 1918, Erster Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 2764. Der vollständige Name von Höppners ist seinem Indexeintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Höppner, Ernst von, Indexeintrag: Neue Deutsche Biographie – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 11. Juli 2022. Der vollständige Name Thomsens ist seinem Eintrag in der Deutschen Biographie entnommen. Siehe Wolfgang Schmidt, „Thomsen, Hermann“, In: Neue Deutsche Biographie, Band 26, 2016, Seiten 193-195 – Online-Version, Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 11. Juli 2022. Der vollständige Name Siegerts ist dem Buch „The Development of the German Air Force, 1919-1939“ entnommen. Siehe Prof. Richard Suchenwirth: The Development of the German Air Force, 1919-1939, Pickle Partners Publishing, Auckland, 2017, Unbekannte Seitennummer. |
↑48. | Zitiert nach Dem Gedächtnis Richthofens – Trauerfeier in der Garnisonkirche, 1918, Seite 5. |
↑49. | Militäroberpfarrer Goens †, In: Berliner Morgenpost, Jahrgang 21, Ausgabe 207 vom 28. Juli 1918, Seiten 5 f. |
↑50. | Militäroberpfarrer D. Goens †, In: Berliner Neueste Nachrichten, Jahrgang 38, Ausgabe 380 (Morgenausgabe) vom 28. Juli 1918, Seite 6. |
↑52. | Dieter Weigert: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg – Prediger an die Front, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 126. |
↑55. | Dr. Karl Plumeyer: Beiträge zur Geschichte der Berliner Garnisonfriedhöfe – II. Die Grabstätten in der Hasenheide, In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jahrgang 1924, Heft 7-9, Seite 50. |
↑57, ↑61, ↑63, ↑64, ↑81, ↑83. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 126. |
↑58, ↑119. | Dieter Weigert: Ein verschwundenes Berliner Baudenkmal: Die Alte Garnisonkirche, Website FOBI Lilienstern, abgerufen am 11. Juli 2022. |
↑59. | Heinz Berg: Zur Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde diesseits vom Spandauer Tor, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2. |
↑60. | Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, Flyer, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V., unbekanntes Erscheinungsjahr. Im Besitz des Autors. |
↑65, ↑158. | Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, unbekanntes Erscheinungsjahr. |
↑67. | Klaus Duntze: Ob auch Kriegsleute seligen Standes sein können (Martin Luther), In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 14. |
↑68. | Während des Kapp-Putsches im Jahre 1920 war es Hans von Seeckt, der der jungen Weimarer Republik die Loyalität verweigerte, indem er mit den Worten „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr.“ davon abriet, das Militär gegen die Putschisten einzusetzen. |
↑70. | Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 14. |
↑71. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117, Fußnote 29. |
↑72. | Zunächst im Gemeindeblatt, später im Amtsblatt der Stadt Berlin sind in dieser Zeit immer wieder Konzertankündigungen zu finden. Hier einige Beispiele: Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 66, Ausgabe 42 vom 18. Oktober 1925, Seite 441. Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 67, Ausgabe 13 vom 28. März 1926, Seite 102. Gemeindeblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 67, Ausgabe 52 vom 26. Dezember 1926, Seite 460. Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 11 vom 11. März 1928, Seite 71. Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 38 vom 16. September 1928, Seite 539. Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 69, Ausgabe 42 vom 14. Oktober 1928, Seite 597. Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 70, Ausgabe 3 vom 20. Januar 1929, Seite 38. |
↑73. | Als Personalgemeinde war die Garnisongemeinde nie als Parochie organisiert, also keinem bestimmten geographischen Gebiet zugeordnet. Die Mitgliedschaft basierte stets auf der Zugehörigkeit zum preußischen beziehungsweisen deutschen Militär. |
↑74, ↑90, ↑108, ↑143, ↑150, ↑153. | Berg, Geschichte der evangelischen Garnisongemeinde, 1995. |
↑75. | Gedenkfeier für Emil Frommel, In: Vossische Zeitung – Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 9 (Morgenausgabe) vom 6. Januar 1928, Seite 11. Die Zeitung gibt für genannte Personen nur die Familiennamen an. Der vollständige Name Admiral Zenkers kann seinem Eintrag im Berliner Adreßbuch entnommen werden. Dieser lautet: „Zenker, Hans, Admiral, Exz., Chef d. Marineltg., W10 Königin-Augusta-Str. 38-42″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, August Scherl, Deutsche Adreßbuch-Gesellschaft m. b. H., Berlin, Seite 3948. Generalmajor Severins vollständiger Name ist ebenfalls im Berliner Adreßbuch zu finden. Sein Eintrag lautet: „Severin, Johannes, Gen.-Major u. Kommandant v. Berlin, C2 Platz am Zeughause 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, Seite 3317. Und auch Hofprediger Richter-Reichhelms Name ist im Berliner Adreßbuch verzeichnet. Sein Eintrag lautet: „Richter-Reichhelm, Walter, Hofpredg., Charlottenbg., Carmerstr. 1″. Siehe Berliner Adreßbuch 1928, Zweiter Band, Seite 2810. |
↑76. | Frommel-Jubiläum, In: Vossische Zeitung – Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Ausgabe 9 (Morgenausgabe) vom 6. Januar 1928, Seite 6. |
↑78. | Arnulf Scriba: Die Schlacht bei Tannenberg 1914, In: Lebendiges Museum Online, Website des Deutschen Historischen Museums, veröffentlicht am 8. September 2014, abgerufen am 16. Juli 2022. |
↑79. | Berthold Seewald: Der berühmte deutsche Sieg war eine Abfolge von Fehlern und Zufällen, In: Welt vom 9. Februar 2002. |
↑80. | Amtsblatt der Stadt Berlin, Jahrgang 70, Ausgabe 15 vom 14. April 1929, Seite 243. |
↑84. | Feldbischof a. D. D. Schlegel †, In: Briesetal-Bote – Heimatzeitung im Kreise Niederbarnim, Jahrgang 37, Ausgabe 66 vom 29. April 1938, Seite 8. |
↑85. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 128. |
↑86. | Zitiert nach Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 131. |
↑87. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 129 ff. |
↑88. | Doris Tüsselmann: Die Garnisongemeinde in Berlin und ihre „verlorene“ Kirche, In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jahrgang 2010, Heft 1, Seite 323. |
↑91. | Auf der Website musiconn.performance sind beispielsweise mehrere dieser Konzerte aufgeführt, so am 5. Mai 1935 mit Kantaten von Johann Sebastian Bach, am 7. Oktober 1937 mit Werken von Johann Nepomuk David, am 5. Mai 1940 mit Werken von Jacobus Gallus, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Max Reger und Ernst Pepping sowie am 27. September 1942 mit der Johannespassion von Johann Sebastian Bach. Siehe Suchergebnis: Konzerte mit dem Thomanerchor Leipzig in der Berliner Garnisonkirche in den Jahren 1935 bis 1942, Website musiconn.performance, abgerufen am 16. Juli 2022. |
↑92. | Passion – weltweit, In: Neue Zeit, Jahrgang 2, Ausgabe 91 vom 18. April 1946, Seite 2. |
↑93. | Feldbischof a. D. D. Schlegel †, 1938, Seite 8. |
↑94. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 131 f. |
↑96, ↑110, ↑129, ↑156, ↑181. | Berg, Vom Diesseits zum Jenseits des Spandauer Tores, 1995. |
↑98. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 115. |
↑99. | „Hier wohnt der Geist des Friedens“, In: Neue Zeit, Jahrgang 8, Ausgabe 259 vom 5. November 1952, Seite 6. |
↑100. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 162. |
↑101. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 142. |
↑102. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 152. |
↑103. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 148 ff. |
↑104. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seite 132. |
↑105, ↑155. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seiten 112 f. |
↑106. | Zeitbilder aus einer genesenden Großstadt, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 1, Ausgabe 146 vom 1. November 1945, Seite 2. |
↑107. | Gartenarbeitsschulen für Berlin, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 2, Ausgabe 77 vom 2. April 1946, Seite 2. |
↑111. | Auf den Sohlen des Generals von Tettau, In: Neues Deutschland, Jahrgang 3, Ausgabe 231 vom 3. Oktober 1948, Seite 6. |
↑112, ↑114, ↑116. | Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6. |
↑113. | Zitiert aus Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6. Die von der Zeitung angegebene Anzahl der Särge ist von ihr aufgerundet worden. Tatsächlich waren exakt 193 Särge in der Gruft verblieben, nachdem man in den 1870er Jahren die Gruft nach ihrem andauernden Verfall wiederhergestellt hatte. |
↑115, ↑117. | Zitiert aus Auf den Sohlen des Generals von Tettau, 1948, Seite 6. |
↑118. | Blick auf Berlin: Turmspezialist für die Domkuppel, In: Neue Zeit, Jahrgang 4, Ausgabe 139 vom 18. Juni 1948, Seite 3. |
↑120. | Umbettung aus der Garnisonkirche, In: Neue Zeit, Jahrgang 5, Ausgabe 259 vom 4. November 1949, Seite 5. |
↑121. | Weigert, Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, 2004, Seiten 132 f. Insbesondere ist dort eine Abbildung des genannten Berichtes zu sehen. |
↑122. | „Heimstätte Berlin“ – Beschlüsse der 48. Magistratssitzung, In: Berliner Zeitung, Jahrgang 5, Ausgabe 259 vom 4. November 1949, Seite 6. In dem Bericht ist – wie auch in anderen Berichten jener Tage – von 199 Särgen die Rede. Es handelt sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Fehler, da man in den 1870er Jahren nur 193 Särge in der Gruft belassen hatte. Das genaue Datum der Magistratssitzung wird in dem Zeitungsartikel nicht genannt. Es wurde dem folgenden Buch entnommen: Stefi Jersch-Wenzel & Reinhard Rürup (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer, Band 3: Staatliche Archive der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München, 1999, ISBN 3-598-22443-5, Seite 96. |
↑123. | Umbettung aus der Garnisonkirche, 1949, Seite 5. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß nahezu alle später erschienenen Sekundärquellen davon sprechen, die Umbettung habe im Oktober 1949 stattgefunden. Wenn das so gewesen sein sollte, so haben wir zumindest bisher keine dies bestätigende Primärquelle gefunden. Es bliebe dann aber auch die Frage offen, warum man bereits im Oktober mit der Umbettung begonnen haben soll, wenn doch der Ost-Berliner Magistrat den Beschluß zu ihrer Durchführung erst am 3. November 1949 gefaßt hatte. |
↑124. | Heinrich Lange: Adolph Menzels „alte Bekannte“, In: Berlinische Monatsschrift, Heft 9/98, Edition Luisenstadt, Berlin, 1998, Seite 54. |
↑126. | Umbettung aus der Garnisonkirche, 1949, Seite 5. |
↑127. | Ernst Reuß: Endzeit und Neubeginn. Berliner Nachkriegsgeschichten, Metropol Verlag, Berlin, 2022, Seiten 187 ff. via Website Historisches Sachbuch, abgerufen am 18. Juli 2022. |
↑128. | Jörg Kuhn: Der Alte Garnisonfriedhof und seine kunsthistorisch bedeutenden Grabmale, In: Der Alte Berliner Garnisonfriedhof im Spannungsfeld zwischen Scheunenviertel und Monbijou, herausgegeben vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof, 1. Auflage, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin, 1995, ISBN 3-7759-0399-2. |
↑130. | Dieter Weigert: Miles Perpetuus – 350 Jahre stehendes Heer in der Mark, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 24. Weigert spricht von weit mehr als eintausend bestatteten Opfern der letzten Kriegstage. Da sich diese Diskrepanz zwischen den beiden Quellen nicht ohne weiteres auflösen läßt, haben wir uns entschieden, der Angabe in der vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof herausgegebenen Publikation zu folgen. |
↑132. | „Ein Amt von Gottes Gnaden“, In: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 23. Februar 2020. |
↑133. | Zitiert nach Carola Hein: Jørn Utzon – Hauptstadt Berlin 1958, In: Carsten Krohn (Hrsg.): Das ungebaute Berlin – Stadtkonzepte im 20. Jahrhundert, Dom Publishers, Berlin, 2010, Seiten 143 ff. |
↑134. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117, Fußnote 30. |
↑135. | Carola Hein: Jørn Utzon – Hauptstadt Berlin 1958, 2010, Seiten 143 ff. |
↑136. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seiten 115 f. In Fußnote 31 auf Seite 117 gibt Barbara Kündiger als Beispiele für solche Entwürfe die von A. Naumov und anderen sowie von Gerhard Kröber und anderen an. |
↑137. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 116. |
↑138. | Zitiert nach Geschichte der Kirche, Website Alter Berliner Garnisonfriedhof, abgerufen am 18. Juli 2022. Auf der Website ist das Schreiben im Original abgebildet. |
↑139. | Falk, Holtz, Alte Berliner Garnisonkirche, 1995. Eine handschriftliche Notiz auf dem Schreiben Gißkes an das Stadtbezirksbauamt Mitte bestätigt diese Einigung. Siehe Abbildung des Schreibens in Geschichte der Kirche, Website Alter Berliner Garnisonfriedhof, abgerufen am 18. Juli 2022. |
↑140. | Jörn Düwel: Ein neuer Städtebau zur Legitimation der DDR – Der zentrale Platz in Berlin, In: Andreas Engwert & Hubertus Knabe (Hrsg.): Der rote Gott – Stalin und die Deutschen, Katalog zur Sonderausstellung, Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte und Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Berlin, 1. Auflage, 2018, Seiten 115 f. |
↑141. | Verena Pfeiffer-Kloss: Die Macht der Abwesenheit – Zur städtebaulichen Gestaltungsdebatte um den Stadtplatz unter dem Berliner Fernsehturm, ISR Impulse Online 56, Universitätsverlag der TU Berlin, Berlin, 2015, ISBN 978-3-7983-2739-9, Seite 44. |
↑142, ↑152. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117. |
↑144. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 117. Andere Quellen verlegen den Abriß in das Folgejahr 1962. Siehe beispielsweise Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 7. |
↑145. | Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 7 und Seite 16. |
↑146. | Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seite 54. |
↑147, ↑174. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 134. |
↑148. | Pfeiffer-Kloss, Die Macht der Abwesenheit, 2015, Seite 43. |
↑151, ↑157, ↑168, ↑170. | Martin Mende: Anna-Louisa-Karsch-Straße, Website des Vereins für die Geschichte Berlins e. V., gegründet 1865, abgerufen am 20. Juli 2022. |
↑154. | Das Schicksal der Alten Berliner Garnisonkirche, unbekanntes Erscheinungsjahr. Das genaue Jahr wird nicht genannt. Es ist lediglich von einem Zeitraum „nach dem Abriß der Kirche Anfang der 60er Jahre“ die Rede. Im Wikipedia-Artikel zur Littenstraße wird das Jahr 1965 angeführt. Zwar ist Wikipedia als Quelle oft eher unbrauchbar, da dort lediglich anonyme Autoren Artikel verfassen, deren Überprüfung wegen der meist völlig unzureichenden Belegung mit Quellen mindestens schwierig, oft sogar unmöglich ist, doch da der Bau des Berliner Fernsehturms tatsächlich 1965 begann, dürfte die Angabe wohl korrekt sein. Siehe Littenstraße, Website wikipedia.de, Artikelversion vom 29. Juni 2022 um 19:56 Uhr, abgerufen am 18. Juli 2022. |
↑159. | Kündiger, Umbauten, Zerstörungen und Abriß, 2004, Seite 112. |
↑160. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seite 134 und Seite 169, Fußnote 1. |
↑161. | Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seite 51. |
↑162. | Als Mensa, was im Deutschen mit Tisch zu übersetzen ist, bezeichnet man in der christlichen Tradition in der Regel die Tischplatte eines Altars. Der Begriff kann aber auch den vollständigen Altar bezeichnen. |
↑163. | Lange, Adolph Menzels „alte Bekannte“, 1998, Seiten 56 f. |
↑164. | Heinrich Lange: Ein preußischer Architekt – Zum 200. Geburtstag von Friedrich August Stüler, In: Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenblatt, Ausgabe vom 12. Februar 2000, Seite 12. |
↑165. | Lange, Ein preußischer Architekt, 2000, Seite 12. Der Artikel ist im Februar 2000 erschienen, also einen Monat vor der Eröffnung, die darin als für März geplant erwähnt wird. |
↑166. | Heinrich Lange: „…zum andächtigen Besuch…“ – Am 1. Januar 1703 wurde die erste Berliner Garnisonkirche eingeweiht, In: Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenplatt, Ausgabe vom 21. Dezember 2002, Seite 9. |
↑167. | Die Herkunft der Zeichen auf der Säulentrommel wurde dem Autor von Dr. Paul-Haimon Lins vom Förderverein Alter Berliner Garnisonfriedhof e. V. in einem persönlichen Gespräch während eines Besuchs auf dem Friedhof am 20. Dezember 2020 beschrieben. |
↑169. | Barbara Kündiger: Spurensuche und Fundstücke, In: Barbara Kündiger & Dieter Weigert: Der Adler weicht der Sonne nicht – 300 Jahre Berliner Garnisonkirche, 1. Auflage 2004, Berlin Edition in der Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin, ISBN 3-8148-0128-8, Seite 20. |
↑171. | Garnisongrab in Stahnsdorf wird erweitert, In: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 30. November 2010. |
↑172. | Zitiert aus Max Müller: Auf den Spuren des preußischen Militärs, In: Berliner Morgenpost vom 20. November 2019. |
↑173. | Müller: Auf den Spuren des preußischen Militärs, 2019. |
↑175, ↑176. | Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seite 18. |
↑177. | Kündiger, Bildwelten und Klangbilder, 2004, Seiten 135 ff. |
↑178. | Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seiten 18 f. |
↑179. | Eine Zeitlang waren einige davon über die Website Europeana.eu abrufbar. Dabei handelte es sich um Aufnahmen von Kurt Grosse an der Orgel. Sie beinhalteten beispielsweise von Robert Schumann das „Abendlied“ aus „Stücke, Klavier, 4-händig, op. 85“, von Georg Friedrich Händel das „Arioso in h-dur – Dank sei dir, Herr“, einmal in einer reinen Orgelfassung und einmal in einer Fassung für Orgel und Cello, gemeinsam mit Hans Bottermund am Cello. Auch eine Aufnahme von Franz Schuberts Lied „Du bist die Ruh“ war darunter, ebenfalls mit Hans Bottermund am Cello. Leider sind diese Aufnahmen mittlerweile nicht mehr online über diese Website verfügbar. |
↑180. | Kündiger, Spurensuche und Fundstücke, 2004, Seite 20. |
↑182. | Duntze, Kriegsleute, 2004, Seite 15. |
↑183. | Duntze, Kriegsleute, 2004, Seiten 15 f. |